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Gendern in Schleswig-HolsteinReaktionäre lassen nicht locker

Carolina Schwarz
Kommentar von Carolina Schwarz

CDU-Politiker Tobias Koch fordert einen Volksentscheid zu geschlechtergerechter Sprache. Doch Zwang führt bei diesem Thema nicht weiter.

Am besten halten alle es so, wie es ihnen gefällt – gender­sensibel oder eben nicht Foto: Petra Nowack/imago

E igentlich, so könnte man meinen, ist zum Thema geschlechtergerechte Sprache alles gesagt. Die eine tut es, der andere lässt es – und nun können wir uns in diesen Wahlkampfzeiten anderen Themen zuwenden, die bislang sträflich vernachlässigt wurden: Der Kampf gegen Rechtsextremismus, die fehlende Umsetzung der Istanbul-Konvention oder wie wir nach 17 lähmenden Monaten die Pandemie zu einem Ende bringen.

Doch die Reaktionären des Landes lassen es nicht zu und setzen das Thema ständig wieder auf die Tagesordnung. Aktuell fordert Tobias Koch, Fraktions­chef der CDU im Landtag von Schleswig-Holstein, einen Volks­entscheid zum Thema Gendern.

Dass konservative Jour­na­lis­t:in­nen monatelang Kommentarspalten volljammerten, weil ihnen die Nutzung von Binnen-I, Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich so viel Sorgen bereiteten – daran hatte man sich ja schon fast gewöhnt. Nun aber nimmt die Debatte um geschlechtergerechte Sprache im Wahlkampf so viel Raum ein, dass es nur noch absurd ist.

Anlass für Kochs Vorschlag sind Verbote von Sonderzeichen fürs Gendern in der Schule. Ende August wurde bekannt, dass an sächsischen Schulen keine Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache mehr verwendet werden sollen. Gute Idee, dachte sich wohl CDU-Frau Katrin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, diese Woche. Die Politikerin, die in Laschets Schattenkabinett als Bildungsministerin auftritt, sagte gegenüber den Lübecker Nachrichten: „Gendersternchen, Binnen-I und Unterstrich“ seien „in der Schule grundsätzlich nicht gestattet“.

Absurde Debatte

Absurd ist das vor allem, weil die Ver­fech­te­r:in­nen des generischen Maskulinums ständig ein „Sprachverbot“ und „Vorschriften“ herbeiredeten und nun selbst welche fordern und durchsetzen. Denn der Zwang zum Gendern, wie ihn so viele fürchten, bleibt bislang aus. In der deutschen Medienlandschaft gibt es keine überregionale Zeitung, keinen Fernseh- oder Radiosender, in der geschlechtergerechte Sprache vorgeschrieben wird.

Im Gegenteil. Während einige Redaktionen, darunter die taz, den Jour­na­lis­t:in­nen selbst überlassen, ob sie in ihrer Sprache auch andere Geschlechter als das männliche berücksichtigen möchten oder nicht, ist es in anderen ausdrücklich verboten, Sonderzeichen für geschlechtergerechte Sprache zu nutzen. Zu Letzteren gehören die Frankfurter Allgemeinen Zeitung ebenso wie der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk.

Auch ist bislang keine deutsche Universität oder Schule bekannt, in der geschlechtergerechte Sprache vorgeschrieben wird. Der Fall eines Lehramtsstudenten aus Kassel, der behauptete, in einer Prüfung schlechter bewertet worden zu sein, weil er keine gendersensible Sprache verwendet hatte, stellte sich nach Recherchen verschiedener Medien als falsch heraus. Einzelne Städte und Behörden haben zwar angefangen, in offiziellen Schreiben geschlechtergerecht zu ­schreiben, doch auch hier handelt es sich lediglich um Empfehlungen und keinen Zwang.

Für Koch anscheinend keine zufriedenstellende Lösung, er wünscht sich, dass „wir“ durch einen Volksentscheid zu einem „gemeinsamen Ver­ständnis“ kommen. „Dass im ­Augenblick jeder seine eigenen Regeln aufstellt, halte ich für das ­eigentlich Problematische“, sagt er den Kieler Nachrichten.

Doch was soll nach dem Volksentscheid kommen? Sollen Menschen gezwungen werden, den Genderstern oder -Unterstrich zu nutzen? Oder andere dazu, Frauen und Menschen anderer Geschlechter sprachlich unsichtbar zu machen? Wenn uns die Debatte der letzten Monate eines gelehrt hat, dann doch, dass Zwang uns bei diesem Thema nicht weiterführt. Deswegen lieber: Der eine tut es, die andere lässt es, und jetzt weiter zu anderen Themen.

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Carolina Schwarz
Ressortleiterin taz zwei
Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.
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38 Kommentare

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    Die Moderation

  • Die "Reaktionäre" setzen das Thema immer wieder auf die Agenda u die Befürworter des Genderns verordnen selbiges einfach in Ämtern, Unis usw - i.a.R. diskussionslos und behaupten aber - n a ch d e m das Gendern schon implementiert wurde - jeder könne es damit doch halten wie er oder sie oder * wolle. Finde den Fehler. Frau Schmollack sagt, 2/3 aller Deutschen lehnen das Gendern ab - so what? dann werden Sie sich eben damit arrangieren müssen. Tür schreibt man auch nicht mehr Thür. So als handele es sich um eine einfache orthograph. Anpassung wenn man nun in Glotisschlägen spricht als hätte man einen Tick. Unsinn. Und die Zeiten in denen der mündige Bürger oder die mündige Bürgerin oder * widerspruchslos akzeptieren müssen was ihnen das Amt, eine Sprachakademie oder wie in diesem Fall, eine von niemandem beauftragte u legitimierte gesellschaftliche Gruppe verordnet, ist vorbei. Die produzierte Menge an Wissen und Information nimmt im Internetzeitalter exponentiell zu und niemand muss sich mehr ein x für ein u vormachen lassen. Ich habe auch Linguistik studiert und weiß, dass die Behauptung der Genderforscher, das generische Maskulinum sei - wissenschaftlich belegt- für die Ungleichbehandlung von Frauen (mit)verantwortlich ungefähr genauso belegt ist wie die Behauptung der Klimawandelleugner es gäbe gar kein Klimawandel. Harthörig ignorieren sie die Realität z.B. dass das Persische und das Türkische völlig genderbefreite Sprachen sind und sich die Mullahs u Erdogan trotzdem nicht davon beeindrucken lassen und Frauen gleichstellen o d e r eben die Istanbulkonvention umsetzen. Müssten sie aber doch automatisch kraft der magischen Wirkmächtigkeit der Sprache und des fehlenden gener. Maskulinums. Nicht? Die ganze Diskussion, Frauen fühlten sich mit dem gener. Maskulinum nicht mitgemeint, war noch vor 20 Jahren 99% (m/w/d) völlig unbekannt und allenfalls ein Fall für Satire. Jede Frau



    h a t sich selbstverständlich mitgemeint gefühlt. Ein völlig konstruiertes Problem.

  • In der gegenwärtigen Gesetzessprache in Schleswig-Holstein werden immer das männliche und das weibliche Geschlecht genannt, das Geschlecht "divers" bleibt bisher außen vor.

    Ein Beispiel: § 90 Absatz 4 Satz 1 der Gemeindeordnung von Schleswig-Holstein lautet: "Die oder der Verantwortliche für die Finanzbuchhaltung und deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter dürfen mit der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister, in Städten mit der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister oder einer Stadträtin oder einem Stadtrat sowie der Leiterin oder dem Leiter und Prüferinnen und Prüfern des Rechnungsprüfungsamtes nicht in der Weise des § 22 Absatz 1 verbunden sein."

  • @ANNE PIPENBRINCK

    So sehe ich das auch. Wobei ich allerdings in dieser Phase des Herumprobierens gerade das grösste Potenzial sehe.

    So wird mensch immer wieder daran erinnert, dass wir Gerechtigkeitsprobleme zu lösen haben.

    Wenn ich die teilweise heftigen Reaktionen (sogar hier im Forum!) sehe werde ich darin bestärkt: Ich werde sprachlich gendern, was das Zeug hält. Am besten auch immer wieder andere Ansätze versuchen :-)

    Und wehe, mir verbietet es irgendjemensch.

    • @tomás zerolo:

      Es ist der alte Knackpunkt - auch schon bekannt aus der Kopftuch-Debatte - mit der Schule als Konfliktort zwischen dem Recht der Schüler auf politisch neutrale Erziehung und dem Selbstentfaltungsrecht der Lehrer. Was immer ein Lehrer in Ausübung seines pädagogischen Auftrags tut, ist auch für die Schüler ein Signal, dass es so richtig ist - und das Gegenteil falsch.

      Somit das Genderverbot in erster Linie ein Verbot, gegenderte Sprache als einzig richtige zu lehren, kein echtes Verbot zu gendern. Also gendern Sie als Privatperson ruhig, soviel Sie wollen. Das WILL Ihnen gar niemand verbieten - zumindest keiner, der was zu sagen hat.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Ich habe jetzt schon zwei Wörter in mein Portfolio aufgenommen, die nicht gegendert werden müssen. " die Bürger" und " meine Begleitung". Langfristig setzen sich nur die sich intrinsisch, authentisch gegenderten Wörter durch. Z.B. " Busenfreund" und " Busenfreundin".

  • Das Schwierige für mich ist, dass wir uns hier überhaupt mit dem Thema befassen. Es ist zweifellos noch völlig verfrüht oder ganz unnötig den Aufwand einer Volksabstimmung zu betreiben, Regelungs-Debatten darüber zu führen oder auch nur einige Kommentarzeilen hier zu verfassen. Es sei jedem frei gestellt sprachliche Experimente (mit) zu machen oder diese abzulehnen. Es wird sich zeigen, ob eine allgemein akzeptierte Wortform gefunden wird. Man wird sehen, ob das die Gleichberechtigung unter den Geschlechtern fördert oder sich die Befürworter damit einen Bär*innendienst (oder Bär-Innendienst) erweisen. Ich habe gelernt, dass es einen Plural für rein weibliche und einen Plural für alle anders zusammengesetzten Gruppen gibt. Mir reicht das. Ich fühle mich als Mann da auch nicht diskriminiert. Wo sich da andere Geschlechter zuordnen lassen (möchten), muss nun auch nicht in teuren Studien erhoben werden. Ich möchte auch nicht, das Zeit und Geld aufgewendet wird, um Unmengen an Texten umzuformulieren und Bücher neu zu drucken. Ich habe auch gelernt, dass allen Menschen mit gleichem Respekt und Wohlwollen zu begegnen ist. Wenn man diese Regeln vielen erst noch mal erklären muss, sollten wir lieber über unser Bildungssystem (nicht nur an Schulen) und das gesellschaftliche Miteinander diskutieren. Es gibt wirklich große, wichtige Aufgaben zu bewältigen: Gleichstellung, soziale Globalisierung, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Vorbeugung der der Klimawandelfolgen... lassen Sie uns dazu schreiben!

  • Was die Leute von der CDU und andere selbst ernannte Sprachwächter nicht verstehen: Sprache ist immer in Bewegung, muss in Bewegung sein und sich verändern, sonst wechselt sie recht schnell ins Lager der toten Sprachen.



    Wir befinden uns an einem Punkt, an dem von der Sprache verlangt wird, sich gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen, das heißt, Frauen sowie Diverse sichtbar zu machen. Das bedeutet auch, dass man Formen und Darstellungen ausprobieren muss. Dieser Prozess wird andauern, bis sich die Gesellschaft auf eine Form geeinigt hat. Natürlich bringen solche Phasen des sprachlichen Umbruchs auch Skurrilitäten und manches hervor, das nicht recht praktikabel erscheint. Doch es mag ein Trost sein, dass vieles davon nicht überdauern wird. Bis man sich - wie erwähnt - auf eine Form einigt.

    • @Anne Pipenbrinck:

      Die Frage ist halt, ob Sprache "sich ändert" (sprich: alte Gewohnheiten in der Bevölkerung organisch durch neue ersetzt werden) oder ob politisch motivierte Hoheitsträger sie gezielt zu ändern versuchen. Die Schule ist so eine Schnittstelle, an der eher letzere Alternative droht. Denn das Gender-Verbot trifft ja nicht wirklich Lehrer, die hier zunehmende Gender-Gewohheiten ihrer Schüler übernehmen, oder? Die betroffene Wirkrichtung dürfte eher andersherum laufen.

      Sie schreiben: "Wir befinden uns an einem Punkt, an dem von der Sprache verlangt wird, sich gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen, das heißt, Frauen sowie Diverse sichtbar zu machen."

      Es ist eine Sache, so eine Feststellung als Analyse eines unaufhaltsamen gesellschaftlichen Prozesses zu formuliern, eine andere, sie als mehr oder minder verbindliche Auftragstellung an die "Sprachverantwortlichen" - eben u. a. auch die Lehrer in den Schulen - zu meinen. Wenn sie ehrlich sind: Was von beiden war es in Ihrem Fall, und ist das noch "Sprache verändert sich ständig..."?

    • @Anne Pipenbrinck:

      Ihr erster Satz ist genau das Problem Ihrer Argumentation. Von Vielen (Mehrheit?) wird das Gendern als autoritäre Sprachwächterei angesehen, nicht die Gegenposition. Hinzu kommen identitätspolitsche Aspekte. Das Gendern ist links, akademisch, westdeutsch...da sind ganz erhebliche Bevölkerungsteile außen vor.

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @Anne Pipenbrinck:

      Ein Anfang wäre gemacht, wenn man das Wort " geil" im Rundfunk verbietet, dann die Kombi " dingfest gemacht", dann den Kracher die Aktionäre waren in " Kauflaune" und dann doch " die Kids", wenn es um Kinder geht. Ist wirklich "kidding", wenn einer meint, mit dieser scheinbar unsterblichen Bezeichnung für Kinder hier, uptodate zu wirken.

    • @Anne Pipenbrinck:

      Das mit der Sprache, die sich permanent verändert höre ich als Argument öffters. Aber das passt hier nicht, weil es sich nicht um eine natürliche Veränderung handelt, sondern um etwas das von einer Gruppe mit der Brechstange durchgedrückt wird. Das passt übrigens auch zu Ihrer Aussage, dass von der Sprache verlangt wird sich gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Das ist ganz deutlich eine Vorderung nach Zwang zur Veränderung und passt so überhaupt nicht zu "Sprache verändert sich [von selber]".

  • Ich sehe ein dreifaches Problem:



    [1.] Gendern ist optional.



    [2.] Die derzeitigen Formen des Genderns sind uneinheitlich und unelegant.



    [3.] Die derzeitigen Ansätze verstärken die binäre Geschlechterdichotomie.

    [zu 1.] je mehr Regelvarianten eine Sprache zulässt, umso mühsamer ist sie zu erlernen und umso schwieriger sind die subtilen Bedeutungsunterschiede zwischen den Varianten zu beherrschen, vor allem von denen, die die Sprache neu lernen.



    [zu 2.] Der Variantenreichtum der gegenderten Formen ein Ausdruck des Fehlens einer wirklich guten Lösung. Ebenso das Problem, die gegenderten Formen bei der Aussprache hörbar zu machen.



    [zu 3.] Personen, die sich als divers fühlen, mögen die durch Gendern forcierte Geschlechts-Zweiteilung als Rückschritt empfinden.

    Was fehlt, ist eine mutige, verbindliche Reform, die geschlechtsspezifische und geschlechtsneutrale Formen im Singular und Plural klar unterscheidet. Die könnte so aussehen:



    [A] Für Personen gilt generell das generische Neutrum: "das Polizist", "das Mitarbeiter", "das Dachdecker". Das gibt es ja schon, wie "das Vorstandsmitglied", "das Kind".



    [B] Im Plural bleiben alle geschlechtsneutralen Formen wie gehabt: "die Polizisten", "die Mitarbeiter", "die Dachdecker" (wie schon "die Mitglieder", "die Kinder")



    [C] Falls Geschlechtsmarkierung erwünscht, erfolgt sie im Singular durch –in und –on, im Plural durch –innen und –onen, also:



    "die Polizistin", "der Poliziston", "die Polizistinnen", "die Polizistonen" ,



    "die Mitarbeiterin", "der Mitarbeiteron", "die Mitarbeiterinnen", "die Mitarbeiteronen",



    "die Dachdeckerin", "der Dachdeckeron", "die Dachdeckerinnen", "die Dachdeckeronen".

  • "In der deutschen Medienlandschaft gibt es keine überregionale Zeitung, keinen Fernseh- oder Radiosender, in der geschlechtergerechte Sprache vorgeschrieben wird."? Das stimmt nicht. Zum Beispiel verlangen die VDI-Nachrichten von allen Autoren Formulierungen wie "Teilnehmende" oder "Ingenieure und Ingenieurinnen".

  • Das ist eigentlich nur noch ein Thema für UnionspolitikerInnen, die ansonsten thematisch völlig blank darstehen. Man muss doch nicht immer alles regeln.

  • Naja, man sollte schon schauen, dass man sich im Umgang mit Sprache nicht allzu stoffelig verhält. Die Art und Weise aber, WIE man den Sprachgebrauch gerecht und gleichzeitig ästhetisch gestaltet, ist durchaus ein Thema, über das noch viel gestritten werden muss.

    Nichtsdestotrotz gibt es, was das Thema Sprache betrifft, in Schleswig-Holstein ganz andere Probleme: In dem Land wird traditionell zu großen Teilen Niederdeutsch gesprochen, daneben gibt es dänisch- und nordfriesischsprachige Gebiete. Territorial nicht gebundene Sprachen, die hier seit längerem gesprochen werden, sind Jiddisch, Jenisch und Romanes. Heutzutage dominiert aber eine einzige Sprache brutal: Deutsch, Deutsch, Deutsch überall. DAS ist das eigentliche Problem. Das Bildungssystem Schleswig-Holsteins sollte die traditionelle Sprachen-Vielfalt des Landes massiv fördern, das bedeutet, dass insbesondere an den Schulen und Universitäten Holsteins die Niederdeutsche Sprache die vorherrschende sein sollte, während im schleswigschen Landesteil je nach Region auch das Dänische und das Nordfriesische die Hauptrolle spielen kann. Deutsch können die Schüler, wie Englisch, meinetwegen als überregionale Lingua franca erlernen.

  • Es geht darum, weilche Grammatik in Schulen, Unis und Behörden benutzt wird.



    Was jeder privat macht (oder eine private Zeitung)will niemand regeln.

    Die Autorin differenziert mir hier nicht genug.

  • Ohne jetzt die Details zu kennen nehme ich an, dass das Verbot sich nur auf die Bereiche bezieht, wo der Staat Zuständikeit besitzt, also Verwaltung, etc. Im übrigen ist die Verpflichtung einiger Städte in der öffentlichen Kommunikation bestimmte Formen des Genderns zu verwenden auch ein Verbot und zwar der Nutzung des generischen Maskulinums. Darauf zu bestehen, die amtliche Sprache in der amtlichen Kommunikation zu verwenden, könnte man als Selbstverständlichkeit sehen und nicht als Verbot.

    Dann bin ich noch über folgenden Satz gestoßen: "Während einige Redaktionen [..] den Jour­na­lis­t:in­nen selbst überlassen, ob sie in ihrer Sprache auch andere Geschlechter als das männliche berücksichtigen möchten oder nicht [...]"



    Die dahinter stehende Annahme ist natürlich falsch. Wer das generische Maskulinum benutzt berücksichtigt sehr wohl andere Geschlechter als das Männliche. Das ist der Witz bei "generisch": Generisch heißt, es gilt für alle Menschen einer bestimmten Funktion/Rolle. Wer den generischen Begriff benutzt, dem ist es in der Aussage schlichtweg egal, welches Geschlecht der Mensch mit der Funktion/Rolle hat. Und wenn ich die Kommunikationstheorie richtig verstanden hab, muss man als Empfänger einer Botschaft, den Sprachcode des Senders zugrunde legen, wenn es um die Interpretation einer Aussage geht. Als Empfäger kann man dann nicht einfach darauf bestehen, dass da nur Männer mit gemeint sind, wenn der Sprachcode des Senders das aber anders sieht.

    • @Vietwoojagig Htoru:

      Sie haben teilweise recht. Teilweise.

      Dass ein Empfänger den Code des Senders zugrundelegen muss, um die Botschaft zu verstehen, stimmt theoretisch. In der Praxis kennt aber kaum jemand den individuellen Code seines Gegenübers zu 100 %. Und selbst wenn, Vokabeln sind immer noch vieldeutig. Das heißt, wir raten häufig aufgrund unserer Erfahrung bzw. kulturellen Prägung, was gemeint sein könnte. Anders geht es nicht. Das bedeutet: Wenn von "Ärzten" die Rede ist, werden wahrscheinlich die meisten Leute selbstverständlich ebenso an männliche wie weibliche Vertreter der genannten Berufsgruppe denken. Wenn aber von Bauarbeitern die Rede ist, sieht das ganze anders aus: Selbst wenn ich das generisch meine, also Bauarbeiterinnen mitmeine, werden Sie vermutlich erstmal nur an männliche Bauarbeiter denken, weil die erfahrungsgemäß in unserem Kulturraum nach wie vor deutlich häufiger sind. Wäre also doch verständlich, wenn sich so manche Baggerfahrerin oder Maurermeisterin, die gut in ihrem Beruf und stolz darauf ist, einen Sprachgebrauch wünscht, in dem sie explizit berücksichtigt wird.

      Klar ist natürlich auch, dass die Methoden, WIE zwecks dieser Rücksichtnahme an der Sprache herumgepfuscht wird, noch nicht ausgereift sind und dass man noch viel diskutieren und streiten muss, bis man bessere Lösungen findet. Die Problematik einfach abzustreiten, zähle ich aber auch nicht zu den besseren Lösungen.

      • @Ein alter Kauz:

        Einem weiblichen Bauarbeiter wird es rein garnichts nützen, wenn man den generischen Begriff "Bauarbeiter" durch irgend einen anderen generischen Begriff ersetzt. Das ändert Null an der Sichtbarkeit. Die meisten Menschen verstehen unter Studenten und Studierenden die exakt gleiche Gruppe von Menschen aller Gender undGeschlechter. Wenn ich von einer Gruppe von Menschen in generischer Form spreche, dann ist es grade nicht mein Ziel dass jemand explizit berücksicht wird, ob das nun eine Frau ist, oder Paul oder Horst. Es wäre für die Gleicherechtigung hilfreicher, wenn sich die Frau in ihrem Beispiel mit Stolz als "Bauarbeiter" bezeichnen würde, und nicht als "Bauarbeiter light" mit "-in" Endung. Oder haben Bauarbeiter und Bauarbeiterinnen etwas anderes gelernt. Wenn nein, dann sollte man es auch gleich bezeichnen.

  • Was ich noch nicht ganz verstanden habe: Wer will diese Gendersprache eigentlich. Abgesehen davon, dass sie in jeder Studie und jeder Umfrage auf massive Ablehnung stößt...

    Wie hoch ist der Anteil der Betroffenen, die sich einen sprachlichen Umbau wünschen? Ging's da überhaupt Untersuchungen, bevor man Richtlinien und Zwänge einführt.

  • Menschen, die aus gutem Grund Gendern ablehnen, pauschal als "Reaktionäre" zu bezeichnen, verschärft nicht nur das Thema, sondern ist einfach falsch.

    Nach dieser Theorie wäre auch eure Autorin Dörte Stein "reaktionär", weil sie in der taz schreibt: "Die angeblich diskriminierungsfreie Sprache ist nicht nur antifeministisch und sexistisch, sie ist auch diskriminierend."

    Zählen ihre Argumente nicht? Ist es "reaktionär", sich gegen Diskriminierung auszusprechen? Ist es "reaktionär", den Argumenten des Blinden- und Sehbehindertenverbandes zu folgen, die Genderschrift ablehnen, weil diese Menschen von der Teilhabe ausschließt?

    Quelle: taz.de/Gendern-als...riterium/!5782080/

  • Warum nicht mehr unmittelbare Demokratie? Finde ich gut, einen Volksentscheid zum Gendern. Dann ist das leidige Thema endlich vom Tisch. Und die übliche Verunglimpfung der Protagonisten als Reaktionäre kann sich die Autorin sparen.

  • Richtige Grammatik & Rechtschreibung wären schon nett. „Falsches Schreiben“ ist zwar nicht verboten, aber eben falsch im Sinne der deutschen Rechtschreibung. Man kann es ja politisch anders wollen und anders machen. Jedoch richtig darf auch richtig bleiben und falsch eben falsch. Alles andere wäre wirklich Nonsens.

  • Hinter den hier angeführten "Verboten von Sonderzeichen fürs Gendern in der Schule" steckt doch nichts anderes als die Entscheidung der Kultusministerkonferenz, den Regeln des Rates für Rechtschreibung zu folgen. Und das ist in der Praxis, zumal einer Grundschule, nun einmal notwendig. Dass über Formen des Genderns im Unterricht gesprochen & diskutiert wird, hat die CDU-Ministerin übrigens ausdrücklich unterstützt. Nicht jede:r "Reaktionär:in" eignet sich zum Popanz.

  • Boomer ey.

    Stellt euch vor eure Männlichkeit ist so fragil, dass ihr euch durch ein * bedroht fühlt.

    • @Notyourgirl:

      Männlichkeit ist zweifelsohne (genau wie Weiblichkeit) ein Thema, das bei manchen Personen zu Komplexen führen kann. Die Kritik am Gender-Sternchen ist aber ein ganz anderes Thema. Da geht es nicht um bedrohte Männlichkeit, sondern um bedrohte Sprach-Ästhetik. Die Kritiker sind auch nicht alle männlich und gehören nicht alle der "Boomer"-Generation an.

    • @Notyourgirl:

      Hi NOTYOURGIRL. Bin weder Boomer ey noch fühle ich von meiner Männlichkeit bedroht, da ich auch nicht männlich bin. Wenn Menschen mit anderer Ansicht einfach so abgewatscht werden, erübrigt sich jegliche Demokratie.

    • @Notyourgirl:

      Was ist "Boomer ey"?

      Ist es fragil, einen gesellschaftlichen Konsens einzufordern? "Lasst uns drüber abstimmen!"?

      Demokratie und so?

    • @Notyourgirl:

      Dieser Gedanke ist mir noch nie gekommen. In keinem der Kommentare die wahrscheinlich von Männern gekommen sind, war "Männlichkeit" oder "Bedrohung" ein Aspekt der Argumentation. Ich glaube die allermeisten Argumente haben sich auf die mangelnde Logik, Stringenz und Sinnhaftigkeit der vorgeschlagenen Lösung bezogen.

    • @Notyourgirl:

      Sie vergessen, dass auch Frauen die Gendersternchen mehrheitlich ablehnen. An gefühlt bedrohter Männlichkeit kann es also nicht liegen.

  • in unserem Kleingartenverein, soll die gendergerechte Sprache per Vereinssatzung festgeschrieben werden... :)

    • @nutzer:

      Ich kenne einen Fall einer Referendarin, die wegen Genderverweigerung eine Note abgezogen wurde. Soviel zum freiwillig und kein Zwang.

  • "... Zwang uns bei diesem Thema nicht weiterführt"

    Sehe ich genauso.

    Doch das ist es ja, was Konservative wollen: nicht weiterführen. Konserve eben. Wie die fünfzigjährigen eingelegten Pflaumen, die in Tante Waltrauds Keller als bräunliche Wasserleichen ihr Dasein fristen.

    • @tomás zerolo:

      Die einen wollen es, die anderen nicht.

      So, wie löst man das in einer Demokratie? Die Sache mit der Mehrheit, wir erinnern uns?

      • @Wonneproppen:

        Demokratie bedeutet nicht, dass die Mehrheit Minderheiten unnötigerweise ihren Willen aufzwingen darf.

        Warum ist es Ihnen eigentlich so wichtig, dass die von Ihnen unterstellte Mehrheit allen verbietet, Geschlechterinklusion syntaktisch abzubilden?

        • @yul:

          Die Frage ist, was Geschlechterinklusion überhaupt ist. Für mich besteht auch Geschlechterinklusion, wenn es einfach egal ist, welches Geschlecht der/die/das Angesprochene/r hat. Dafür ist das generische Maskulinum praktisch. Allerdings schreibe ich oft auch die männliche und die weibliche Form - was aber, Ihrer Meinung nach - wiederum andere ausschließt.