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Amnesty Internationals HerabstufungNawalny bleibt trotzdem ein Opfer

Kommentar von Inna Hartwich

Die Entscheidung, Nawalny nicht als „Prisoner of Conscience“ anzuerkennen, war richtig. Doch sie spielt auch dem Kreml in die Hände.

Alexei Nawalny bei seiner Festnahme nach der Ankunft aus Deutschland am 18. Januar in Moskau Foto: Sergei Bobylev/Itar-Tass/imago

E s sind wohl zwei kurze Videoaufnahmen, über die der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny nun stolpert, während er in Haft sitzt. Videoaufnahmen, die Mitte der 2000er Jahre aufgenommen worden sein sollen, als Nawalny den Schulterschluss mit Nationalisten suchte. Nawalny war in seinem Wesen als Populist schon immer gut darin, Positionen anzunehmen, die ihm eine Menge an Unterstützung einbringen. Damals waren es menschenverachtende Parolen, von denen er sich zwar inzwischen distanziert, für die er sich aber nie entschuldigt hat.

In einem Clip bezeichnet er sich als „diplomierten Nationalisten“ und ruft dazu auf, ebenfalls Nationalist zu werden. In einem weiteren setzt er kaukasische Terroristen mit Kakerlaken gleich und ruft zum Gebrauch von Schusswaffen auf. Zentralasiaten hält er für Kriminelle und empfiehlt deren Deportation. Es sind rassistische Äußerungen, die durchaus verfangen in der russischen Gesellschaft, in der solche Haltungen nur wenige schockieren. Es sind Äußerungen, deretwegen Amnesty International Nawalny nun den erst vor einem Monat selbst verliehenen Status des „gewaltlosen politischen Gefangenen“ wieder aberkannt hat.

Die Entscheidung ist richtig, weil die Menschenrechtsorganisation darin ihrem prinzipiel­len Ansatz folgt, dass ein solcher Gefangener keinen Hass geschürt haben darf. Und doch ist das Vorgehen auch fragwürdig, weil es denen in die Hände spielt, die Nawalny mit allen Mitteln diskreditieren und seine Lagerstrafe nach einem abstrusen Verfahren letztlich für richtig halten. Eine hochpolitische Strafe, die nichts anderes demonstrieren soll als: Wer so angstlos den Kreml kritisiert, wird weggesperrt.

Es ist vor allem fragwürdig, vor welchen Karren sich Amnesty International hat spannen lassen. Viele der Empörten über Nawalny – es sind Empörte aus Westeuropa – hätten sich auf Tweets einer Kolumnistin des vom Kreml finanzierten Auslandssenders Russia Today bezogen, heißt es. Des Senders, der sich als „schützende Armee für den russischen Staat“ sieht.

Die KGB-Methode der „reflexiven Kontrolle“ hat wieder einmal gegriffen: Der Gegner wurde auch hier zu Handlungen getrieben, die letztlich dem Kreml nutzen und nicht dem eigentlichen Opfer. Und ein Opfer von Russlands politischer Willkürjustiz ist Nawalny allemal, trotz seiner fragwürdigen politischen Positionen. Und nun auch ohne den Amnesty-International-Status.

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51 Kommentare

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  • Ich möchte das nicht nur bei Nawalny nicht sehen, ich wünsche keinem politischen Gefangenen irgendwo in der Welt, dass er von einer Menschenrechtsorganisation (AI oder sonstwer) ungefragt (!) "in Betreuung genommen" wird (oder wie auch immer man das ausdrücken soll), und dadurch Schaden erleidet, anstatt Nutzen zu haben. Inwiefern das jetzt ein Ausnahmefall ist, oder ob AI auch in anderen Fällen Gefangenen schon mehr geschadet als genutzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis, dazu verfolge ich deren Aktivitäten nicht genau genug.

    Die AI-Leitung hat jetzt in bezug auf den Nawalny-Fall ein internes Audit angekündigt, um zu klären, was und warum da schiefgelaufen ist. Also mal abwarten, was dabei rauskommt.

  • Danke für die Aufklärung! Wusste ich nicht. Ich bin auch schon mal einem Bären von RT aufgesessen, Thema Ukraine. Und dafür schäme ich mich.

    • @sachmah:

      Also dieser Artikel scheint Sie nun ehere verwirrt zu haben. Denn einen "Bären von RT" gab es hier nicht. Es wurde allein kritisiert, durch wen (!) die Info (diesmal) an die Protestierenden und letztlich zu AI kam. Die Inhalte hat niemand bestritten. Und an sich sind sie auch schon länger bekannt.



      Die Frage müsste also sein, warum AI vor einem Monat Nawalny den besonderen Status verliehen hat - nicht, warum es den Status jetzt wieder entzogen hat. Dass das passieren würde, sobald jemand nochmal in die Statuten guckt und ein paar Zitate liest, war ja klar.



      Die Frage könnte also lauten, wer nun AI vor einigen Wochen zu diesem ersten Schritt überredet hatte - der Kreml oder die Atlantiker.

  • Man braucht doch Amnestie International nicht, um feststellen zu können, dass die Inhaftierung Nawalnys mit Rechtsstaalichkeit nicht das Geringste zu tun hat. Schon die Anklage war nur ein schlechter Witz.

  • Die EU sollte nun ihren Irrtum einsehen und nicht länger Nawalnys Freilassung fordern.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Sie stehen auf Putins Gehaltsliste oder verzapfen sie den Blödsinn umsonst?

    • @Linksman:

      Das würde den Putin Apologeten so passen.

    • @Linksman:

      Aus welchem Grund? Nawalny mag ein Nationalist sein, ich muss ihn nicht gut finden. Aber er ist ein politischer Gefangener eines Systems, was sich völlig offensichtlich seiner Kritiker und sämtlicher erntszunehmender Opposition entledigt. Fernab jeglicher Rechtsstaatlichkeit.

      • @Deep South:

        Ja, Ja... Unter dem Motto, wie ein früherer US Präsident im Bezug zu einem Diktator mal sagte:..“ Er ist ein @$$H01€ aber er ist unser @$$H01€... “

        • @yurumi:

          Achja? Ist Nawalny ein "Diktator" und Mörder wie Garcia? Hat er vor einen Militärputsch in Russland zu veranstalten?

          Politkowskaja, Beresowksi, Nemzow, Chodorkowski oder Estemirowa. Alles rechte Dikatoren und Mörder?

          Oder wo sind genau die Gemeinsamkeiten dieses Vergleichs?

          Ein Autokrat wie Putin hat vielmehr mit dem von dir zitierten "@$$H01€..." zu tun, als es Nawalny je sein könnte.

          • @Deep South:

            .."Oder wo sind genau die Gemeinsamkeiten dieses Vergleichs?"



            Auszug aus Wikipedia (wobei diese Chronik sehr wohlwollend ist).. :



            .. "Von 1952 bis 1954 war Somoza aktiv an der Planung der CIA-Operationen Operation Fortune und Operation Success bzw. Operation PBSUCCESS beteiligt, die den Sturz des guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Arbenz Guzmán zum Ziel hatten. Die Invasionstruppe, die Arbenz im Juni 1954 stürzte, war in Nicaragua ausgebildet worden; u. a. auf einem Privatbesitz von Somoza, El Tamarindo."

          • @Deep South:

            Wie setzen auf dem falschen Pferd, wie damals bei den von ihnen erwähnten Person. Das will ich damit sagen. Die Einlassungen zu der Person Navalny haben Sie bereits von Navalny selbst in den Videos, dessen Positionen er nicht bestreiten und sich auch nicht distanziert oder bereut hat. So wie es auch AI beschreibt. Bei den Rest bin ich bei Ihnen.

            • @yurumi:

              Entschuldigung schon für die fehlerhafte Korrekture meines Handys.

          • @Deep South:

            Was ist @$$H01€...?

            • @sachmah:

              Das kommt nicht von mir. Es geht aber sicher um diesen hier:

              de.wikipedia.org/w...Somoza_Garc%C3%ADa

              Das (mutmaßliche) Zitat ist von Roosevelt.

              Das gesuchte Wort ist eine beliebte Wertschätzung gegnerischer Spieler in den Fankurven vieler Fußballstadien.

  • Welche der in Russland agierenden Parteien ist eigentlich nicht nationalistisch? Im Vergleich zu dem, was man von Putin und der Scheinopposition im Kreml geboten bekommt, ist Nawalny eher harmlos. Sein Nationalismus regt in Russland daher niemand auf. Der Euphemismus über das "Einsammeln russischer Erde" stammt nicht von ihm, sondern von der Staatspartei Vereinigtes Russland.



    Unabhängig davon sollte man sich fragen, weshalb jemand von Staats wegen verfolgt wird. Die Zeitschrift Osteuropa nahm die Urteile gegen Nawalny einmal genauer unter die Lupe: www.zeitschrift-os...h-des-strafrechts/



    Nicht wegen Extremismus wurde Nawalny verurteilt, sondern weil er das Machtmonopol der Partei Einiges Russland gefährdet und damit Putins Alleinherscheranspruch herausfordert.

    • @Galgenstein:

      Danke für den verlinkten Artikel! Insbesondere die akribische Aufdröselung des Kirovles-Prozesses durch Herrn Luchterhand ist beeindruckend. Eine heroische Tat. Das sollte man jetzt jedes Mal verlinken, wenn wieder mal jemand behauptet, Nawalny habe 2009 einen ganzen Wald geklaut.



      Noch wichtiger ist das, was Sie zum Thema Nationalismus in Russland anmerken. Ich stimme Ihnen vollkommen zu.



      Viele hier reden immer vom Nationalisten Nawalny, vom Faschisten Nawalny, und (so mein Eindruck) kaum einer, der das tut, spricht auch nur ein Wort Russisch. Dass das alles Leute sind, die für ihren Beitrag 15 Rubel (oder 15 Euro) kriegen denke ich nicht (nun gut, manchmal schon). Aber wenn man kein Russisch spricht und trotzdem mitreden will, ist man halt auf die Bröckchen angewiesen, die, auch welchem Wege auch immer, ins Deutsche rüberschwappen.



      Irgendwann in der Zukunft wird es mal ein interessantes Thema für eine kommunikationswissenschaftliche Dissertation sein, zu untersuchen, auf welchen Wegen und Umwegen genau die russische Mär vom Faschisten Nawalny aus Prigozhins Trollfabrik in die deutschen Medien und von dort in die Köpfe von Teilen der deutschen Linken (und nicht nur dorthin) gelangt ist.



      Also schauen wir doch mal: Nationalismus. Was sagt denn nun Herr Nawalny selbst? Ich erlaube mir mal ein Langzitat aus dem 2015 auf Russisch und Polnisch erschienenen Band: „Michnik, Nawalny, Dialoge.“ Das Buch gibt es seit Kurzem auch in englischer Übersetzung: „Opposing Forces: Plotting the new Russia.“ (aktuell nur als E-Book bei Amazon, Printausgabe soll folgen). Ich kann nur jedem, der den Politiker Nawalny wirklich verstehen will, empfehlen dieses Buch zu lesen. Verstehen heißt ja nicht, einverstanden sein.



      (Liebe TAZ, ich hoffe ein extensives Vollzitat ist im Sinne der Wahrheitsfindung erlaubt. Herrn Nawalny kann man aktuell nicht fragen, Herr Michnik dürfte nichts dagegen haben, und die Übersetzung ist von mir).

      • @Barbara Falk:

        Danke für ihr Ausführliches Textzitat. Die deutsche Literatur zu Russland krankt immer ein wenig daran, dass sie vieles für bare Münze nimmt, was der Kreml so von sich gibt und nichts kritisch hinterfragt, so z.B. den Faschismusvorwurf. Eigentlich bezeichnet Faschismus ja eine antiparlamentarische, nationalistische, dem Führerprinzip unterworfene Bewegung. Das ist die deutsche Definition.



        Von Russland wird dieser Begriff als Synonym für Feind verwendet und zwar für jede Art von Feind. Da sind dann die Ukrainer, die im Gegensatz zu den Russen tatsächlich frei wählen können, sogar einen jüdischen (Minister-)Präsidenten mit einem Male Faschisten. Diejenigen, die sich nach einer Alleinherrschaft Putins sehnen gelten hingegen als Antifaschisten. Absurd.



        Als weiteres Unikum insbesondere der deutschen Linken kann deren Affinität zu Putin gelten. Was an dem in Russland herrschenden System links sein soll, hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Manchesterkapitalismus würde besser zur Beschreibung des dort herrschenden Systems taugen.

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Barbara Falk:

        Sehr erhellend. Danke für die Beiträge.

      • @Barbara Falk:

        Auszug aus: Aus: Michnik, Naval‘ny: Dialogy. Moskva 2015.



        Teil 1



        Adam Michnik: In Europa hält man dich für einen Nationalisten. Erläutere bitte deine Position diesbezüglich.



        Alexej Nawalny: Auch in Russland halten mich viele für einen Nationalisten. Das sind die Leute, die gern friedlich in einer Welt voller ideologischer Schubladen leben. Es gibt Themen, die sind in liberalen Kreisen praktisch Tabu. Zum Beispiel, Probleme mit der Einwanderung. Ich denke, dass Russland eine Visumspflicht für die Staaten Mittelasiens einführen muss, und die Arbeitsmigration strikt kontrollieren.



        Michnik: Aktuell gibt es keine Visumspflicht?



        Navalny: Nein. Und mein ganzer Nationalismus in dieser Frage besteht darin, dass wir so eine Pflicht brauchen, nicht zuletzt auch, um die Rechte der Migranten zu wahren. Denn wenn wir die Zuwanderung auf die Weise kontrollieren, sind Einwanderer gezwungen, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen und eine Krankenversicherung. Aktuell haben wir eine komplett chaotische Situation. Wenn so ein illegaler Migrant auf dem Bau eine Hand verliert, was tut er? Elend verrecken, keiner behandelt ihn. Russland muss da … Instrumente nutzen wie Arbeitsvisa und Quoten.



        [Und weiter] besteht mein Ansatz darin, dass man mit den Nationalisten reden muss (…) Nationalisten in Russland haben sehr häufig überhaupt keine klare Ideologie. Sie sehen diese allfällige, allgemeine Ungerechtigkeit, und ihre Antwort darauf ist Aggression gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, oder anderen Augen. Ich halte es für wichtig, ihnen zu erklären, dass man das Problem der illegalen Migration nicht dadurch löst, dass man Migranten verprügelt, sondern mit völlig anderen, demokratischen Mitteln: Die Rückkehr zu echten Wahlen, mit deren Hilfe wir die Gauner und Diebe verjagen können, die aktuell von der illegalen Migration profitieren...

        • @Barbara Falk:

          Auszug aus: Aus: Michnik, Naval‘ny: Dialogy. Moskva 2015.



          Teil 2



          … Ich habe schon viele Anstrengungen [auf diesen Dialog] verwendet. An irgendeinem Punkt hat der russische Nationalismus sogar schon einmal begonnen, sich in die Richtung eines Konservatismus‘ europäischen Typs zu entwickeln. Leider hat Putin diese Entwicklung zerstört, und der imperiale Nationalismus ist erneut zum Mainstream des russischen Nationalismus geworden. Ich habe reichlich nationalistische Versammlungen besucht, bin auf die „Russischen Märsche“ gegangen. Dafür beschimpfen mich in Russland viele, und stellen mich als Faschisten dar, aber bis 2014 waren dort nie … Losungen über die Krim oder die Ukraine zu hören. Die Krim stand nicht auf der Tagesordnung der Nationalisten. Ernsthaft diskutiert wurde dort beispielsweise die Wahrung der Rechte von Russen in Usbekistan, oder Tschetschenien.



          Michnik: Auch [der Russen] im Baltikum?



          Nawalny: Vorrangig, was die Sprache angeht. Denn alle haben verstanden, dass die Russen in Estland z.B. nie mehr nach Russland zurück wollen, selbst die nicht, die erzählen, wie sehr sie Putin lieben. In nationalistischen Kreisen herrschte damals ein absoluter Konsens darüber, dass das Hauptproblem der Russen der Zustand des heutigen Russland ist – der Bevölkerungsrückgang, der Alkoholismus, die niedrige Geburtenrate, und so weiter. Und dass diese Probleme mit innenpolitischen Maßnahmen gelöst werden müssen, nicht mit außenpolitischen. (…) Doch für viele Liberale war die nationale Agenda marginal. Und infolgedessen hat Putin [mit der Annektion der Krim] erfolgreich ein fundamental anderes Projekt, ein imperiales, angeboten und diese Leute [die Nationalisten] kooptiert. Wir haben den Kontakt zu ihnen verloren ...

          • @Barbara Falk:

            Auszug aus: Aus: Michnik, Naval‘ny: Dialogy. Moskva 2015.



            Teil 3



            ...In den Jahren 2011-2013 sind die Nationalisten mit uns auf die Protestveranstaltungen gegangen. Sie haben die Idee mit unterstützt, dass alle das Recht bekommen müssen, sich zur Wahl stellen zu dürfen. Sie sind mit der Losung „Für die Demokratie“ angetreten, haben sich für eine Justizreform eingesetzt, über die Unabhängigkeit der Medien. Ja, ich weiß, sie wirken etwas seltsam, und die Geschichte ihrer Äußerungen ist oft erschreckend. Aber bis heute bin ich der Ansicht, dass man mit ihnen im Gespräch bleiben muss. Ansonsten werden sie vom Regime sehr einfach umgepolt auf das Projekt „Wir erobern die Welt“. Die äußere Expansion, die Konfrontation Russlands mit Amerika und Europa, ist erneut zur wichtigsten Idee des russischen Nationalismus geworden.



            Und dieser imperiale Nationalismus ist unter allen Spielarten des Nationalismus die schädlichste und gefährlichste. Man muss ihn bekämpfen. Aber man muss auch begreifen, dass da stattdessen kein Vakuum sein darf. Es gibt nun mal immer einen konservativen Teil der Bevölkerung, einen national gesinnten, und dem muss man eine alternatives Projekt anbieten: Einen bürgerlichen Nationalismus, der nicht auf physischer Ähnlichkeit und dem Gefühl nationaler Überlegenheit beruht, sondern auf einer Einheit bei den bürgerlichen Rechten und Freiheiten, auf der realen Möglichkeit, gemeinsam das Schicksal unseres Landes zu bestimmen. Ich habe darin viel Arbeit investiert und hoffe, dass ich den Dialog wieder herstellen kann. Obwohl ich bislang, ehrlich gesagt, außer persönlichen Imageverlusten nicht viel erreicht habe. Die Liberalen nennen mich einen Nationalisten, und die Nationalisten – einen Liberalen. Und überall bin ich die „fünfte Kolonne“ (...)

            • @Barbara Falk:

              Einfacher und kürzer wäre es gewesen, wenn Sie uns den lediglich den Link dazu mitgeteilt hätten.

              • @yurumi:

                Ich finde es gut, lieber hier als Links klicken

              • @yurumi:

                Naja, ich zum Beispiel kann mit polnisch- und russischsprachigen Links herzlich wenig anfangen

  • Nawalny selbst kann sich ja nicht äußern, aber vor ziemlich genau zehn Jahren gab es in Russland schon mal eine ähnliche Situation.

    Da hat die Rechtsabteilung von Amnesty International gaaanz lange geprüft und geprüft, und dann gesagt, man könne Michail Khodorkovsky nicht als "Prisoner of Conscience" anerkennen. Weil man nur Menschen als solche anerkenne könnte, von denen man absolut sicher sein könne, dass sie nichts, aber auch gar nichts von dem getan haben, wofür sie im Gefängnis sitzen. Und man können nach eingehender Prüfung nicht ausschließen, dass Mikhail Khodorkovsky nicht irgendwie doch Steuern hinterzogen habe.

    Herr Nawalny kommentierte das 2011 wie folgt: "Ich werde Amnesty International jetzt an den Schandpfahl nageln, wegen politischer Prostitution und Heuchelei. Was seid ihr schändlich.".

    Prophetische Worte.

    Frau Hartwig formuliert in der Überschrift ungenau: Nawalny wurde der Status nicht "nicht zuerkannt", sondern am 17. Januar zuerkannt und jetzt, auf Druck einer von Russia Today koordinierten Verleumdungskampagne, wieder aberkannt. Das ist etwas anderes. In den russischen Staatsmedien tönt jetzt auf allen Kanälen: "Amnesty International, die renommierte internationale Instanz für Menschenrechtsfragen, hat amtlich festgestellt, das Alexej Nawalny ein Faschist ist."

    Amnesty erhebt den Anspruch politische Gefangene zu schützen, Nawalny haben sie jetzt massiv geschadet. Die Ankündigung, sich jetzt "weiter für ihn einzusetzen", klingt da fast wie eine Drohung, er selbst legt darauf sicher keinen Wert (s.o.). In den letzten Tagen haben mehrere russische Oppositionelle offene Briefe an Amnesty geschickt mit der Aufforderung, im Falle ihrer Verhaftung von einer "Betreuung" abzusehen.

    • @Barbara Falk:

      Navalny hat sich selbst geschadet. Nicht Amnesty international. Er ist so vielen verschiedenen Facetten durchlaufen, letztens die Geschichte mit dem Zitat aus der Bibel, dass er größtenteils als Opportunist dasteht.



      Nur weil Amnesty diesmal nicht Ihrem Gusto entspricht, deuten Sie an, diese hätte sich Prostituiert. Bei Navalny möchten Sie das nicht sehen.



      Mir ist tausendmal lieber Amnesty wegen ihres ehrlichen Engagement auf der ganzen Welt, als ein Navalny, der wie ein Chamäleon agiert.

      • @yurumi:

        Ich möchte das nicht nur bei Nawalny nicht sehen, ich wünsche keinem politischen Gefangenen irgendwo in der Welt, dass er von einer Menschenrechtsorganisation (AI oder sonstwer) ungefragt (!) "in Betreuung genommen" wird (oder wie auch immer man das ausdrücken soll), und dadurch Schaden erleidet, anstatt Nutzen zu haben. Inwiefern das jetzt ein Ausnahmefall ist, oder ob AI auch in anderen Fällen Gefangenen schon mehr geschadet als genutzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis, dazu verfolge ich deren Aktivitäten nicht genau genug.

        Die AI-Leitung hat jetzt in bezug auf den Nawalny-Fall ein internes Audit angekündigt, um zu klären, was und warum da schiefgelaufen ist. Also mal abwarten, was dabei rauskommt.

    • @Barbara Falk:

      Sehr gut

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Mein Eindruck ist, dass nach deutschen Maßstäben Nawalny nicht in der AfD wäre, weil sie ihm zu links ist. Wir sollten endlich aufhören, uns in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. Schon im Ukrainekonflikt stand die EU hinter Leuten, die man hier Faschisten nennen würde.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @05838 (Profil gelöscht):

      Die Einmischung der Alliierten in Deutschland und die Unterstützung einer Regierung Adenauer, die auch aus moderaten Faschisten bestand, war ein Segen für die Welt

      • @4813 (Profil gelöscht):

        Es mag sein, daß das ein Segen für die Welt war. Die Interesse der USA, auch wirtschaftlich, waren damals auch im Mittelpunkt. Jedoch die Einmischung der USA in ganz Südamerika mit der Einsetzung von Militär-Diktaturen (Operation Condor) oder z. B. Irak, war und ist kein Segen für die Welt.

  • AI verwirrt mich. Chelsea Manning und Julian Assange waren bzw. sind auch keine "Prisoner of Conscience". Ich bin also davon ausgegangen, AI feiere einen immerwährenden Gegenteil-Tag.

    Im Fall Nawalny legen sie jetzt wieder objektive Maßstäbe an. Sehr seltsam.

    • @dumpfisttrumpf:

      Wenn man den aktuellen Streich von Wowan und Lexus anschaut, wird's klarer: verladen werden diesmal die Generalsekretärin von Amnesty International und die Osteuropa-Direktorin. Fröhlich sprechen die beiden darüber, wie sie Nawalny absichtlich bevorzugen und bei der Propaganda mithelfen.

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Es ist schwierig.

    Beim Fall Skripal in GB fand ich die Argumentation der russischen Regierung noch überzeugend: Der russische Botschafter hat das Recht nach dem WÜK einen russischen Staatsangehörigen aufzusuchen, außer wenn letzterer "ausdrücklich Einspruch dagegen erhebt."



    twitter.com/russia...975753239470764032



    Und eine Videobotschaft der Tochter halte ich nicht ausreichend für beide.

    Im Fall Nawalny in RUS halte ich es aber mit Erich Schmidt-Eenboom: "Die gelegentlich gestreute Vermutung, der Giftanschlag auf Nawalny sei ohne Wissen Putins erfolgt, ist wenig plausibel. Einen solchen Kontrollverlust des Kremlchefs über seine Nachrichtendienste in einer Angelegenheit von weltpolitischer Tragweite gibt es schlicht nicht."



    heise.de/-4892681

    Mir ist Nawalny nicht sympathisch, aber so unbedeutend kann er nicht sein als Politiker, wenn man ihn trotzdem einsperrt.

    Anna Politkowskaja "In Putins Russland" (2004) und Adam Curtis "Can't Get You Out of My Head" (2021) empfehle ich in diesem Zusammenhang. Auch wenn ich bei der Krim und bei MH17 die russische Argumentation für die bessere halte.

  • AI hat sich zuvor auch schon mehrfach vor den Karren des Wertewestens spannen lassen und sich, genau wie Greenpeace in die hier übliche antirussische Propagandaschiene eingereiht.

    Hier gibt es jetzt mal eine einzige Ausnahme und schon ist das Geschrei groß. Wahrscheinlich wird die AI-Entscheidung sowieso wieder kassiert, damit das einseitige Weltbild stimmt. Der welt- und systemumspannenden Neutralität, der sich eine Organisation wie AI eigentlich verpflichtet fühlen sollte, wäre damit nicht gedient.

    Nawalnys nationalistisch-rassistische Äußerungen sind seit langem bekannt, was die Russlandgegner nicht daran hinderte, ihn zur Galionsfigur ihrer Regime-Change-Bestrebungen zu machen. Auch die Unterschlagungen von Geldern und Steuerbetrügereien, wegen derer Nawalny ursprünglich angeklagt war, wären unter anderem Vorzeichen Grund genug, so eine Person für inakzeptabel zu erklären.

    Auch bei der Timoshenka hätte der Westen vorher ein bisschen besser hinschauen sollen. Wer das eigene Volk um viele Millionen in die eigene Tasche betrügt und sich nach der maidanbedingten Freilassung mit Worten disqualifiziert, konnte dann doch nicht Präsidentin werden.

    • @Khaled Chaabouté:

      Wieso bezeichnen Sie Putin-Gegner als "Russlandgegner"? Putin ist nicht Russland.

      • @Barbara Falk:

        Khaled hat Putin nicht erwähnt. Meinem Sie, für Navalny zu sein ist mit 'für Russland zu sein' gleichzusetzen. Definitiv nicht.



        By the Way: Ein Navalny ist noch weniger Russland... Das wäre wie der Teufel durch Belzehbu zu tauschen.

        • @yurumi:

          Und ich habe in meiner Rückfrage an Khaled Nawalny nicht erwähnt.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Deutschland unterstützt Nawalny.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Warum nur?

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Dodoist:

        Weil er gegen Putin ist?

        • @05838 (Profil gelöscht):

          Wenn jemand gegen einen bösen Mensch ist, ist er selbst nicht zwangsläufig gut. Erdogan ist z.B. gegen Assad...

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Nein. Nicht das ganze Land. Nur ein Teil.

  • Naja... AI hat sich ja des öfteren schon mal politisch instrumentalisieren lassen..

    • @vergessene Liebe:

      Aber bestimmt nicht von Russland :-)

  • Wenn das einzige Argument ist, das nützt Russland, wird es sehr dünn. Die Regel von AI ist ja berechtigt. Und der Westen hat selbst, siehe Assange, dermaßen viel Dreck am Stecken, dass, wenn diese Argumentation verfängt, die Glaubwürdigkeit gegen null geht.

  • Nawalnys Film ist eine Computeranimation, die Fotos auf seiner Homepage offensichtlich mit Photoshop erstellt, er hat gegen Bewährungsauflagen verstossen und die Geschichte mit seiner Vergiftung ist extrem undurchsichtig (um es höflich zu sagen).

    Kann mir bitte jemand erklären, weshalb um diese Person ein solcher Rummel gemacht wird? Die grösste Oppositionspartei in Russland sind die Kommunisten. Nawalny ist nur in seinem eigenen kleinen Verein beliebt, ansonsten spielt er in der russischen Politik kaum eine Rolle.

  • Ich würde Prisoner of Conscience als Gefangener aus Gewissensgründen übersetzen, ein "gewaltfrei" kann ich da schwer reininterpretieren. Mal abgesehen davon, dass 15 Jahre alte Aussagen heranzuzuziehen seltsam ist.

  • Nawalnys nationalistische Vergangenheit ist lange bekannt, somit ist es eine Schande, dass Ai dies vor einem Monat nicht berücksichtigt hat und sich dann vom Kreml instrumentalisieren lässt und allen politischen Gefangenen in Russland damit extrem schadet. Ein enormer Imageschaden für Ai und ein "Fuck you" an alle ehrenamtlichen Helfer von unfähigen Vereinsfunktionären. Echt traurig.

    • @Dorian Müller:

      Nawalny hat doch keine “nationalistische Vergangenheit”. Er hat sich von seinen Nazisprüchen nie distanziert. Sein Video, in dem er zum Mord aufruft, ist in seinem eigenen Kanal immer noch online.

      Nawalny hat eine Neonazi-Gegenwart.