Kommt das Dackelverbot?

Der grüne Agrarminister Özdemir will mit der Reform des Tierschutzes die sogenannte Qualzucht einschränken. Hundezüchter fürchten: Ganze Rassen könnten betroffen sein

Viele finden die Hunde niedlich, aber: Dackel leiden oft unter Bandscheibenvorfällen, weil ihr Rücken zu lang ist und ihre Beine zu kurz sind Foto: dpa

Von Jonas Baur

Große Sorgen bei den Liebhabern des Hundewesens: „Ein Gesetz, das unsere Lieblingshunde verbietet?“, steht groß auf der Website des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH), der die Interessen von Hundezüchtern und -haltern vertreten will. Und: „Ohne uns!“

Es geht um die Reform des Tierschutzgesetzes von Bundesagrarminister Cem Özdemir. Im Februar hat der Grünen-Politiker einen Entwurf dafür veröffentlicht. Özdemir will unter anderem sogenannte Qualzuchten einschränken. Das ist die Duldung oder gar Förderung von Merkmalen bei der Zucht, die Leid verursachen. Der verkürzte Schädel von Möpsen etwa führt in vielen Fällen zu Atemnot. Und Dackel laufen durch ihre kurzen Beine vielleicht niedlich – aber haben oft mit Bandscheibenvorfällen und damit teils extremen Schmerzen zu kämpfen.

Dem VDH sind die Formulierungen in Özdemirs Novelle zu allgemein. Man könne sie als Zuchtverbote für ganze Hunderassen auslegen, warnt der Verband. Er hat eine Petition gegen die Pläne gestartet, auch wenn er ein Gesetz zur Bekämpfung von Qualzuchten und die Regulierung des Online-Handels mit Tieren nicht grundsätzlich ablehnt. Zu unkonkrete Formulierungen sollen aber auf Basis „gesicherter wissenschaftlicher und/oder züchterischer Erkenntnisse“ umformuliert werden, um „die Gefahr von falschen oder überzogenen Auslegungen“ zu verhindern.

Tierärztin Petra Sindern stützt die Befürchtungen des VDH: „Der Dackel wäre tatsächlich ebenso wie fast alle anderen Hunderassen von einem Verbot bedroht, wenn die Formulierungen des Referentenentwurfs zum neuen Tierschutzgesetz unverändert übernommen würden.“ Sindern ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Qualzucht der Bundestierärztekammer und Vizepräsidentin des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte. Der Tierarztverband fordere ebenfalls konkretere Formulierungen. „Anomalien des Skelettsystems“ oder „nachweisbare Veränderungen einzelner Gene“ seien zu unspezifisch. Er will „tierartspezifische Verordnungen“ mit „sorgfältigen, objektiven und wissenschaftlich fundierten“ Definitionen, die kontrolliert werden könnten. So könnten einzelne Tiere von der weiteren Zucht ausgeschlossen werden.

Ein Sprecher des Agrarministeriums versicherte, dass der Gesetzesentwurf nicht das Verbot spezifischer Rassen vorsehe. Vielmehr solle die „nicht-abschließende Liste an Symptomen“ Behörden helfen festzustellen, ob ein Tier Qualzuchtmerkmale aufweist. Wäre dies der Fall, dürfe mit diesem Tier nicht weiter gezüchtet werden. „Außerdem darf ein Tier mit Qualzuchtmerkmalen nicht mehr ausgestellt werden, wodurch die Nachfrage nach entsprechend gezüchteten Nachkommen sinken soll“, erklärte der Sprecher.

Auch abseits der Fragen um die Qualzucht wird das neue Tierschutzgesetz kontrovers diskutiert. Der Tierarztverband schreibt zum Beispiel in einer Stellungnahme, manche der Vorschläge liefen in ihrer jetzigen Form dem Tierschutz zuwider, zum Beispiel die Kastration von Kälbern unter vier Wochen. Die Tiergenetik und die Tiergesundheit seien zudem „erst gar nicht adressiert“ worden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert ebenfalls eine Überarbeitung des Gesetzesentwurfes. Er sieht vor, dass die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verboten wird. Doch laut BUND gibt es zu viele Ausnahmen, sodass sich „für den durchschnittlichen Betrieb“ nichts ändern würde.

Der Tierarztverband kritisiert, dass manche Vorschläge dem Tierschutz zuwider laufen

Der Deutsche Tierschutzbund bemängelt, dass im Gesetzentwurf keine bundesweite Kastrationspflicht für frei laufende Katzen vorgesehen ist. Er vermisst zudem ein Verbot von Lebendtiertransporten in Länder außerhalb Europas. Verbandschef Thomas Schröder kritisiert, dass das „Schwanzkupieren bei Schweinen sowie das Schnabelkürzen bei Legehennen und Puten“ erlaubt bleiben solle. „Statt hier und heute klare Kante zu zeigen, wird vieles auf später verschoben und könnte von der nächsten Bundesregierung locker wieder einkassiert werden“, sagte er.

Nicht nur Tierschützer kritisieren den Gesetzesentwurf. Die FDP ist dagegen, da die darin beschriebenen Maßnahmen zu mehr Bürokratie für Landwirte führen würden. Genau das hätte man den Landwirten versprochen, nicht zu tun, sagte Ingo Bodtke (FDP) dem Deutschlandfunk. Außerdem haben die beiden liberalen Regierungsmitglieder Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) in einem Brief an Özdemir geschrieben, dass die Änderungen „spürbare negative Folgen für den Agrar­standort“ und „die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Forschungsstandortes“ hätten.

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