Expertengremium für DW Enteignen steht: Die Enteignungskommission

Die Senatsparteien haben ihre Mitglieder für die 12-köpfige Enteignungskommission benannt. Die SPD setzt auf Gegner der Vergesellschaftung.

DW ENteignen-Werbeplakat vor einer Baustelle

Der Auftrag der Initiative an die Kommission ist klar Foto: dpa

BERLIN taz | Die Expert:innenkommission, die die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen in Berlin prüfen soll, nimmt Konturen an. Die Senatsparteien SPD, Grüne und Linke haben jeweils drei Personen benannt, drei weitere soll die Initiative entsenden. Eine 13. Person soll dem Gremium als Vorsitzende vorstehen.

Bereits am kommenden Dienstag will der Senat über die förmliche Einsetzung der Kommission beschließen. Damit würde man dem Versprechen, ein solches Gremium nach den ersten 100 Tagen im Amt zu beauftragen, gerecht. Ein Jahr lang soll die Kommission an der Frage der Umsetzung des Volksentscheids arbeiten. 59,1 Prozent der Berliner Wäh­le­r:in­nen hatten am 26. September 2021 dafür votiert, die Bestände aller privaten Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt zu vergesellschaften.

Nach Informationen der taz stehen zumindest acht der neun Namen, die von den Parteien ernannt wurden, bereits fest. Die SPD setzt dabei ausschließlich auf tendenziell konservative Juristen, denen eher keine Sympathien für die Vergesellschaftung der privaten Wohnungskonzerne nachgesagt werden können. Sie hat Michael Eichberger nominiert, einen ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht, der einst auf Vorschlag der CDU gewählt wurde und bis 2018 zwölf Jahre lang dem Ersten Senat des Gerichts angehörte.

Als bekannten Gegner der Vergesellschaftung schickt sie überdies Christian Waldhoff ins Rennen, Professor für Öffentliches Recht und Finanzrecht der Berliner Humboldt-Universität. Waldhoff hatte in einem Gutachten für die evangelische Hilfswerk-Siedlung vor dem Volksentscheid die These vertreten, dass die Berliner Verfassung einen höheren Eigentumsschutz habe als das Grundgesetz und damit der Vergesellschaftungsartikel 15 hier nicht zur Anwendung kommen könne. Auch der Dritte im SPD-Bunde hat diese These bereits öffentlich vertreten: Wolfgang Durner, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn.

Die Kampagne DW Enteignen kritisierte am Mittwoch die SPD für ihre Nominierungen: „Diese Mitglieder machen deutlich, dass der Senat weiter versucht, den einst von der Sozialdemokratie erkämpften Artikel 15 zu begraben. Die beiden Professoren bedienen sich der exakt gleichen juristischen Argumente, wie die Rechtsanwälte der Deutsche Wohnen. Mit ihnen wird es nicht um die Umsetzung des Volksentscheids gehen, sondern darum ihn zu verhindern“, so Sprecher Moheb Shafaqyar.

Juristische Schwergewichte

Linke und Grüne haben sich bei ihren Ernennungen abgesprochen. Sie nominieren ein weiteres juristisches Schwergewicht: Christoph Möllers ist Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität. Der Leibniz-Preisträger gilt als liberal, ist SPD-Mitglied – seine Positionierung zur Enteignung ist unklar.

Zwei weitere Ver­tre­te­r:in­nen auf dem links-grünen Ticket scheinen deutlicher positioniert: Florian Rödl ist Rechtswissenschaftler der Freien Universität Berlin, hat das Land Berlin vor dem Verfassungsgericht im Streit um den Mietendeckel vertreten. Dazu kommt die Völkerrechtlerin Isabel Feichtner von der Universität Würzburg, Herausgeberin eines Buches mit einem Aufsatz über das „Recht auf Entprivatisierung“.

Des Weiteren ist Thorsten Beckers vom Lehrstuhl für Infrastrukturwirtschaft und -management der Bauhaus-Universität Weimar ernannt. Beckers hatte sich kurz vor dem Volksentscheid auf einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung gegen eine Entschädigung nach Verkehrswert ausgesprochen und argumentiert, warum eine deutlich geringere Entschädigung für die Immobilienkonzerne angemessen sei. Dazu kommen Ann-Kathrin Kaufhold, Lehrstuhlinhaberin für Staats- und Verwaltungsrecht der LMU München, sowie eine noch namenlose Vertreterin der GLS-Bank.

Die drei Ver­tre­te­r:in­nen von DW Enteignen stehen auch nach dem Kampagnenplenum am Dienstagabend noch nicht fest. Klar ist nur: Auch sie will die Posten überwiegend mit Ex­per­t:in­nen besetzen. Als Vorsitzende der Kommission wird die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin gehandelt.

Der Auftrag ist unklar

Wie der Arbeitsauftrag für die Kommission lauten wird, ist noch nicht bekannt, wird aber am Donnerstag Gegenstand eines Gesprächs von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) und Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) mit Ver­tre­te­r:in­nen der Initiative sein. Möglicherweise wird weiterhin am Minimalkompromiss des Koalitionspapiers festgehalten. Demnach wäre Aufgabe der Kommission die „Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens“.

Angesichts des juristischen Übergewichts unter den Kommissionsmitgliedern ist allerdings absehbar, dass vor allem die Frage des „ob“, also die rechtliche Zulässigkeit im Fokus ihrer Arbeit stehen wird. Dagegen hatte DW Enteignen stets darauf gedrungen, dass es um das „wie“ gehen muss – ein klarer Auftrag Wege aufzuzeigen, was in einem Vergesellschaftungsgesetz beachtet werden muss. DW Enteignen-Sprecher Shafaqyar sieht die Gefahren der einseitigen Besetzung: „Es handelt sich nicht ausschließlich um eine juristische, sondern vor allem eine politische und soziale Frage.“

Sicher ist: Die Kommission wird selbst kein Gesetz erarbeiten, sondern allenfalls Eckpunkte. Die Ausbuchstabierung und Verabschiedung eines Gesetzes liegt danach in den Händen des Abgeordnetenhauses. Sollte ein Gesetz verabschiedet werden, gilt es als sicher, dass es vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird.

Kritik von DW Enteignen

Zuletzt hatte die Initiative DW Enteignen immer wieder Kritik an einer Verzögerungstaktik des Senats und vor allem der SPD geübt. Erst vor anderthalb Wochen hatte sie sich erstmals mit Stadtentwicklungssenator Geisel getroffen. Versprochene weitere Infos über Details zur Kommissionsarbeit im Verlauf der vergangenen Woche blieb der Senator aber schuldig. Ungeklärt ist damit auch, wie transparent die Kommission arbeiten oder wo ihre Geschäftsstelle angesiedelt werden soll. Die Initiative drängt auf maximale Transparenz.

Was der Senat genau beabsichtigt, wird DW Enteignen nun wohl im Gespräch mit den Se­na­to­r:in­nen an diesem Donnerstag zu hören bekommen. Den Termin für den Senatsbeschluss zur Einsetzung der Kommission am nächsten Dienstag kritisiert sie. Denn ihr Plenum, das anhand aller Informationen über die Mitarbeit und Entsendung der Mitglieder entscheiden soll, tagt erst am selben Abend wieder. Womöglich beschließt der Senat dennoch die Kommission samt ihrer Mitglieder – und lässt dabei die drei Plätze, die DWE vergeben soll, offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.