Corona-Pandemie in Deutschland: Omikron verläuft nicht immer mild

In der vergangenen Woche gab es mehr als 1.000 Corona-Tote, warnt RKI-Chef Wieler. Karl Lauterbach stimmt zu und plädiert erneut für eine Impfpflicht.

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Alle guten Dinge sind drei: Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirbt für das Impfen Foto: Annegret Hilse/Reuters

BERLIN taz | Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fordert von den Bundesländern, die „Hotspot“-Regeln zu gebrauchen, um der aktuellen Corona-Lage zu begegnen. Die Pandemie sei nicht zu unterschätzen. Sie belaste weiterhin das Gesundheitssystem und fordere Menschenleben. In der vergangenen Woche waren erneut mehr als 1.000 im Zusammenhang mit Corona gestorben. Impfungen würden das Risiko je­de*r Einzelnen aber deutlich mildern, betonte Lauterbach in Berlin bei einer Pressekonferenz am Freitagmorgen gemeinsam mit Chef des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler und der Vorsitzenden der Ärzt*innen-Vereinigung Marburger Bund Susanne Johna.

Auf die aktuellen Zahlen verweisend, sagte der Gesundheitsminister: „Wir können es so nicht laufen lassen.“ Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet an diesem Freitag mehr als 296.000 weitere nachgewiesene Corona-Infektionen. Ex­per­t*in­nen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Die 7-Tage-Inzidenz in Deutschland liegt damit bei 1.756. Zwischen den Bundesländern und Landkreisen gibt es jedoch deutliche Unterschiede.

In Hamburg liegt sie mit aktuell 1.078 am niedrigsten. Der Höchstwert in Mecklenburg-Vorpommern beträgt mit 2.403 mehr als das Doppelte. In 14 Landkreisen liegt die 7-Tage-Inzidenz nach Angaben des RKI bei mehr als 3.000. Im thüringischen Landkreis Nordhausen ist sie mit 3.432 insgesamt am höchsten.

Von medizinischen Verbänden und den Bundesländern gab es in den vergangenen Wochen viel Kritik an Karl Lauterbach und an den neuen, lockereren Corona-Maßnahmen. Mit der Lage seien keine bundesweiten Maßnahmen begründbar, sagte Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Zudem könnten mit besserem Wetter die Infektionszahlen zurückgehen. Aber darauf könne man nicht warten.

Impfpflicht als Vorsorge

Die Länder sollten die neuen Corona-Regeln nutzen und bis zum 2. April Schutzmaßnahmen für „Hotspots“ beschließen. Damit sind besonders betroffene Regionen gemeint, bei denen das Gesundheitssystem zu überlasten droht.

Lauterbach erklärte, die Länder könnten „Hotspots“ insbesondere mit der angespannten Situation in Kliniken begründen. Von der berichtete in dieser Woche bereits die Deutsche Krankenhausgesellschaft: Weil sich zurzeit viel Personal selbst mit Corona infiziert oder durch Quarantänevorschriften ausfällt, müssen manche Krankenhäuser planbare Eingriffe verlegen oder absagen. Zum Teil können sie die Notfallversorgung nicht mehr sicherstellen.

Der RKI-Chef Wieler verwies während der Konferenz darauf, dass viele in der deutschen Bevölkerung das Risiko, mit Omikron zu erkranken, geringer schätzen. Das zeigt unter anderem die Erfurter Cosmos Studie, die regelmäßige Befragungen zur Pandemie durchführt.

Doch auch mit Omikron-Infektionen sterben weiterhin Menschen. Nach Angeben des RKIs im Schnitt täglich etwa 200. „Omikron-Infektionen verlaufen also nicht immer mild. Das sind einfach die Tatsachen“, sagte Wieler. Menschen mit Vorerkrankungen oder einem Alter über 70 seien weiterhin besonders gefährdet und sollten sich impfen lassen. Wieler könne nicht nachvollziehen, weshalb es in dieser Gruppe immer noch Ungeimpfte gäbe.

Karl Lauterbach nutzte die Pressekonferenz, um erneut für eine Impfpflicht zu plädieren. Er glaube, im Parlament sei eine Mehrheit für die allgemeine Impfpflicht. Auch bei der Union habe er von Stimmen gehört, die sich dafür aussprechen.

Neben Karl Lauterbach und Lothar Wieler saß Susanne Johna, die Vorsitzende des Ärzt*innen-Verbands Marburger Bund. „Es wäre jetzt an allen Menschen, sich und andere zu schützen, durch eine vollständige Impfung“, appellierte sie an die Bevölkerung. Die politische Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht halte sie für nötig, um eine weitere Belastung der Kliniken im Herbst zu vermeiden. Die Strapazen für Ärz­t*in­nen und Pfle­ge­r*in­nen seien auch so schon sehr hoch.

„Stellen Sie sich vor, Sie tragen eine FFP2-Maske nicht gelegentlich, sondern seit mehr als zwei Jahren durchgehend an jedem einzelnen Arbeitstag“, erzählte sie aus dem Berufsleben in den Kliniken. „Beim Kontakt mit infizierten Patienten tragen Sie dann auch noch einen flüssigkeitsdichten Schutzkittel und ein Visier. Nach wenigen Minuten sind Sie klitschnass geschwitzt. Und an freien Tagen eignen sich Ärztinnen und Ärzte dann für ihre Patienten noch die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse an.“

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