Filzverdacht im Verkehrsministerium: Wissing unter Druck

Freunde eines Abteilungsleiters im Verkehrsministerium sollen eine Millionenförderung erhalten haben. Koalitionspartner fordern Aufklärung.

Verkehrsminister Volker Wissing sitzt an seinem Schreibtisch im Ministerium und hinter ihm hängt eine große Deutschlandflagge

Konfrontiert mit möglichen Interessenkonflikten seines Abteilungsleiters: Verkehrsminister Wissing Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Der Druck auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wächst, mögliche Interessenkonflikte eines seiner Abteilungsleiter aufzuklären. Aus den Reihen der Koalitionspartner SPD und Grüne wird die Forderung laut, Transparenz über die Vergabe von Fördermitteln in Höhe von 28 Millionen Euro herzustellen. Die Antikorruptionsorganisation LobbyControl kritisiert mutmaßliche Ungereimtheiten bei dem Vergabeverfahren.

Der Hintergrund: Nach einem Bericht des Handelsblatts ist der Leiter der Grundsatzabteilung im Verkehrsministerium eng befreundet mit einem Unternehmer und einem Verbandschef, deren Gesellschaften und Organisation insgesamt rund 28 Millionen Euro aus dem „Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ erhalten haben sollen. Wann das geschehen sein soll, ist unklar. Dem Bericht zufolge liegt die Verantwortung für das Programm bei der Grundsatzabteilung. Der Leiter der Abteilung soll mit dem Unternehmer und dem Verbandschef in den Urlaub gefahren sein.

„Wenn sich der Verdacht bestätigt, müssen die gleichen Maßstäbe wie bei den Vorgängen um den Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium gelten“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Detlef Müller. Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen war in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, weil ihm persönliche Kontakte bei einem Auswahlverfahren für einen Spitzenjob und der Bewilligung eines Förderbescheids vorgeworfen worden waren.

Auch die Grünen fordern Aufklärung vom Verkehrsminister. „Das Ministerium muss Transparenz herstellen, was wann geschehen ist“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar. „Und für die Zukunft gilt: Die Vergabepraxis des Ministeriums muss klar nachvollziehbar sein, sodass kein Zweifel an der sauberen Verwendung von Steuermitteln entstehen kann.“

Ministerien kontrollieren sich selbst

Dieser Auffassung ist auch die Organisation LobbyControl. „Schon der Verdacht einer persönlichen Bevorzugung sollte vermieden werden“, sagte Aurel Eschmann, Campaigner für Lobbyregulierung. Es sei nicht klar, warum das Ministerium einen Branchenverband fördern solle, das sähen die Förderrichtlinien nicht vor. Auffällig sei außerdem, dass die Vergaben eigentlich nicht im Aufgabenbereich des Ministeriums liegen, sagte Eschmann.

Die Organisation fordert für alle Ministerien einheitliche Compliance-Regeln nach französischem Beispiel. Compliance bedeutet die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und Selbstverpflichtungen. In Frankreich überwacht eine eigene Behörde die Einhaltung, in Deutschland kontrollieren sich die Ministerien selbst.

Regressforderungen gegen Scheuer werden geprüft

Eine Anfrage der taz zu den Vorwürfen beantwortete das Verkehrsministerium bis Redaktionsschluss nicht. Dabei hat es seit Erscheinen des Berichts vergleichsweise viele Presseinitiativen gestartet. So teilte Minister Wissing der Nachrichtenagentur dpa mit, dass er einen externen Gutachter mit der Prüfung beauftragt hat, ob gegen seinen Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) Regressansprüche geltend gemacht werden können. Dabei geht es um die gescheiterte Pkw-Maut für Ausländer:innen, einem einstigen Prestigeprojekt der CSU.

Scheuer hatte den Auftrag für die Einrichtung der Infrastruktur unterzeichnet, bevor das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Maut vorlag. Schließlich kassierten die Richter das Projekt. Jetzt muss der Bund einem Schiedsgerichtsurteil zufolge 243 Millionen Euro an Schadensersatz an die einstigen Betreiber der Mautinfrastruktur zahlen. Auf Nachfragen, bis wann das Gutachten fertig ist und wie viel es kostet, antwortete das Ministerium ebenfalls nicht.

Grünen-Politiker Gelbhaar hält die Prüfung der Regressforderung für nichts Besonderes. „Bei einer Viertelmilliarde Euro Schaden muss selbstverständlich sauber und ernsthaft nachgeprüft werden, inwieweit auch eine persönliche Verantwortung und Haftung besteht“, sagte er. Die politische Verantwortung für das Debakel sei bis heute nicht angenommen oder gar aufgearbeitet worden – weder von Scheuer noch vom CSU-Chef Söder. „Die politische Bereinigung fehlt weiterhin“, sagte Gelbhaar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.