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Möglicher Pakt mit der AfD in ThüringenBedrohte Brandmauer

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

Die CDU in Thüringen findet es ok, dass die AfD einen Antrag von ihr unterstützt. Tatsächlich ist das nichts anderes als eine Normalisierung von Rechtsextremismus.

Das Kemmerich-Gespenst geht in Thüringen weiter um Foto: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild

A uf den ersten Blick wirkt es wie ein normales parlamentarisches Verfahren. Die CDU in Thüringen will einen Antrag einbringen, um einen 1.000-Meter-Mindestabstand für Windräder zu Wohngebäuden einzuführen. Sie will den Ausbau erneuerbarer Energien ausbremsen. So weit, so erwartbar. Es ist das gute Recht der Opposition.

Nur leider berührt das Handeln der Thüringer CDU eine viel größere Dimension: Denn FDP und AfD haben ihre Zustimmung zu diesem Gesetzesvorhaben signalisiert. Ab diesem Punkt geht es nicht um normale Oppositionsarbeit, sondern um den Umgang mit Rechtsextremen im politischen Betrieb. Eine Zusammenarbeit mit der AfD muss ein No-Go sein. Dass die CDU nun betont, ihr ginge es nur um die Inhalte, zeigt ihr mangelndes Problembewusstsein.

Die CDU hat offenbar nicht aus ihren Fehlern gelernt: Im Februar 2020 ging ein Aufschrei durch die Republik, als sich FDP-Mann Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Wenn die Thüringer CDU mit dieser Vorgeschichte ihren Antrag nicht zurücknimmt, dann nimmt sie in Kauf, dass ein Gesetz mit den Stimmen der AfD umgesetzt wird. Die CDU findet den Ausbau von Windenergie offenbar schlimmer als einen Pakt mit Björn Höcke. Das beschreibt nichts anderes als eine Normalisierung von Rechtsextremismus.

Mag sein, dass es nicht so weit kommt. Um dieses Szenario zu vermeiden, hat die grüne Umweltministerin der CDU nun einen „Windfrieden“ vorgeschlagen. Dieses Vorgehen darf aber nicht politischer Usus werden: Ein AfD-Szenario erzeugen, um mit mehr Macht zu verhandeln.

Für alle demokratischen Parteien muss gelten: Wer etwas umsetzen will, muss eine Mehrheit ohne die AfD organisieren. CDU und FDP müssen staatspolitische Verantwortung tragen – das heißt im Zweifel gegen die eigene Überzeugung einen Antrag fallen lassen oder sich enthalten. Es geht hier nicht um 08/15-Politikgerangel in der Landespolitik, sondern um die Brandmauer gegen Rechts.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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22 Kommentare

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  • Rechtsextrem hin oder her, die Parteien sind sämtlichst in den Landtag gewählt.

    Wenn ich eine Meinung vertrete, dann vertrete ich diese Meinung, ganz egal, wer diese Meinung ebend auch vertritt.

    Als politische Partei sollte man gant genau so verfahren.

  • Die CDU hat bereits zwei Haushalte als Opposition in Thüringen mit getragen.



    Das Antifaschismus in dem Sinne keine Einbahnstraße ist in der die Opposition eine Minderheitsregierung am laufen halten muss scheint nun wohl auch Ramelow bemerkt zu haben, der wie der Weser-Kurier schreibt auf die CDU zu geht.

    Warum nicht gleich so!

    Auch in Sachsen haben bereits Grüne und SPD zusammen mit der CDU für die gleiche Abstandsregel gestimmt. Ohne die Not in ei er Minderheitsregierung gegen die AfD zusammen kommen zu müssen.

    Es ist peinlich, dass RRG da nicht schneller reagiert.

  • Ich verstehe diese absurde Hysterie nicht. Es handelt sich weder um einen PAKT noch um eine ZUSAMMENARBEIT. Dazu gehören immer zwei AKTIVE Partner. Hier haben zwei Parteien die gleiche politische Position - nämlich Windräder nicht näher als 1000m an Wohngebieten zu genehmigen. Dass der CDU jetzt zu verbieten, ist im Zweifel undemokratischer, als manche Position der AfD.

    • @Stefan L.:

      Exakt so ist es!



      Darf man jetzt keine Meinung X mehr haben, nur weil die AfD zufällig die gleiche Meinung hat? Dann könnte die AfD ja alle Gesetze blockieren, indem sie mit Zustimmung droht.

  • Einer der am meisten nicht beachteten Artikel des Grundgesetzes ist Nr.38:



    "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."



    Würde man den tatsächlich beachten,dann gäbe es keine Fraktions"disziplin/zwang", keine Absprachen der Fraktionsvorsitzenden, keinen landesweiten"Aufschrei" und Einflußnahme bis hin zur Kanzlerin, usw.



    Demokratie heißt für mich u.a., die Einhaltung ALLER geltenden "Spielregeln". Wenn man die ,aus welchen Gründen auch immer,nicht mag,dann kann man ja versuchen sie zu ändern. Alles ganz nach FDGO, mit 2/3 Mehrheit und so.



    Ich kann ja die "Bauchschmerzen" gegenüber der AfD verstehen.Aber da haben wir das mit den abweichenden Meinungen. Nicht zu vergessen, das die etablierten demokratischen Parteien ,insbesondere CD/SU, auch mal Bauchschmerzen gegenüber den Grünen und später der PDS/Die Linke hatten.Da gab es jahrelange Beobachtung durch den Verfassungsschutz und Ausgrenzung wegen Verfassungsfeindlichkeit. Zumindest die Grünen sind seit Dekaden "rehabilitiert". So gut ,das sie nicht nur ihre eigene Wurzeln leugnen,ganz nach dem Vorbild einer ehemaligen Arbeiterpartei,sondern auch bei der Ausgrenzung von (angeblichen)Verfassungsfeinden mit dabei sind.

  • Also mal angenommen man hat eine Meinung / einen Vorschlag / oder eben ein Gesetz was macn durchbringen möchte und dann kommt die AFD und sieht das genauso wie du, dann sollte man automatisch von seiner Meinung / seinem Vorschlag / seinem Gesetzesvorhaben abrücken? Gibt man damit der AFD nicht eine ungeheure Macht über sich? Oder verstehe ich da etwas falsch?

    • @PartyChampignons:

      Also wenn die AfD ein bißchen mehr Humor/Ironie hätte - so 'ne "Die Partei" von rechts- würde sie mit der Taktik der "Ablehnung durch Zustimmung" viel öfter arbeiten. Ob das allerdings deren Wähler mitmachen würden,wäre 'ne andere Frage. Aber warum nicht?



      AfD-Wähler sind trotz landläufiger Meinung nicht so dumm, wie man sie gerne hätte.

  • @NUTZER

    "zu verlangen die CDU solle jetzt Regierungspolitik mittragen, kann es auch nicht sein"

    Ich denke, die aktuelle Debatte soll eher die Wähler*innen daran erinnern, was sie für einen Verein da gewählt haben, und dass sie dann gleich AfD wählen können.

    Das führt dann hoffentlich zu Ihrem ersten Absatz.

    • @tomás zerolo:

      Ich verlange in solchen Situation nicht nur dass die CDU Regierungspolitik mitträgt, sondern auch dass die Regierung Oppositionspolitik mitträgt.

      Antifaschismus ist keine Einbahnstraße nur für eine Minderheitsregierung! Es ist peinlich was RRG da für ein Spiel veranstaltet. Antifaschismus ist das nicht. Ich hoffe den Wählern wird DAS bewusst!

  • Man kann von Glück reden, dass die AfD keine bedingungslose Kriegsbeteiligung oder Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, was ja durchaus in Parteiprogramm passen könnte. Oder eine Impfpflicht oder andere autoritäre Maßnahmen. Da wurden einige Koalitionäre ganz ins Schlingern geraten. Das Gerede von Dammbruch passt nicht so recht in eine Demokratie.

    • @Taztui:

      Zu meinem Erstaunen ist die AfD gerade nicht für eine Kriegsbeteiligung und für Waffenlieferungen. Die einstige Friedenspartei Olivgrün allerdings schon. So ändern sich die Zeiten.

  • Eine Brandmauer gegen Rechts, die wiederholt bei politischen Fragen hochkocht, die offensichtlich nichts mit rechter Menschenfeindlichkeit zu tun haben - wie etwa der Frage eines Mindestabstands zu Windrädern, wird keine starke Brandmauer bringen, sondern das Gegenteil.

    Entweder die AFD wird klein, weil sie wenige Prozente bei Wahlen bekommt, oder man überzeugt für andere Mehrheiten ohne übersteigertes Hochkochen. Zumindest scheinen mir das die gangbaren Alternativen.

  • Unabhängig vom Bildungsstand ist man in Deutschland Blind für die Feinheiten der Demokratie.

    Demokratie bedeutet auch, dass nicht immer alles so läuft, wie man sich das in seinen Tagträumen vorstellt.

    Die Vertreter der AfD wurden demokratisch gewählt.

    Daraus ließen sich schon vor Jahren erste Lehren ziehen.

    1. Bildung und Aufklärung erreichen auch nach über 60 Jahren nicht alle Menschen in Deutschland.

    2. Es gibt genügend Menschen in Deutschland, die sich vom Staat und der Gesellschaft derart abgehängt fühlen, dass sie sich von den Argumenten der AfD angesprochen fühlen und bereit sind, ihr Kreuz bei den Blauen zu machen, dass diese eine politisch Relevante Stimmstärke erreichen und Einsitz in Landesparlamente und den Bundestag nehmen.

    Im Sinne einer freiheitlichen Demokratie, die ihre Bürger als mündige Selbstbestimmte Individuen betrachtet, wäre es oberste Maxime gewesen, an diesen beiden Punkten anzusetzen.

    Nach 7 Jahren AfD sehen wir: Die Schulen sind von Jahr zu Jahr in einem schlechteren Zustand, ganze Regionen werden von der staatlichen Infrastruktur des 21. Jahrhunderts( ÖV, Strom, Internet) abgehängt oder nur minim versorgt, Arbeitslosigkeit und prekäre Anstellungsbedingungen nehmen zu.

    Die AfD zerlegt sich derweil selbst, das Problem erkrankt an seinen eigenen Defiziten.

    Aber auch den Menschen geht es nicht besser.

    Was glauben sie, macht ein AfD-Wähler, wenn er erlebt, dass demokratische Rechte nur für die Wähler der anderen Parteien gelten, seine Stimme als Wertlos gebrandmarkt in die Ecke gekehrt wird?

    Eine wirkliche Brandmauer gegen Rechts wäre es, die sozialen Strukturen und sämtliche Bildungsangebote auch für Erwachsenenbildung massiv auszubauen, auf den Stand des Jahres 2022 zu bringen.



    Auch dieses Elendige System der Anstellung auf Zeit gehört abgeschafft.

    Deutschland muss wegkommen vom Status eines Industrie-Schutzgebiet.

    Geht es Mensch gut, ist er deutlich weniger empfänglich für Hass.

  • "Dieses Vorgehen darf aber nicht politischer Usus werden: Ein AfD-Szenario erzeugen, um mit mehr Macht zu verhandeln."

    Genau dazu führt aber der Pariastatus der AFD. Demokratietechnisch müsste die CDU vom Wähler für eine Zusammenarbeit mit der AFD abgestraft werden, was wohl eher unwahrscheinlich ist. kommt man der CDU aber jetzt entgegen, nur weil sie mit AFD Stimmen kokettiert, wird sie es immer wieder tun.



    Was tun? Die einzige Hoffnung ist das die CDU damit öffentlichkeitswirksam auf die Nase fällt, zu verlangen die CDU solle jetzt Regierungspolitik mittragen, kann es auch nicht sein und ist eh unrealistisch. Zumal Opposition, dann ad absurdum geführt würde, es wäre ein Leichtes für die AFD alles zu blockieren, durch taktisch gesetzte Sympathiebekundungen jeglicher Oppositionsanliegen...



    Man kann natürlich auf die nächste Wahl und auf eine Schwächung der AFD hoffen, aber das ist alles andere als gesetzt. Ein offensiver Umgang und die Brandmarkung der CDU wenn sie mit der AFD stimmt ist wohl der ehrlichere Weg...

  • "CDU und FDP müssen staatspolitische Verantwortung tragen – das heißt im Zweifel gegen die eigene Überzeugung einen Antrag fallen lassen oder sich enthalten". Na ja, mit gleichem Recht kann man von den Regierungsfraktionen verlangen, gegen ihre Überzeugung mit der CDU zu stimmen. Dann kommt es auf die AFD-Stimmen ebenfalls nicht an. Richtigerweise sollten sich die Akteure verständigen, und das wird augenscheinlich ja derzeit auch versucht.

  • Liebe Frau Kalarickal, wenn ich Ihre Forderung richtig verstehe, müsste die Afd nur jedem Vorstoß erstmal zustimmen, ob dieser nun von RRG oder der CDU/FDP kommt, um die parlamentarische Arbeit komplett zu verhindern.



    RRG hat halt einfach keine Mehrheit, auf diesecWeise zu versuchen nun durch die Hintertür eine Linke Mehrheit zu bekommen, ist einfach scheinheilig.



    Wenn wir da gerade beim Thema sind, wo sind denn die versprochenen Neuwahlen in Thüringen? Davon ist nun auch keine Rede mehr, hat da wohl jemand Angst?

  • Warum ist die achsoliberale FDP denn FÜR eine solche markfeindliche Vorschrift?

  • "Für alle demokratischen Parteien muss gelten: Wer etwas umsetzen will, muss eine Mehrheit ohne die AfD organisieren. CDU und FDP müssen staatspolitische Verantwortung tragen – das heißt im Zweifel gegen die eigene Überzeugung einen Antrag fallen lassen oder sich enthalten. Es geht hier nicht um 08/15-Politikgerangel in der Landespolitik, sondern um die Brandmauer gegen Rechts."

    Wenn Demokratie in diesem Land endgültig zum Kasperle-Theater verkommen soll, dann muss man es genauso machen.

    1000-Meter-Mindestabstand von Windrädern haben absolut nichts mit Rechtsextremismus zu tun, sondern ist eine Position der man zustimmen oder die man ablehnen kann. Und sollte deshalb auch so gehandhabt werden.

  • Thüringen hat Läuse im Pelz und bekanntlich hilft da Kratzen nichts.



    Es lindert zwar den Juckreiz aber die Läuse wird man nicht los.

    Nun? - Was ist zu tun ?



    Selbstauflösung klappte nicht, andere Koalitionen klappen nicht.

    Ich würde sagen: Man sollte mal langsam Sachpolitik machen.



    Der plumpe Versuch der CDU Windräder, die wir wirklich nötigst brauchen, zu verhindern gehört nicht dazu.



    Und es ist scheißegal wem das nicht passt: Wir brauchen Windräder.



    Wir brauchen sie wie die Deiche, wie Waserleitungen und wie Stromkabel.



    Wir brauchen sie zu überleben.



    Ganz im Gegensatz zur CDU: Die braucht wirklich niemand (mehr)

    • @Bolzkopf:

      Etwas off-topic:Windräder alleine helfen auch nicht, solange der sonstige Lebensstil sich nicht ändert. Oder alternativ die Bevölkerung drastisch reduziert wird. Für Deutschland dürfte ein Zehntel der derzeitigen Population(ca. 8 Mio.) noch zu hoch sein ,um trotz des gegenwärtigen Konsumlevels klimaneutral zu sein. Auch mit Windrädern!

    • @Bolzkopf:

      Wieso brauchen wir Windräder? Atomkraftwerke können die Energieversorgung besser sichern als Windräder.

      • @Dirk Osygus:

        Ja, das stimmt.



        Vom Prinzip.



        Aber woher das Uran nehmen ?



        Wo die Abfälle lagern ?

        Ich schlage vor, dass jede Gemeinde ihr eigenes Perpetuum Mobile bekommt und damit den eigenen Strom erzeugt.



        Egal wie teuer diese Dinger sind !