Hamburgs Verschleierungs-Verbotspläne: Aktionismus löst keine Probleme
Grüne und SPD möchten die „offene Kommunikation“ an Hamburgs Schulen bewahren. Blöd, dass ihnen dazu nur verschleierte Mädchengesichter einfallen.
M üssen nun zehn muslimische Mädchen ausbaden, was versäumt wurde im Kampf gegen den Islamismus? Bloßer Zufall wird es ja kaum sein, dass Hamburgs SPD und Grüne am 30. April den nun zur Abstimmung stehenden Antrag vorlegten, der die „offene Kommunikation“ an den örtlichen Schulen bewahren soll – deren Gefährdung demnach in den stoffverhüllten Gesichtern von nicht mal einem Dutzend Schulmädchen besteht.
Drei Tage vorher, am 27. April, hatte eine islamistische Demonstration der Stadt Rufe nach einem „Kalifat“ beschert – und in der Folge überregional schlechte Presse. Woraufhin eine Idee wieder hervorgeholt worden zu sein scheint, die schon seit Anfang 2020 in Umlauf ist. Damals hatten das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht zugunsten einer verschleierten Berufsschülerin geurteilt – und die Schulbehörde angekündigt: Diese Rechtslücke wird geschlossen!
Es wird sich zeigen, ob die Behördenjurist:innen zu einer rechtssicheren Konstruktion gelangen; immerhin sind von einem Verschleierungsverbot im Bildungswesen die Grundrechte der betroffenen Schülerinnen berührt. Dabei kann man aus guten Gründen gegen religiös begründete Kleiderregeln im öffentlichen Raum sein. „Als Opfer und zugleich als Störerin“ behandele ein damals neues Verbot in Frankreich die Burka-Trägerin: Das hat 2015 allerdings kein islamischer Verbandsfunktionär kritisch angemerkt, sondern der katholische Theologe Heiner Bielefeldt.
Der Aktionismus-Verdacht bleibt – und ebenso der Eindruck, Hamburg handele nun gerade an dieser Stelle, weil die eigentlich zu stellende Frage nach einer möglichen Radikalisierung unter Muslim:innen so viel konfliktträchtiger wäre. Bloß: Wem ist am Ende gedient mit lediglich symbolisch bleibender, ja: mit Pseudo-Politik?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“