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Sexualisierte Gewalt durch Islamisten„Wir sahen amputierte Genitalien“

Sexualisierte Gewalt durch die Hamas spielt in der Wahrnehmung bislang kaum eine Rolle. Israel und die UN haben Untersuchungen eingeleitet.

Das Logo des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag Foto: Sascha Steinach/imago

Berlin taz | Es ist eines der ersten Videos, die am 7. Oktober und danach die Welt in Schrecken versetzen: Eine junge israelische Frau wird von ihren Entführern an den Haaren aus einem Jeep gezerrt und unter „Allahu Akbar“-Rufen auf den Rücksitz gestoßen. Zwischen ihren Beinen fließt Blut. Dabei hat sexualisierte Gewalt in der internationalen Wahrnehmung der Massaker der Hamas lange Zeit keine große Rolle gespielt. Doch es wird immer deutlicher, dass sie integraler Bestandteil der Hamas-Strategie war.

„Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung wurden von der Hamas als Kriegswaffe gegen Israelis, insbesondere israelische Frauen und Kinder eingesetzt“, erklärte die israelische Rechtswissenschaftlerin Ruth Halperin-Kaddari am Mittwoch gegenüber dem US-Fernsehsender CNN. „Wenn man den Körper der Frauen schikaniert und vergewaltigt, soll das die größte Angst und die größte Demütigung für die ganze Nation hervorrufen“ – dies sei genau so von der Hamas geplant gewesen. Aus Polizeiaussagen der festgenommenen Terroristen, die an den Massakern beteiligt waren, geht hervor, dass die Hamas-Kämpfer dazu angehalten wurden, Vergewaltigungen durchzuführen.

Die Beweisaufnahme für sexuelle Übergriffe am 7. Oktober ist schwierig. Das Gebiet, in dem die Massaker stattfanden, war tagelang aktives Kriegsgebiet. Es dauerte Wochen, bis alle Leichen gefunden wurden; viele von ihnen waren so entstellt, dass keine Sammlung physischer Beweise möglich war. Gerichtsmedizinische Beweise müssen jedoch innerhalb von 72 Stunden aufgenommen werden, um juristisch relevant zu sein.

UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich am Mittwoch zu den sexuellen Gewalttaten der Hamas und nannte sie „abscheulich“. Eine Untersuchungskommission der UN will sich nun der Vorwürfe der sexuellen Gewalt durch die Hamas annehmen und stehe kurz vor der Beweiserhebung, erklärte die Vorsitzende der Kommission, Navi Pillay, nun der Nachrichtenagentur Reuters. Sie beabsichtige, die gesammelten Beweise dem Internationalen Strafgerichtshof vorzulegen und diesen zur Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen aufzufordern. Israel wirft der Kommission jedoch eine antiisraelische Haltung vor, verweigert die Kooperation und hat bereits eine eigene Untersuchung eingeleitet.

„Amputierte Genitalien“

Doch viele internationale Frauenorganisationen ignorierten oder negierten die sexualisierte Gewalt der Hamas. So wie die Leiterin des Zentrums für sexuelle Übergriffe an der kanadischen Universität von Alberta, die einen offenen Brief unterzeichnete, der die Berichte über Vergewaltigungen und Misshandlungen israelischer Frauen am 7. Oktober in Zweifel zog. Auch das UN-Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau verurteilte in einem Post Mitte Oktober lediglich „die Angriffe auf Zivilisten in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten“ – von sexueller Gewalt keine Rede.

Die Nichtregierungsorganisation Physicians for Human Rights Israel hat die Beweise, die bislang gesammelt werden konnten, derweil in einem Positionspapier zusammengestellt. Darin finden sich Aussagen von Augenzeug*innen, medizinischen Erst­hel­fe­r*in­nen und Sol­da­t*in­nen über das, was sie damals vorfanden. Außerdem stützen sie sich auf Video- und Fotomaterial.

Eine junge Frau beschreibt darin, wie sie aus ihrem Versteck Zeugin einer Massenvergewaltigung wurde, bei der Hamas-Kämpfer eine andere Frau nach vorne beugten, sie vergewaltigten, „an den nächsten weitergaben“, sie schließlich mit einem Schuss von hinten in den Kopf ermordeten und ihren Körper verstümmelten.

In einem Video gibt ein Sanitäter einer Eliteeinheit des Militärs Zeugnis davon ab, in einem Haus ein erschossenes Mädchen gefunden zu haben, das halbnackt mit dem Bauch auf dem Boden lag, die Beine gespreizt, auf dem Rücken Sperma. Eine Mitarbeiterin des forensischen Teams sagt aus, unter den Leichen zahlreiche Frauen und Mädchen gesehen zu haben, die vergewaltigt worden seien, „inklusive so gewaltvoller Penetration, dass es ihre Knochen gebrochen hat. Wir haben amputierte Genitalien gesehen.“

Die junge Frau, deren Video damals um die Welt ging, befindet sich bis heute im Gazastreifen als Geisel.

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14 Kommentare

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  • Kein Mensch mit Anstand und Würde wird die Augen vor der Realität dauerhaft verschließen können. Die vielen Versuche der Relativierung, (siehe Guterres unsägliche Aussage "nicht im Vakuum"), und Leugnung des bestialischen Treibens werden nur bei denen verfangen, die dem Narrativ von Israel als Täter nicht abschwören wollen/können. Wer sich darüber aufregt, dass die Bestien der Hamas mit "Tieren" verglichen wurden, möchte nicht wahrhaben was in Israel am 07.10. geschehen ist oder sympathisiert schlicht mit dem menschenhassenden Teil der arabisch/muslimischen Welt. Jeder, der sich eine Meinung über Israel und Palästina erlaubt, muss sich mit den Realitäten auseinandersetzen. Diese gehen weit zurück und beginnen spätestens mit dem gescheiterten Vernichtungskrieg gegen Israel kurz nach dessen Staatsgründung.



    Ps: Genitalverstümmelung setzten palästinensische Mörder übrigens auch 1972 in München gegen die israelischen Sportler ein. Auch hier gelang es viel zu vielen, zT. bis heute, die judenhassende Realität des angeblichen "palästinensischen Befreiungskampfes" auszublenden.

  • Ich hab leider auch nicht den Mut der erste zu sein.



    Scheisse, Männer wir haben lang genug zugesehen



    wir sind in der Verantwortung dagegen etwas zu unternehmen, Welt weit.



    Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt ist vor allem ein Männer Problem.

  • Vergewaltigung auf Befehl, als Krücke für das Ego, als Kriegswaffe, als Sozialisationsfaktor, als Einführungsritual beim Militär, als Freizeitincentive, als Macht- und Kontrollmittel, als Polizeitaktik in Diktaturen...



    Patriarchat ist die Diktatur der Unsittlichkeit. Weltweit.

  • Endlich, endlich werden diese Verbrechen kommuniziert und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ich hoffe so sehr, dass sich vielleicht doch noch ein paar der Personen, die sich gegen Israel und jüdische Menschen positioniert haben, besinnen, dass sie erkennen, für wen sie sich engagieren und mit wem sie sich gemein machen.

  • Mir fehlen die Worte. Habe bisher vermieden, über die Details zu lesen.



    Und für solche Barbaren gehen die Menschen hier auf die Straße?



    Im Libanon wurden Palästinenser/innen interviewed. "Wir fühlen Stolz angesichts des Überfalls auf Israel" war die einhellige Meinung.



    Mir wird schlecht ...

    • @Christian Lange:

      Ja, mir wird auch schlecht, wenn ich von sexualisierter Gewalt lese. Es ist grauenhaft, kaum auszuhalten.

      Für Waffenruhe und Zivilist: innen in Gaza zu demonstrieren hat damit aber rein gar nichts zu tun.

      • @N.Laj:

        Nur das eine zu tun, das andere aber nicht ebenso laut anzuprangern, hat "damit" sehr wohl zu tun.

        • @MeinerHeiner:

          Das ist doch gerade die große Frage der "Kontextualisierung".



          Darf man auf pro-palästinensischen Demos mitlaufen, ohne die Gräuel der Hamas zu erwähnen?



          Darf man um ein Dutzend Kinder in Israel trauern, ohne die 5000 tote Kinder in Gaza zu erwähnen?



          Darf man die systematische Vertreibung und Gewalt gegen Palästinenser:innen im Westjordanland durch Israelische Siedler einfach ignorieren?



          Nein, finde ich nicht! Es sollte immer im Kontext betrachtet werden. Alles andere ist Populismus.



          Also, fordert man für die andere Seite Kontextualisierung, dann beinhaltet es in einer offenen, aufgeklärten Gesellschaft auch seine eigene Seite dazu zu verpflichten.



          Entweder alle oder niemand. Aber bitte keinen selektiven Humanismus.

      • @N.Laj:

        Ist das so?

        Dann sind die Leute einfach grundsätzlich gegen Gewalt?

        In dem Fall wird bei der nächsten Demo bestimmt gegen die verachtenswerten Taten der Hamas skandiert, richtig?

      • @N.Laj:

        Nein, eine Waffenruhe mit der Hamas kann und darf es nicht geben. Die Zivilisten in Gaza haben auch die Möglichkeit, sich gegen die Hamas aufzulehnen und sich selbst von dieser Terrorherrschaft zu befreien. Warum gibt es dies nicht ?

        • @Puky:

          Nun ja, die Möglichkeiten, etwas zu tun, sind wie in jeder Diktatur: ich riskiere nicht nur mein eigenes Wohlergehen/Leben, sondern auch das meiner Angehörigen. Von außen ist es immer leicht das zu fordern. Es ist fraglich, ob man dann selbst den Mut hätte. Deswegen ja, selbstverständlich sollten die Menschen in Gaza sich gegen die Hamas positionieren. Genauso selbstverständlich hätten sich unsere Vorfahr*innen dann aber auch hier in Nazi-Deutschland gegen die Diktatur positionieren müssen (und wieviele haben das gemacht?).

    • @Christian Lange:

      Nicht nur Ihnen!