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Gaza-Resolution im UN-SicherheitsratAm Tiefpunkt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Trotz des US-Vetorechts hat der UN-Sicherheitsrat eine israelkritische Resolution verabschiedet. Noch nie war das Verhältnis so schlecht.

Das Verhältnis zwischen den USA und Israel war noch nie so gefordert: Joe Biden beim APEC-Gipfel Foto: Doug Mills/Pool NYT/ap/dpa

Z um ersten Mal seit dem mörderischen Hamas-Überfall auf israelische Zi­vi­lis­t*in­nen am 7. Oktober und der darauf folgenden Gegenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen hat sich der UN-Sicherheitsrat auf eine Resolution zum Thema einigen können.

Gefordert wird, die Zivilbevölkerung in Gaza nicht von lebenswichtiger Versorgung abzuschneiden, sowie mehrtägige humanitäre Feuerpausen und die bedingungslose Freilassung aller verschleppten Geiseln. Letzteres führt gar zur einzigen Erwähnung der Hamas – eine Verurteilung des Massakers enthält die Resolution nicht.

Anders als Resolutionen der Generalversammlung sind solche des Sicherheitsrats völkerrechtlich bindend. Das heißt allerdings nicht, dass sie auch befolgt werden. Von einer kriminellen Terrororganisation wie der Hamas kann man das ohnehin kaum erwarten, und Israel hat die Forderung nach mehrtägigen Feuerpausen sofort abgelehnt.

Auch in der Vergangenheit hat Israel die wenigen Resolutionen des Sicherheitsrats, die nicht per US-Veto gestoppt wurden, konsequent ignoriert. Passiert ist nie etwas, und Sanktionsmöglichkeiten hat der Sicherheitsrat nicht. Jedenfalls keine, die er auch ergreifen würde.

Das Brisante an der Resolution ist insofern nicht, dass sie unmittelbare Wirkung entfalten würde. Brisant ist vielmehr die Bereitschaft der USA, Israels engstem Verbündeten, die Resolution überhaupt passieren zu lassen und nicht per Veto zu stoppen.

Damit verhält sich die Biden-Regierung leidlich konsistent: Seit Beginn des Gazakriegs beknien US-Außenminister Antony Blinken und Präsident Joe Biden die Netanjahu-Regierung mit der Bitte um Umsicht und Wahrung der Verhältnismäßigkeit, stoßen damit allerdings auf taube Ohren. Washington versucht alles, Israel in voller Solidarität einen Weg zu weisen, um hart gegen die Hamas vorzugehen, ohne dabei den politischen Kampf um Legitimität zu verlieren.

Mit Israels Rechtsregierung jedoch, aus deren Reihen einige von der kompletten Vertreibung der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen träumen, wird das nichts. Das Verhältnis zwischen den USA und Israel war noch nie so gefordert – und noch nie so schlecht.

Zumindest öffentlich geht die US-Regierung nicht so weit, Israel mit der Einstellung der Militär- und Finanzhilfe zu drohen. Dennoch: Offenbar besser als die israelische Regierung begreifen die USA, wie sehr Israel gerade in die von der Hamas so mörderisch aufgestellte Falle tappt, den Krieg der Bilder verliert und seine zukünftige Sicherheit aufs Spiel setzt. Da will Biden nicht mit verlieren. Oder wenigstens: So wenig wie möglich.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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28 Kommentare

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  • Diese Sorgen um den „Krieg der Bilder“ sind eine intellektuelle Bankrotterklärung. Das ist schon fast der endgültige Beweis dafür, dass der Westen in einer weltanschaulichen Sackgasse gelandet ist.

    Ganz so, als ginge es darum eine Wahl zu gewinnen, oder einen Schönheitswettbewerb, sorgt man sich im Westen um die Bilder. Krieg ist aber nunmal kein Schönheitswettbewerb.

    Wenn Israel eines aus den mißlungenen Interventionen des Westens, wie zB zuletzt in Afghanistan, gelernt haben dürfte, dann dass man gegen die Islamisten verliert, wenn man die Bilder zur Priorität erklärt und deshalb den ganz unschönen Teil lieber auslässt.

    Nicht Bilder haben die Macht in Kabul übernommen, sondern Männer mit Sturmgewehren. Nicht mit Bildern werden ganze Länder verknechtet, sondern mit der brutalen Macht der nackten Gewalt. Mit Bildern bezwingt man Demokraten, aber halt keine Fanatiker.

    Israel kann sich keinen rein symbolischen Sieg leisten, die Israelis können es nicht machen wie der Westen und am Ende einfach aus Israel abziehen.

    Was ein existenzieller Kampf ist, einer auf Leben und Tod, das scheint man im Westen nicht mehr zu verstehen.

    Man hat beschlossen der Hamas den Gefallen zu tun und mit ihr in den Kampf einzutreten, den sie so sehr herbeigesehnt hat. Das letzte apokalyptische Gefecht, auf Leben und Tod, ohne die Möglichkeit zum Friendensschluß und zur Koexistenz. Da gibt es dann halt keine Schönheitspreise zu gewinnen, da gibt’s es nur den Sieg oder den Tod.

    Welchen Bilderkrieg soll Israel eigentlich noch führen? In der Logik des „Bilderkriegs“ hätte die Hamas nach den Bildern vom 07. Oktober doch haushoch verloren haben müssen? Hat sie aber nicht, es gab Zustimmung und Ausflüchte, mancherorts sogar Kuchen.

    Welchen Bilderkrieg soll Israel noch führen, den die Antiimps im Westen nicht ohnehin unterminieren würden?

    • @Nafets Rehcsif:

      "Was ein existenzieller Kampf ist, einer auf Leben und Tod, das scheint man im Westen nicht mehr zu verstehen."

      Die Bilder, die Israel nicht im positiven Licht stehen lassen, kommen aus Gaza.

      Die Existenz Israels ist genausowenig an der Bombardierung von Zivilisten gebunden wie an der massiven illegalen Besiedlung des Westjordanlands.

      Im Gegenteil, die Existenz Israels ist an einem dauerhaften Frieden mit den Palästinensern gebunden. Und das kann nur eine von beiden Seiten getragene Ein- oder Zweistaatenlösung sein.

    • @Nafets Rehcsif:

      Zustimmung! Weg mit dem sogenannten Krieg der Bilder. Mit geschlossenen Augen sieht man sowieso besser.

    • @Nafets Rehcsif:

      Absolut richtig, ich finde die Israel empfohlene Imagepflege auch unerträglich.

  • Leider fehlen immer die Vorschläge, was Israel denn machen soll, um die Hamas zu zerstören, die sich hinter und unter den Menschen im Gazastreifen versteckt.

    Der Terror der Hamas kalkuliert ja mit toten Zivilisten, egal wer sie umbringt.

    Was also genau soll Israel machen?

    • @Gnutellabrot Merz:

      Hier findest du ein paar Vorschläge:



      www.berliner-zeitu...beruhen-li.2159222

      • @KommissarBlind:

        Ein wirklich guter Artikel. Solche Positionen von Angehörigen von Opfern des Terrorüberfall der Hamas verdienen deutlich mehr Gehör. Der Artikel verdient es geteilt zu werden.

      • @KommissarBlind:

        Es gibt sie noch: Israelis mit Weitblick, mit klaren Gedanken und den Willen zum Frieden.



        Danke für den Link.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Den Menschen Palästinas eine zukunftsfähige Alternative bieten - Stichwort Zweistaatenlösung. Und nicht im Sinne von divide et impera die Hamas (mit)finanzieren um die Fatah zu schwächen.

      • @Jörg Levin:

        Das wird ein langer Weg, aber die Zweistaatenlösung wird nur dann funktionieren, wenn Israel aus den besetzten Gebieten abzieht und das wird es nicht tun.



        Bleibt also nur ein Staat mit gleichberechtigten Palästinensern. Damit mussten sich auch Südafrika und Nordirland abfinden, um endlich eine friedliche Gesellschaft zu schaffen. Dafür benötigt es weitsichtige Personen in Israel, Palästina, im arabischen Umland und in den USA.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Israel sollte so wenig wie möglich mikitärisch reagieren. Stattdessen sollte es auf polizeiliche und geheimdienstliche, so wie rechtliche Reaktionen im I ternatinalen Rahmen setzen. Zusammen mit einer Medienoffensive, die. herausstellt wie der Nahe Osten friedlich zusammenleben könnte.

      • @Grauton:

        Und das hilft gegen Raketen, die - immer noch - und seit Jahren gegen israelische Zivilisten eingesetzt werden?

        • @Henriette Bimmelbahn:

          Iron Dome

        • @Henriette Bimmelbahn:

          Iron Dome

        • @Henriette Bimmelbahn:

          @Henriette: Langfristig hilft das mehr als jede "eiserne Kuppel".

          • @Jörg Levin:

            So eine lange Frist müssen Sie aber erst mal schaffen zu überleben.

  • Nun den Krieg der Bilder verliert Israel auch, weil weite Teile der Medienlandschaft über Dekaden völlig naiv über den Konflikt berichtet haben. Das gilt in Deutschland, wie auch international.

    Die Hamas hat es sehr gut verstanden sich gegenüber westlichen Medien und Institutionen als ewiges Opfer zu stilisieren. Dabei gibt die Hamas immer wieder völlig offen zu, dass sie die Auslöschung Israels will und niemanden hat es interessiert, weil die Situation so gut ins Täter-Opfer-Denkmuster passte, eine kritische Betrachtung der Sachlage hat in weiten Teilen schlicht nicht stattgefunden und im Zweifelsfall hat man die Islamophobie-Keule raus geholt.

    Was für ein schlechter Witz von einer Organisation die UN ist erkennt man auch an der absurd hohen Zahl von Resolutionen gegen Israel. Israel ist hier mit deutlichem Abstand das am häufigsten verurteilte Land. Länder wie Nordkorea, Syrien, Afghanistan,... wirken dagegen wie Vorzeige-Staaten.

  • Betrachtet man die Meinungen vieler, vieler Staaten, betrachtet man die vielen Demonstrationen mit vielen Teilnehmern, dann hat Israel jetzt schon gewaltig an Sympathie eingebüßt. Hinzu kommt, dass die Frage was aus Palästina wird, ganz oben steht und gelöst werden muss.

    • @Frankenjunge:

      Welche Sympathien eingebüßt? Für die von Ihnen erwähnten Staaten und Demonstranten war Israel schon immer das schlechthin Böse auf der Welt.



      Das Problem ist eher, dass so einige arabische Staaten, die längst von lukrativer Kooperation mit Israel träumten, nun gezwungen sind, davon (vorerst) wieder Abstand zu nehmen. Genau das war ja auch das Ziel der Hamas

      • @dites-mois:

        Schau ich mir die UN Resolutionen zu diesen Konflikt an, dann ist es doch ganz klar. Kritik gibt es sogar in Europa. Und man staunt, sogar die USA lässt im Sicherheitsrat Israel abblitzen.



        Fazit: Der Schaden für Israel ist enorm.

        • @Frankenjunge:

          Was ist dann ganz klar? Das sind die gleichen Resolutionen wie immer. Gegen Israel werden davon dutzende pro Jahr verabschiedet, während Iran, Nordkorea oder Syrien kaum mal eine bekommen.

          Aber gut, da ja sogar das Talibanregime - über die UN - Israel Menschenrechtsverletzungen vorwirft, ist ohnehin die Frage wie ernst die UN zu nehmen ist.

          Der Schaden für Israel wäre wohl größer, wenn es sich nicht wehren würde.

          • @Paul Meier:

            Wenn sogar die USA die Israelis im Sicherheitsrat abblitzen lässt, dann ist es doch glasklar: Israel verliert jegliche Sympathien.

            • @Frankenjunge:

              Ich verstehe, dass Sie sich das wünschen, aber jedem ist klar, dass ein Staat auf einen derartigen Massenmord an seinen Bürgern hart reagieren muss - gerade den USA.

              Biden hat Flugzeugträger in den Golf geschickt um den Iran und die Hisbollah runterzuregeln und die arabischen Staaten verurteilen das Vorgehen Israels, jenseits der üblichen Rhetorik, nicht. Es gibt auch keine Massendemos dort wegen der Sache.

              Keiner wird Israel daran hindern, die Hamas niederzuringen. Das bleibt ein feuchter Traum für Antiimperialisten und Antisemiten im Westen.

              • @Paul Meier:

                Was ich mir wünsche habe ich nie geäußert. Nur laufe ich nicht blind durch die Gegend. Die USA lassen, ich wiederhole mich, Israel im Sicherheitsrat ohne Unterstützung. In London finden sehr wohl Massendemos und auch in den USA statt. Ganz einfach: Weil die Menschen das Gemetzel einfach satt haben. Und wenn man die Entwicklung verfolgt wird der Druck auf Israel noch weiter zunehmen.

                • @Frankenjunge:

                  Die Massendemos in den USA und auch Großbritannien sind in erster Linie ein schaulaufen von Antisemiten, Islamisten und einigen verkorksten Linken.



                  Auch lässt die USA Israel in UN-Sicherheitsrat nicht im Stich, sondern verhinderte bisher einseitige, klar gegen Israel gerichtete Resolution. Einzig die Resolution, in der eine kurze Feuerpause gefordert wird, wurde nicht blockiert, denn sie war zurückhaltender formuliert und forderte kein Ende der Kampfhandlungen von Israel. Und der angeblich wachsende Druck wird Israel auch egal sein, denn damit leben sie seit 80 Jahren.



                  Wie aber @Paul Meier richtig sagte, halten sie die Demonstrationen in Grenzen. Abseits des islamistisch-antisemitischen Milieus halten sich die Demonstrationen in Grenzen bzw. sind schlicht nicht vorhanden. Dass sich teile der Linken jetzt selbst zerstören und vielen zeigen, dass Antisemitismus nicht nur ein Problem von rechten Kreisen ist, ist vielleicht auch notwendig.



                  Und gerade in den arabischen Staaten sind die Demonstrationen bemerkenswert ruhig. Da gab es wegen verschiedener Karikaturen mehr und gewalttätigere Demonstrationen. Auch politisch halten sich, abgesehen von den üblichen verdächtigen, viele Staatsführer zurück. Bemerkenswert auch die Aussage seitens Saudi-Arabiens, dass der Friedenprozess mit Israel nicht unterbrochen wird.



                  Und das Pogrom der Hamas vom 7.Oktober wird auch teilweise sehr kritisiert.



                  Es sieht er so aus, dass die Hamas die Bereitschaft andere islamischer Ländern überschätzt hat, auf ihrer Seite in den Konflikt einzugreifen. Israel tut gut daran dies zu nutzen und die Hamas aus Gaza zu vertreiben. Jene Hamas die die Zivilbevölkerung als Schutzschilde nutzt, wie auch Krankenhäuser, Schulen usw.

                  Übrigens werden Krankenhäuser, die die Hamas militärisch nutzt, entgegen eines Kommentaren von Ihnen tatsächlich ein legitimes Ziel für militärische Angriffe. Dass besagt Kriegsvölkerrecht ganz klar. Trotzdem hat Israel keine bombardiert, sie sähen sonst ganz anders aus.

  • Es ist zugegebenermaßen ein Drahtseilakt für Israel.



    Herr Pickert analysiert die Situation sehr zutreffend.



    Netanjahu sollte die freundliche indirekte Mahnung Bidens nicht länger überhören.



    Natürlich muss Israel nach dem Massaker die Gefahr für seine Bevölkerung bekämpfen.



    Wer aber die palästinensische Zivilbevölkerung nicht versucht zu schützen, könnte indirekt neue Hamas Terroristen fördern.

    • @Philippo1000:

      Israel ist das einzige Land der Welt welches bereit ist/war der palästinensischen Bevölkerung Schutz zu bieten. Schauen Sie was mit den Palästinensern passiert ist, nachdem Israel den Gazastreifen 2005 verlassen hat. Mitten unter diesem hat sich das Krebsgeschwür Hamas ausgebreitet. Schutz und Unterstützung von ihren islamischen Glaubensbrüder und Schwestern haben die Palästinenser nie bekommen. Diese tun seit 1948 wirklich alles um den Konflikt aufrecht zu erhalten. Was Israel auch tut oder lässt, Hamas, Hisbollah usw wird es immer geben. Israel kann nur zusehen, dass es ggü. diesem Feind, der nicht ausrottbar ist, besteht.

      • @Klaus Kuckuck:

        Kleine Ergänzung. Israel ist nicht das „einzige Land der Welt dass den Palästinensern Schutz bietet“, es ist das einzige Land der Welt, dessen Regierung davon spricht, dass dort „menschliche Tiere leben“.



        Israel kontrolliert auch vor dem jetzigen Krieg jeden Tag die Einfuhr von Wasser, Elektrizität und zwar in von der UN mehrfach bestätigtem unzureichenden Mass.



        Lesen Sie doch mal die Einschätzung von Volker Türk, dem UN high Commisioner for Human Rights, zu dem Thema, bevor Sie hier so etwas kommentieren.