Hamburg verbietet Verhüllung an Schulen: Niqab nur an Karneval
Zehn Schülerinnen in Hamburg tragen Niqab oder Burka. Hamburgs rot-grüne Koalition will den Mädchen nun verbieten, ihr Gesicht zu verhüllen.
Laut Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) gibt es in Hamburg aktuell zehn Schülerinnen, die mit verhülltem Gesicht den Unterricht besuchen wollen. Wie alt die Schülerinnen sind, weiß die Schulbehörde nicht. Man führe dazu keine Statistik, sagte ein Sprecher.
Dem NDR sagte Bekeris, dass die Behörde in diesen zehn Fällen mit „Beratung nicht weitergekommen“ sei. Um was für eine Beratung genau es sich dabei handelte, konnten weder die Schulbehörde noch die Fraktionen am Dienstag beantworten. Ein Sprecher der Schulbehörde sprach von „Gesprächen der Schulen mit betroffenen Eltern und Schülerinnen“.
Bisher gibt es für ein Verbot der gesichtsverhüllenden muslimischen Kleidungsstücke in Hamburg keine gesetzliche Grundlage. Im Jahr 2020 hatte eine damals 16-jährige Berufsschülerin vor dem Hamburger Verwaltungsgericht erstritten, mit Niqab am Unterricht teilnehmen zu dürfen. Zuvor hatte sie getrennt von ihren Mitschüler*innen in einem Nebenraum sitzen müssen. Die Schulaufsicht hatte der Mutter der Schülerin damals mit einem Zwangsgeld von 500 Euro gedroht, wenn sie ihre Tochter nicht dazu bringe, ihr Gesicht zu zeigen.
Religiöse Gefühle sind kein Härtefall
Nach dem verlorenen Gerichtsverfahren hatte der damalige Schulsenator Ties Rabe angekündigt, die Gesichtsverhüllung notfalls auch per Gesetz zu verbieten. Dieser Schritt ist nun gekommen.
Zur Begründung sagte Nils Hansen von der SPD-Fraktion: „Offene Kommunikation ist in Hamburger Schulen gelebte Praxis.“ Sie brauche allerdings „einen klaren gesetzlichen Rahmen“. Zu dieser offenen Kommunikation gehöre „das Lesen von Mimik, weswegen das Gesicht in der Schule nicht bedeckt sein sollte“, sagt Grünen-Pressesprecher Nicolas Garz.
Beide Fraktionen betonen, dass das Tragen einer medizinischen Maske weiterhin möglich sein soll. So steht es auch in dem geplanten Gesetzestext.
Für schulpflichtige Schüler*innen soll es die Möglichkeit geben, „in ganz besonders gelagerten Härtefällen eine Ausnahme“ zu machen. Die Belastung und Gewissenskonflikte, gegen die eigenen religiösen Überzeugungen zu verstoßen, stellten dabei keine Härte dar. Nur wenn die betroffene Schülerin „in Gesundheit und Leben gefährdet“ erscheine, sei eine Abwägung zulässig.
Bei den nichtschulpflichtigen Schülerinnen gebe es auch die „Alternative, den Schulbesuch zu beenden“. Zudem könne der angestrebte Bildungserfolg auch „anders als durch den Besuch einer Präsenzschule erreicht werden“.
Linksfraktion grundsätzlich einverstanden
Und es gibt noch mehr Ausnahmen: etwa, wenn im Chemieunterricht eine Schutzmaske erforderlich ist. Auch im Fach Theater, wenn „die gespielte Rolle eine Bedeckung des Gesichts erfordert“ oder bei „schulischen Karnevalsfeiern“ sollen Schulleitungen Ausnahmen machen dürfen.
Die Hamburger Linksfraktion ist nicht grundsätzlich gegen ein Verhüllungsverbot, hält den aktuellen Antrag von Rot-Grün allerdings für „überhastet“, sagt deren Sprecher. Die religionspolitische Sprecherin der Fraktion, Insa Tietjen, sagt, es wäre „deutlich klüger, die Präventionsarbeit in den Haushaltsverhandlungen zu stärken“, sofern es Rot-Grün um die Bekämpfung des Islamismus gehe. Senatorin Bekeris hatte gegenüber dem NDR von einer „Radikalisierung in bestimmten Gemeinden“ gesprochen, der man die Stirn bieten wolle.
GEW fürchtet weiteren Ausschluss
Thimo Witting, Sprecher der Stadtteilschulleiter, begrüßt das geplante Verbot. Für Witting ist es eine „gute Hilfestellung“, die für Transparenz sorgt. Diese Rechtssicherheit begrüßt auch die Lehrer*innen-Gewerkschaft GEW. Deren stellvertretende Vorsitzende Yvonne Heimbüchel weist aber auf die Gefahr hin, „dass ein solches gesetzlich verankertes Verbot die intersektionale Diskriminierung betroffener Mädchen und Frauen noch verstärkt“. Es sei „bildungspolitisch fatal“, wenn die Betroffenen durch einen möglichen Ausschluss vom Unterricht „verloren“ gingen.
In Hamburg forderten CDU und AfD zuletzt 2017 ein Verhüllungsverbot. In Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gibt es das Verbot bereits.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen