Windkraftanlagen mit weniger Dezibel: Beim Infraschall verrechnet
Eine Behörde korrigiert ihre von Windkraftgegnern oft zitierte Studie zum Infraschall. Die Ergebnisse lagen vieltausendfach zu hoch.
Ausgerechnet diese fehlerhafte Studie aus dem Jahr 2005 hatte großen Anteil daran, dass der Infraschall im Zusammenhang mit Windkraftanlagen populär wurde. Windkraftgegner warnten immer wieder vor dem nicht hörbaren Schall (dessen Frequenz unterhalb von 16 bis 20 Hertz liegt) und verliehen ihm aufgrund seiner vermeintlichen Intensität ein fast dämonisches Image. Er entsteht nicht nur durch technische Geräte, sondern auch in der Natur, etwa durch Windböen.
In ihrer Studie ermittelten BGR-Forscher Lars Ceranna und zwei Kollegen im Umfeld einer Windkraftanlage Infraschallwerte von mehr als 100 Dezibel. Erst Jahre später kamen andere Wissenschaftler darauf, dass die Berechnungen nicht stimmen konnten. Denn wären sie korrekt gewesen, hätte alleine im Infraschall mehr Energie gesteckt als im gesamten vorhandenen Schallsignal – physikalisch unmöglich.
Vor allem Stefan Holzheu, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth, hatte sich um Klärung bemüht. Er hatte einen „schwerwiegenden Rechenfehler“ in der Studie erkannt, den er – recht zielgenau – „auf einen Faktor 1.000 bis 10.000“ bezifferte. Seit März 2020 stand er deswegen mit der BGR im Kontakt.
Stur gegenüber allen Einwänden
Doch die blieb stur gegenüber allen Einwänden. Dabei hatte längst auch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) deutlich niedrigere Werte ermittelt. Als die taz im Februar die BGR mit diesen Unstimmigkeiten konfrontierte, erklärte diese noch, die Diskrepanz lasse „unterschiedliche Herangehensweisen bei den Messungen und Auswertungen“ vermuten.
Zugleich konnte sich die BGR den süffisanten Hinweis nicht verkneifen, dass „die LUBW für ihre Studie die Expertise der BGR als führende Institution in Deutschland auf dem Gebiet der Messung von Infraschall nicht nachgefragt“ habe. Heute weiß man: Es hätte wohl eher die BGR bei der LUBW um Expertise bitten müssen.
Wissenschaftler Holzheu veranschaulicht den Fall gerne, indem er diesen mit dem Wiegen eines Brots vergleicht: Wenn dieses einmal ein Kilo wiegt, woanders aber 1.000 Kilo, werfe das Fragen auf. Wenn dann jene Institution, deren Messung in der Kritik steht, auf Nachfrage sagt, sie könne die Differenz nicht erklären, weil sie keinen Einblick in die Messmethoden des Anderen habe, ist das befremdlich. Doch exakt auf diese Weise blockte die BGR Nachfragen über Monate hinweg ab und verwies stets darauf, dass ihre Ergebnisse 2016 einen Peer-Review-Prozess eines Fachjournals durchlaufen hätten – ein Verfahren zur Qualitätssicherung wissenschaftlicher Arbeit.
Dennoch wurden die Stimmen von Kritikern immer lauter. Als ein weiterer Wissenschaftler sich jüngst an die Physikalisch-Technische Bundesanstalt wandte, die dann ihrerseits die BGR-Berechnungen zerpflückte, sah diese sich gezwungen, einzulenken. Sie versichert nun, die Studie („Der unhörbare Lärm von Windkraftanlagen“) werde überarbeitet und zur Publikation werde es „ein Korrigendum“ geben.
Hochpolitische Zahlen
Die falschen Zahlen waren längst hochpolitisch geworden. Windkraftgegner hätten darin den Beleg gesehen, „dass das Umweltbundesamt und die Landesämter mit ihren deutlich niedrigeren (aber richtigen) Werten verschleiern und manipulieren“, sagt Holzheu. Auf seiner Internetseite begrüßt er nun, „dass die BGR ihren Rechenfehler nach 16 Jahren endlich erkennt“. Damit entfalle für Windkraftgegner, die sich unter Namen wie Vernunftkraft und Windwahn sammeln, „eine ganz wichtige Argumentationsgrundlage“.
Erst in diesen Tagen hatte der Vernunftkraft e.V. eine Resolution zur Bundestagswahl verfasst, in der es heißt, es gebe „die Gefahr eines erheblichen Gesundheitsrisikos durch den von Windenergieanlagen ausgehenden Infraschall“. Auf Anfrage der taz erklärte der Verein nun: „Sollte sich aus einer neuen Veröffentlichung Korrekturbedarf ergeben, würden wir diesen berücksichtigen.“ Den Link zur Studie der BGR gibt es nach wie vor auf der Seite des Vereins – aber er läuft mittlerweile ins Leere.
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