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Über 80.000 Menschen gegen RechtsAnti-Nazi-Demo läuft über

Bei einer Demonstration am Jungfernstieg in Hamburg kamen über acht Mal so viele Menschen wie angemeldet. Versammlung wegen Überfüllung abgebrochen.

Wurde wegen Überfüllung abgebrochen: Demonstration gegen rechtsextreme Umtriebe auf dem Hamburger Jungfernstieg Foto: Jonas Walzberg/dpa

Hamburg taz | Weitaus mehr Zulauf als erwartet hat am Freitagnachmittag eine Anti-Nazi-Demonstration in Hamburg erhalten. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Kulturschaffenden und Religionsgemeinschaften hatte zu der Kundgebung gegen „Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke“ aufgerufen. Nach Schätzung des DGB beteiligten sich mehr als 80.000 Menschen.

Anlass der Demonstration waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerk Correctiv über ein geheimes Treffen von AfD-Politiker*innen mit Neonazis. Bei dem Treffen waren Deportationspläne unter anderem für ausländisch gelesene Menschen besprochen worden.

Die Demo fand am Jungfernstieg statt, nicht wie geplant auf dem Rathausmarkt. Die AfD erreichte durch eine spontane Fraktionssitzung, dass die Demo um etwa 350 Meter verschoben wird: Das Hamburger Bannkreisgesetz verbietet Versammlungen und Demos im Umkreis von 350 Meter um das Rathaus herum. Dadurch soll die Arbeitsfähigkeit der Bürgerschaft geschützt werden.

Die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen zeigten sich davon unbeeindruckt. „Die Attacke auf unsere Kundgebung überrascht uns nicht“, erklärten sie gestern in einem Statement. „Sie zeigt einmal mehr, dass die AfD die Demokratie verachtet.“

Senat zeigt Flagge

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprach davon, dass die Freiheit aller Ham­bur­ge­r*in­nen gefährdet sei. „Hier steht die Mitte der Gesellschaft“, sagte er. „Wir haben den Punkt erreicht, wo alle rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürger aufstehen müssen.“ Der ganze Senat sei hier anwesend, sagte Tschentscher.

Die meisten Menschen jubelten dem Bürgermeister zu. Die Chefin des DGB Hamburg, Tanja Chawla, sprach davon, dass eine faschistische Regierung zu einem „Abbau von Arbeits- und Schutzrechten führen würde“. Die AfD strebe nach faschistischen Verhältnissen, warnte die Gewerkschaftsvorsitzende. Damit löste sie weitere Buh-Rufe in Richtung Rathaus und die dort tagende AfD aus.

Eine Demonstrantin, die anonym bleiben will, ist mit ihrem acht Monate alten Sohn zur Demo gekommen. „Man braucht heute schon einen sehr guten Grund, nicht zu kommen“, sagt die 36-jährige PR-Managerin. Sie fühle sich seit der Geburt ihres Kindes in einer Vorbildfunktion. „Ich will mir später nicht von ihm sagen lassen, dass ich nicht alles versucht hätte, ihm eine gute Zukunft zu schenken.“

Aus der U-Bahn-Station am Jungfernstieg kamen zeitweise Menschen weder hinaus noch hinein. Auf dem Abschnitt zwischen Jungfernstieg und Rathaus, wo die Polizei Absperrungen zur Einhaltung der Bannmeile aufgestellt hatte, skandierten Demonstrierende fast durchgängig Parolen wie „Ganz Hamburg hasst die AfD“. Gegen 16:40 Uhr brachen die Veranstalter die Demo aus eigener Initiative ab, da die Lage für die weiter zuströmenden Demonstrierenden zu unsicher wurde.

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37 Kommentare

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  • Wenn man gegen die AfD demonstriert und zeitgleich das Rückführungsverbesserungsgesetz durch den Bundestag geht...kannst dir nicht ausdenken....

  • Wirklich erstaunlich, was da gerade in unserem Land passiert. Ich dachte eigentlich, die Bürger wären alle im Dauertiefschlaf oder beim Sport-glotzen.



    Aber falsch.



    Deportationsgedanken der AfD und ihre Anhänger hat wohl die deutsche Seele massiv an die rollenden Züge nach Ausschwitz erinnert.

    Gut, dass nicht alle eingeschlafen sind!

  • Bei der Bonner Anti-Atomraketen-Friedensdemo in den Achtzigern mit Ziel Hofgarten und Start vorm damaligen Güterbahnhof sind wir während der gesamten Veranstaltung nur ca. 50 Meter vorgerückt – der ganze Weg war von Anfang an bereits dicht voller Menschen. Es gab keine Schwierigkeiten. Hamburg hat doch auch Straßen, oder???

    • @Uwe Lütge:

      Ja, Hamburg hat auch Straßen. Und alle waren dicht gepackt mit Menschen, die zur Demo wollten.

  • Wie viele es wohl geworden wären, wenn es einen ausreichend großen Ort gegeben hätte? Wie viele steckten in Nebenstraßen und U-Bahnen fest, in Läden und Kaufhäusern oder sind gar nicht erst in die Busse gekommen usw

  • Liebe Hamburger



    Danke für euer Erscheinen zu diesen Demos . Es ist doch schon fast für alle eine Pflicht gegen Nazis aufzustehen.



    Bin Sonntag in Köln dabei . Hoffe sehr das wir eure Zahlen übertreffen werden. Die Polizei geht von einer riesigen Anzahl von Teilnehmer aus so das der eigentliche Hauptplatz ( Alter Markt) verlegt wurde zur Deutzer Werft. Alles was in KÖLLE einen Namen hat ist dabei. U.a Brings Höhner kasalla Cat Balou Jürgen Becker Eko Fresh und viele viele andere. Veranstalter unter anderen ARSCH HUH ZÄNG USSENANDER UND Wir stellen uns Quer =KEIN RASSISMUS BEI UNS IN KÖLLE.



    SEID HERZLICH EINGELADEN

  • Es hätte die große Gelegenheit einer wirklich alternativen grünen Partei sein können, eines Daniel-Cohn-Bendit etwa. Statt dessen stehen wir vor den Trümmern einer eigentlich schon von Anfang an gescheiterten 'Ampel' mit einem sich verflüchtigenden Kanzler, der sich seine 'Beliebtheit' auf (wenig erfolgreichen) Flügen in ferne Gestade bestätigen lassen will, einem verzweifelt moralisierenden Vizekanzler, der einen Ausweg aus dem Zuviel an einem CO²-Ausstoss inzwischen in einer Verklappung des Fossilen unter dem Meeresboden sucht. (Darin ist er mit Sprüchemacher Lindner einig, der auch neue Technologien vom Himmel predigt, um erst einmal weiter zu machen wie bisher). Auffällig daher, dass insbesondere die Fahnen der Grünen auf diesen Demos kaum sichtbar waren, während aufrechte SPD-Kämpfer und Gewerkschaftler neben Friedensaktivisten und Vertretern der Linken nicht zu übersehen waren. Es sind das Ampelgezänk und die Hetze der CDU-Recken nach dem Muster von anno dazumal, die den Auftrieb der Rechten befeuern und unsere Demokratie, die von karrieregeilen Berufspolitikern hintertrieben wird, so gefährden. Es ist jetzt insbesondere die SPD-Basis gefordert, die sich von ihren Spitzen trennen muss (wie wäre mit mit Steinbrück?) und versucht, mit einer Minderheitsregierung ihren Abwärtstrend zu stoppen, sie haben noch die meisten Mitglieder, die auch einer grüne Basis ein Beispiel für einen Neubeginn mit anderen grünen Gesichtern liefern könnte. Olaf is out.

  • Was die AfD sagt ist eine Sache. Viel spannender ist derzeit was ihre potentiellen Wähler sagen. Die sind offenbar von der aktuellen Diskussion unbeeindruckt. Jedenfalls ist in den aktuellen Umfragen nicht erkennbar, dass sich eine größere Zahl von Personen von der AfD abwendet. Warum ist das so? Ein Blick in das WELT-Forum ist aufschlussreich. Der Duktus ist: keiner war in Potsdam dabei aber alle wissen was besprochen wurde - was man leider nicht von der Hand weisen kann.

  • Natürlich würde die Zahl von der Polizei wieder runtergelogen und das dann von allen Medien übernommen. Trotzdem ein hoffnungsvolles Signal.

  • Danke Euch! Ihr gebt mir Hoffnung. Manchmal fühlt man sich ja schrecklich allein.

  • Bleibt nur zu hoffen, dass das Signal dann auch Auswirkungen an der Wahlurne haben wird.

    Auch wenn die Parteien die zur Auswahl stehen jetzt nicht gerade das Beste, eigentlich nichtmal das suboptimalste Angebot sind, bleibt zu hoffen dass alle die keinen Bock auf die AFD haben zumindest eine Verhinderungswahl hinbekommen werden.

    Mit auf die Straße gehen und sich selbst auf die Schultern klopfen und dann aber ungültig wählen wird es diesmal nicht getan sein.

  • Yeah - Go Hamburg! Ich finde es so wichtig zu sagen, was man will & nicht will.

  • Ich sage zu AFD & Co:

    Ihr seid lauter -

    Wir sind mehr, und

    wir sind stärker!

  • Liebe HamburgerInnen:



    Danke Dafür!



    Kommt uns am Wochenende gerne im Rheinland besuchen, wir freuen uns über Zuwanderung!

  • Die "mitte" ist endlich aufgewacht. Hat auch lange genug gedauert. Hoffen wir das sie diesmal nicht wieder einschläft.

  • Dem AfDler steht es frei, die Flucht in geliebte Diktaturen und Oligarchien anzutreten:



    Also, Verpisst euch!

  • Ich hörte, die AfD finanziere sich zu 48% aus Steuergeldern. Und dort könne man ansetzen. Sprich: ihnen dieses Geld entziehen. Das sei unkomplizierter als ein Verbotsantrag gegen die Partei.

  • Ich kann es nicht anders sagen..aber ich bin nach langer Zeit endlich mal wieder Stolz..

    - auf die Stadt Hamburg



    - auf alle Menschen die jetzt aufstehen und Flagge zeigen überall im Land



    - auf die Demokraten die die Demokratie braucht



    - auf alle die jetzt Mut beweisen und sich dieser Partei entgegen stellen..dieser Partei, die als (gewünschte) Alternative gestartet ist..sich mittlerweile aber als Abgrund erweist. Dem "Abgrund für Deutschland" - (AfD)..

    Danke..Danke..Danke.

  • So viele Menschen, großartig. Und ein großartiger Bürgermeister. So sieht Führung aus, Herr Bundeskanzler, die ich zwar nicht bestellt habe, aber gut heiße, wenn sie nötig ist.

  • Das war doch wirklich mal ein starkes Zeichen der Zivilgesellschaft. Danke an alle die eben da waren, und gezeigt haben das wir unsere Gemeinschaft nicht den Extremisten überlassen - selbst wenn es ungemütlich wird.

  • Danke Hamburg und alle anderen Städte.

  • Endlich Licht am Horizont



    Langsam keimt in mir die Hoffnung auf, dass das Volk gegen die AfDummheit aufsteht und so der Abgesang der eingeläutet wird. Weiter so!

    • @Rudi Hamm:

      Demonstrieren ist gut und wichtig. Am Wahltag an der Urne an der richtigen Stelle seine Kreuze zu machen ist aber wichtiger.

  • Bin gerade von der Demo gekommen. Hab nichts von Reden oder Musik mitbekommen, kam im Neuen Wall kaum vorwärts. Als ich am Jungfernstieg angelangt war, wurden wir zurückgeschickt, die Versammlung wurde aufgelöst. Ich finde es super, dass so viele Menschen gegen die AfD demonstriert haben, der Spaßfaktor war mir da nicht wichtig...

  • Das Problem kommt, wie alle wissenschaftlichen Studien sagen, aus der Mitte der Gesellschaft. Schon 1981 kam die Sinus-Studie zu dem Ergebnis »5 Millionen Deutschen wollen einen Führer« und 1993 veröffentlichte die Bundesregierung die Studie »Fremdenfeindliche Gewalt« . Seitdem veröffentlicht die Bielefelder Studie immer wieder, dass im Durchschnitt 30% der Deutschen rechtsradikale Einstellungen haben, davon 95% in Bayern und 98% in Thüringen. Alle diese Studien betonen, das es sich nicht, wie jetzt wieder in den Medien zu sehen, um ein »rechtsextremes« Phänomenen handelt. Vielmehr um ein Problem der Mittelschicht. Die hat es in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft, sich damit zu konfrontieren. Die bürgerliche Gesellschaft versagt schon seit langer Zeit in diesem Land. Sie schafft es nicht, möglichst viele Menschen in das bürgerlich-demokratische System zu integrieren. Stattdessen förder sie ihr Ausschlußkungeleisystem. Wenn man sich die Elitenforschung ansieht, dann sieht man, dass in Deutschland 95% der Wirtschaftseliten vom humanistischen Gymnasium kommen, bei Kunst und Kultur sind es 70% und in der Politk noch 50% Es ist einfach keine wirklich offenen Gesellschaft. Wer soll denn die bürgerlichen Werte unterstützen, wenn er davon nichts hat und stattdessen in Wohnbunkern am Rande der Städte leben muss, wo Krawall und Gewalt angesagt sind? Wer soll denn bürgerlich wählen, wenn er in den Innenstädten nicht mehr erwünscht ist und mit Sozialbarrieren wie hohe Preise im Café bis baulichen Ausschlussbarrieren vertrieben wird? Wer soll denn für das bürgerliche Werte-System aufstehen, wenn das obere Bürgertum sich immer mehr aus den Steuerzahlungen herausnimmt und diese Gesellschaft inzwischen kaum noch von ihnen finanziert wird? Wer soll, wenn er klar sieht, wie er ausgetrickst wird, den Bildungskanon aus der Schule noch ernst nehmen und nicht für ein System der Ausnutzung halten? Die Reaktionen der Politik im PR-Jargon helfen nichts.

    • @Reinhard Kück:

      "Seitdem veröffentlicht die Bielefelder Studie immer wieder, dass im Durchschnitt 30% der Deutschen rechtsradikale Einstellungen haben, davon 95% in Bayern und 98% in Thüringen. "

      OMG. Auch zum Rest des Beitrags.

    • @Reinhard Kück:

      Das Problem kommt eben nicht aus der Mitte der Gesellschaft, sondern vom rechten Rand.

    • @Reinhard Kück:

      "Wenn man sich die Elitenforschung ansieht, dann sieht man, dass in Deutschland 95% der Wirtschaftseliten vom humanistischen Gymnasium kommen" -- Humanistisches Gymnasium, echt jetzt, die mit Altgriechisch und so? Wir sind eben doch die Dichter und Denker, nicht "das Land der Ingenieure". Darum haben wir mehr Laberzeugs als ein paar griffige mathematische Formeln. Das täte uns in vieler Hinsicht besser. (Bin Absolventin eines neusprachlich-naturwissenschaftlichen Gymnasiums :-))

    • @Reinhard Kück:

      mann, ist das ein guter beitrag. chapeau!

  • Schön, dass es so viele sind.



    Aber ein bisschen genauer sollten die Zahlen schon sein. Die schwanken wohl zwischen 30.000 und 130.000. Hat die TAZ sind für einen Mittelwert entschieden?

    • @Kathrin Siebert:

      Von 30.000 hat niemand gespochen.



      Die Polizei hat um 15.30 Uhr 50.000 Teilnehmer geschätzt, aber es kamen eine Stunde später noch immer mehr besorgte Bürger dazu.

    • Niels Boeing , Autor ,
      @Kathrin Siebert:

      polizei: 50.000



      DGB: 80.000



      unternehmerverband: 130.000

      • @Niels Boeing:

        Toll das die Mitte endlich aufwacht. Ich hoffe meine Heimatstadt Kölle kann am Sonntag eure Zahlen überbieten. Die Polizei hat aus Platzmangel schon den Hauptdemoplatz geändert vom Alter Markt zur Deutzer Werft. Dort ist aus Köln fast alles dabei was Rang und Namen hat beispiele: Brings Höhner ,Jürgen Becker Cat Balloo und viele mehr sehr viele mehr. Arsch huh zäng useinander



        Wir stellen uns quer Kein Rassismuss bei uns in Kölle

        • @Heinz Bledau:

          "Wir stellen uns quer Kein Rassismuss bei uns in Kölle"

          Ach ja?

          Warum ist denn dann das Schulsystem in Köln so gestaltet, dass die Bildungsversorgung in Stadtteilen mit hohem Anteil Migranten schlechter ist?

          Liebe Kölner, ihr habt euch schon seit Jahrzehnten an den Rassismus in Köln gewöhnt.

      • @Niels Boeing:

        merkur 160.000

  • Hoffentlich hat die Demo auch Einfluss auf die ganze rechte Politik der Koalition.



    Man kann diese AfD Parolen auch aus den Mündern anderer Politiker und auch der Medien (a la " reichen die Massnahmen gegen die Asylflut...") nicht mehr lesen und hören. Aus Erfahrung (12 Demos gegen damals NPD, FDP (Naumannaffäre..) dann DVU dann Republikaner dann...) kann ich sagen, bringt nix, weil die Geldgeber rechtsnationale Politik BRAUCHEN und UNTERSTÜTZEN mit Milliarden!!! Man macht nur sowenig linksdemokratische Politik wie nötig .