Die AfD und ihre China-Connections

Ein Mitarbeiter des AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah soll für China spioniert haben. Krah gerät damit weiter unter Druck. Chinas Regierung weist die Vorwürfe zurück

Erst Russland, jetzt China: Maximilian Krah gerät weiter unter Druck Fo­to:­ Jean Francois Badias/dpa

Von Gareth Joswig, Konrad Litschko und Rainer Werner

Erst Vorwürfe der Russlandnähe, nun kommt noch China hinzu. Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl im Juni, gerät massiv unter Druck. Am Montagabend wurde sein Mitarbeiter, Jian G., im Auftrag der Bundesanwaltschaft in Dresden festgenommen. Dem 43-Jährigen wird Agententätigkeit für einen chinesischen Geheimdienst in einem besonders schweren Fall vorgeworfen.

Der gebürtige Chinese soll nach taz-Informationen bereits seit mehreren Jahren für einen chinesischen Geheimdienst tätig sein. Fürs Studium kam er nach Dresden, handelte später unter anderem mit LED-Technik und lernte dabei Krah kennen. Ab 2019 arbeitete er für den AfD-Mann als Mitarbeiter, nachdem dieser für die AfD ins Europaparlament eingezogen war. Im Januar dieses Jahres soll Jian G. wiederholt Informationen über Verhandlungen im Europäischen Parlament an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben. Zudem soll er chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben. So ist er etwa vor Jahren auf Fotos mit taiwanischen De­mo­kra­tie­ak­ti­vis­t*in­nen in Deutschland zu sehen oder auch bei einem Besuch beim Dalai Lama. Vor etlichen Jahren soll sich G. auch einem deutschen Geheimdienst als Quelle angedient haben – eine Zusammenarbeit soll aber nicht zustande gekommen sein, weil er als unzuverlässig angesehen wurde. Die Vorwürfe gegen Jian G. sollen auf Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz basieren. Krah gab sich am Dienstagmorgen auf taz-Anfrage zunächst überrascht, ihm sei „nie etwas Verdächtiges aufgefallen“. Später erklärte er, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, würde er das Dienstverhältnis mit Jian G. beenden. Das Europaparlament suspendierte den 43-Jährigen bereits am Dienstag mit sofortiger Wirkung.

Schon länger hatten Medien auf fragwürdige Verbindungen von Jian G. hingewiesen, die auch Krah bekannt sein sollten. Demnach hat der AfD-Politiker 2019 mit Jian G. gar bei der Vernetzung des Vereins Neue Seidenstraße e. V. geholfen, einem Verein zur chinesischen Einflussnahme. Kurz darauf fing Jian G. seinen Job in Krahs Büro in Brüssel an. G. soll danach China-Reisen von Krah eingefädelt haben. Dabei war 2023 auch der für die AfD gewählte Bürgermeister aus Pirna, Tim Lochner. Der sprach von Jian G. als „unserem chinesischen Kontaktmann“. Bei einer Reise wurde Lochner wie ein Staatsgast hofiert, bekam einen Verdienst­orden von der Kommunistischen Partei verliehen. Vor und nach der Reise sollen Zahlungen ins Umfeld von Jian G. geflossen sein. Auch der AfD-Jugend soll G. mehrere Delegationsreisen angeboten haben. Bei einer China-Reise 2018 von Krah habe Jian G. zudem einen Vortrag bei der chinesischen Einflussorganisation Silk Road Think Tank Association gehalten, die auch im Auftrag des chinesischen Geheimdienstes International Department of the Central Comittee of the Communist Party of China (IDCPC) weltweit Kontakte knüpfen soll. Der Verfassungsschutz warnte schon im Juli 2023 vor Aktivitäten des ­IDCPC in Deutschland.

Trotz all dieser bekannten zweifelhaften Verbindungen hat Krah Jian G. zuletzt als Beispiel für seine angebliche Weltoffenheit angeführt und kritisiert, dass der grüne EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer seinen Mitarbeiter in einer Sitzung als chinesischen Spion bezeichnet hatte. Krah selbst reiste 2019, teils auf Kosten des chinesischen Konzerns Huawei, eines weiteren staatlichen Konzerns und mehrerer Stadtverwaltungen, per Business-Class nach Beijing und übernachtete sechs Tage in Luxushotels. Kritik an China wies er zurück, stellte Internierungslager für Uiguren und andere Minderheiten als „Gruselgeschichten“ infrage. Chinesischen Staatsmedien gab er Interviews, Taiwan hält er für einen Teil Chinas und betonte, auch Tibet sei rechtmäßiges chinesisches Territorium. Während im Europaparlament seine Fraktionskollegen China-Resolutionen mittrugen, stimmte Krah dagegen. In der AfD-Bundestagsfraktion setzte er sich für den 5G-Ausbau von Huawei ein.

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla nannten die Vorwürfe „sehr beunruhigend“. Krah sei auf dem Weg nach Berlin, um im „persönlichen Kontakt diese Dinge zu besprechen“. Weidel kündigte eine Stellungnahme für Mittwochmorgen an. „Wir nehmen diese Fälle sehr ernst.“

Außerhalb der AfD war die Kritik massiv. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Vorwürfe „äußerst schwerwiegend“. Wenn sich diese bestätigten, sei das „ein Angriff von innen auf die europäische Demokratie“. Justizminister Marco Buschmann (FDP) forderte „harte Konsequenzen“, wenn sich der Vorwurf bewahrheite. Der belgische Europapolitiker Guy Verhofstadt kritisierte, China und Russland untergrüben die Demokratie und Sicherheit, „und die radikale Rechte ist ihr trojanisches Pferd“.

Jian G. soll chinesische Oppositionelle ausgespäht haben

Erst am Montag hatte die Bundesanwaltschaft drei Deutsche festnehmen lassen, die mit ihrem Unternehmen Wirtschaftsspionage für China betrieben haben sollen.

In China wischt man die Vorwürfe weg. Wang Wenbin, Sprecher des Außenministeriums, nannte diese eine „böswillige Verleumdung“, die „völlig aus der Luft gegriffen“ sei. Die Absicht sei „ganz offensichtlich, China zu verleumden, zu unterdrücken und die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu untergraben“. In der chinesischen Öffentlichkeit wird das Thema – auch dank einer flächendeckenden Zensur – nicht diskutiert. Zugleich schwört Präsident Xi Jinping die Bevölkerung geradezu obsessiv gegen Gefahren aus dem Ausland ein. Universitäten berichten auf ihren Onlineaccounts stolz von Anti-Spionage-Kursen, in Staatsbetrieben wird auf den Fluren auf Plakaten vor ausländischen Spitzeln gewarnt. Die Staatssicherheit ruft ihre Bürger dazu auf, verdächtige Aktivitäten bei den Behörden zu melden. Immer wieder werden internationale Geschäftsleute oder Akademiker wegen Spionageverdachts festgenommen. Die Verhandlungen finden dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

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