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Wasserstoff-Strategie der AmpelEin gewaltiger Kraftakt

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Dass die Bundesregierung in Deutschland eine echte Wasserstoffwirtschaft aufbauen will, ist eine gute Idee. Nur könnte das länger dauern als geplant.

Soll bald mit Wasserstoff betrieben werden: Stahlproduktion bei Thyssenkrupp in Duisburg Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

E ine gigantische Aufgabe ist das. Die Wasserstoffwirtschaft, die die Bundesregierung aufbauen will, ist heute quasi nicht vorhanden. Und übermorgen soll sie schon fertig sein. Bis zur geplanten Klimaneutralität 2045 sind es nur 22 Jahre. Vergleichbar ist dieser Kraftakt mit dem Bau der unterirdischen Wasser- und Abwasserleitungen im 19. Jahrhundert.

Deshalb hat die Regierung die Ziele in ihrer neuen Wasserstoffstrategie hochgesetzt. Denn das Gas soll eine zentrale Rolle in der nichtfossilen Zukunft spielen – als chemischer Grundstoff etwa in der Stahlindustrie, als klimaneutrale Energiequelle und als Speichermedium. Damit das überhaupt klappt, sollte man keine Farbenideologie der Wasserstoffsorten betreiben. „Grüner“ Wasserstoff, der mit Ökostrom hergestellt wird, ist zwar die Ideallösung. Aber auf dem Weg dorthin könnte beispielsweise auch aus fossilem Erdgas produzierter „blauer“ Wasserstoff eine Rolle spielen.

Das ist kein Beinbruch. Die neue Energiewirtschaft muss erst einmal ins Laufen kommen. Viele Elektroautos fahren heute teilweise auch mit fossilem Strom. Entscheidend ist, dass man diese Übergangsphase begrenzt. Jetzt geht es um den Startschuss – die ersten großtechnischen, staatlich mitfinanzierten Investitionen, wie den gas- statt kohlebefeuerten Hochofen von Thyssenkrupp in Duisburg. Oder den Bau der ersten Wasserstoffleitungen, die die Industriebetriebe miteinander verbinden.

Die durchschnittliche Wohnsiedlung in Deutschland wird weit von diesen wenigen Trassen entfernt liegen. Für die meisten Hausheizungen spielt Wasserstoff deshalb keine Rolle. Ähnliches gilt vermutlich für den Pkw-Verkehr. Schätzungsweise bleibt das neue Gas lange Zeit so knapp und teuer, dass es vor allem Lkws, Schiffe oder Flugzeuge antreiben kann. Wenn immerhin das gelingt, wäre schon viel gewonnen. Gut möglich aber, dass das alles ein bisschen länger dauern wird als bis zum Jahr 2045.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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14 Kommentare

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  • Das ist ein generelles Problem, wenn die Utopie so schön ist dass so banale Dinge wie Dauer und Kosten einfach weggeträumt werden. Da heißt es oft, Kernenergie ausbauen dauere zu lange, nur um so Alternativen zu bewerben deren Umsetzung noch viel schwieriger und teurer ist, und sehr viel länger dauern wird falls sie jemals überhaupt kommt.

    • @Descartes:

      Was auch keiner hören will: Planung und Bau eines Offshore-Windparks dauern genauso lange wie bei einem Kernkraftwerke und gemessen am Output (Strom) unter Berücksichtigung der unterscheidlichen Laufzeit sind Offshore-Windparks doppelt bis dreifach so teuer.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    „ Damit das überhaupt klappt, sollte man keine Farbenideologie der Wasserstoffsorten betreiben. “

    Das ist leider eine völlig unangemessene Sichtweise.



    Es geht hier nicht um Ideologien. Das wäre ja auch die Meinung der Boulevard-Presse.



    Sondern um Technologien, Einsparziele, Bedrohungsszenarien durch den menschengemachten Klimawandel und Lobbyinteressen.



    Die Verbrennung fossiler Energieträger gehört abgeschafft, und nicht gefördert.



    Die verlustträchtige Gewinnung von Wasserstoff aus Gas und Braunkohle ist ein absoluter Irrsinn, der sich letztlich NUR mit wirtschaftliche Interessen der fossilen Lobby erklären läßt.



    Elektrolyseure ließen sich mit überschüssigem Wind- und PV-Strom antreiben. Selbst damit macht die H2- und Methan-Gewinnung wegen der hohen Konversionsverluste nur bedingt Sinn.



    Diesen kostbaren Stoff dann für private Heizungsanlagen und PKWs zu vergeuden hat dann schon eher was mit Ideologie zu tun.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      Wenn man Wasserstoff mit der Kombination aus Strom und Wärme produziert (z.B. Kernkraftwerken) geht es wesentlich effizienter und kostengünstiger.

      Noch effizienter geht es mit den modernen Hochtemperaturreaktoren.



      Zu nennen sind hier der mittlerweile komerziell verfügbare deutsch-chinesiche HTR-PM der seit Ende 2021 am Netz ist und Strom (und Wasserstoff) produziert.



      Auch in USA schreitet die Entwicklung voran. Neben dem Hochtemperaturreaktor von TerraPower (Bill Gates) ist vor allem der Hochtemperaturreaktor von Oklu Inc. In dieses Unternehmen ist gerade Sam Altman (CEO von Open AI) eingestiegen (nächstesd Jahr Börsengang). Beide Reaktoren sind mittlerweile zertifziert, die Standorte sind ausgewählt und die Baupläne sind fertig. Es sollen in den kommenden 20 Jahren weltweit Tausende davon gebaut wwerden.

  • Wissing hat schon betont, dass Wasserstoff AUCH für den Individualverkehr ...

  • Der Vergleich mit dem Aufbau der Wasserleitungen ist etwas überzogen, aber im Prinzip nicht falsch. Hat jemand geglaubt der Umbau zu einer klimafreundlichen Gesellschaft kommt fertigen Katalogprodukten daher?

  • Die Hälfte des bis zum Jahr 2030 geplanten klimaneutralen Wasserstoffs könnte man mit den letzten sechs Kernkraftwerken produzieren und zwar ziemlich günstig da man mit Kernkraft für die Wasserstoffproduktion Strom und Wärme kombinieren kann.

    Kosten der Wasserstoffproduktion:

    Atomkraft: 0,5-1,0 EUR/kg



    Windkraft (Mitteleruropa): 5-7 EUR/kg



    Windkraft (Afrika): 3-5 EUR kg

    Aufgrund der sehr niedrigen Kosten von Wasserstoff aus Kernkraft wird das weltweit geplant und teilweise bereits installiert. Beispiel: Prairie Nuclear Power Plant in USA

  • Wenn wir jetzt feststellen, dass die Klimaveränderungen virl dramatischer verlaufen, als Wissenschaftler uns das vorstellen konnten, haben wir VIEL weniger Zeit für solche Spirenzchen. Alles nur Schönfärbereien, insbesondere, weil ein vermeintlich 'Grüner' mit den Klimaaktivisten der Industrie rumkungelt und mit vielen neuen Hilfen=Schulden ein 'bitte,bitte' rauströtet, um sie evtl. im Lande zu halten (sobald das Geld ausgegeben wurde, schließen sie den Standort , wetten ?) ausgerechnet bei den Globalisten, die eigentlich eh' schon ausgewandert sind mit ihren Investoren dorthin, wo alles einfacher und billiger ist ohne hohe Sozialkosten und sie noch Geld verdienen können. Niemand konnte bisher ehrlich darlegen, wie die Wasserstoff-Importe hier überhaupt bezahlt werden können. Apropo: Ich wieder hole: Wir müssen abrüsten beim Stahl, bei der Chemie (Plastik etc.) mit weniger privaten PKW, ohne Flüge und bei Lebensmitteln lange LKW-Transporte vermeiden und Arbeit für die Menschen statt mit Automaten und Robotern neu gestalten (ohne Job keine Teilhabe am Wohlstand als oberstes Prinzip!). Das spart Ressoucen und Energie. Viel Zeit bleibt nicht mehr und wir haben eine unfähige Regierung.

    • @Dietmar Rauter:

      Wem würden Sie denn zutrauen, diese Aufgaben zu stemmen - in angemessener Zeit und ohne, dass er vom Volk aus dem Amt gejagt wird? Und: Wer würde denn Ihre "Globalisten" einhegen?



      Also ohne Ironie: Was Sie fordern, ist so radikal, dass es nur interessant ist, wenn Sie mindestens mal eine Idee zur Umsetzung mitliefern - incl. Personal.

  • Unmaßgebliche und nichtfachleutige Meinung hierzu: vielleicht dauerts eher noch 100 Jahre ? Solang etwa ham wir auch gebraucht, um die 19.Jhdt.-Kohle aus dem meisten rauszubekommen - allerdings immer noch nicht aus der Stromerzeugung (und damit fahren unsre Loks und laufen unsre Fabriken, und unsre Heizungen teils auch, genaugenommen nach wie vor mit Kohle!), und auch nicht aus der Stahlproduktion (von der noch niemand weiß, wie und ob und wenn ja wann sie ohne Koks jemals funktionieren wird).

  • Ich wohne in einer kleinen Gemeinde, in der es keine Fernwärme oder Gas hat. Der Gemeinderat hat mitgeteilt, dass die Leitungskapazitäten nicht für mehr als 10% Wärmepumpen ausreichen und auch E-Auto Wallboxen nur sehr begrenzt möglich sein werden.



    Und jetzt? Was außer Pellet ginge jetzt überhaupt noch bei Neubauten oder Heizungswechsel?



    Wenn ich dann solche Märchen wie Wasserstoff , die Energiequelle der nahen Zukunft lese, kommen mit mehr als nur Zweifel, ob das alles überhaupt je funktionieren wird.

    • @Rudi Hamm:

      Dann wird der Stromnetzbetreiber halt das Stromnetz ausbauen müssen. Ich gehe mal davon aus, dass die 10% noch nicht ausgeschöpft sind. Also können Sie auch noch eine Wärmepumpe anschließen.

  • Woher kommt der Stoff?

  • Voll_Interessant🤓