Björn Höcke im Sommerinterview: Forum für einen Faschisten

Der MDR lädt den AfD-Politiker Höcke zum Sommerinterview. Was zeigt das? Die fehlende Lernfähigkeit im Sender.

Björn Höcke mit anderen Leuten im Fernsehstudio

Björn Höcke nach den thüringischen Landttagswahlen 2019 im Fernsehstudio Foto: Carsten Koall/Getty Images

BERLIN taz | Die rechtsextremen Positionen Björn Höckes zeigen Wis­sen­schaftler:innen schon seit Jahren auf. Im September 2019 ließ das Verwaltungsgericht Meiningen die Bezeichnung „Faschist“ für den Thüringischen AfD-Landtagsfraktions- und Landesvorsitzenden im Rahmen der Meinungsfreiheit zu. Im März 2020 sah das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Höcke eine der „rechtsextremen Führungspersonen“ im ehemaligen „Flügel“.

Keine dieser Bewertungen konnte den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) mit seiner Intendantin Karola Wille beeindrucken. Am Dienstag um 11 Uhr lud der Sender den Rechtsextremisten zum „Sommerinterview“, das live über Youtube und Facebook verfolgt werden konnte. In der gut eine halbe Stunde langen Sendung fragte Lars Sänger durchaus nach.

Der Journalist wollte von Höcke wissen: Ob er sich im Bundesvorstand der Partei vor der Verantwortung drücke, da er nicht kandidiert hatte. Ob der „Flügel“ wirklich aufgelöst sei. Ob es nicht unpassend sei, zu einer Querdenker-Demo aufzurufen wenn NPD und Der Dritte Weg mitaufriefen. Ob er unter einem Pseudonym für rechtsextreme Zeitungen geschrieben habe oder ob ihn die AfD noch lange halten könne?

Fragen, die Höcke nicht verlegen machten, zum Teil weil er sie schlicht nicht beantwortete. In weißem Hemd und blauer Hose antwortete er meist gelassen, betonte, dass der Landesverband durch seine Politik die AfD-Bundespolitik vorantreibe. Erklärte, dass die „Gesinnungsgemeinschaft“ des Flügels keine Organisation sei, aber die Personen noch immer in der Partei seien – sowie dass bei Demonstrationen alle sich gemein machen könnten, nur bei Verstoß gegen Auflagen könne eingeschritten werden.

Kritik im Vorfeld der Sendung

Bei dem Gespräch aus dem Foyer des Funkhauses in Erfurt gerieten Sänger und Höcke nur aneinander, wenn Sänger nachfasste oder Höcke ausholen wollte. Bei Fragen zu Parteikonflikten wiegelte Höcke ab, Parteien seien eben leider Parteien. Nicht die AfD-Querelen seien das Problem in Deutschland, sondern die „Gott-Kanzlerin Merkel“, die auch mit der Rückabwicklung der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten der Demokratie schweren Schaden zugefügt habe.

Bei fast jeder Frage zur AfD oder zur Causa Andreas Kalbitz erklärte Höcke, dass die AfD aus der Selbstbeschäftigung herausfinden müsse. Um erst auf Nachfrage zu betonen, dass der Rauswurf von Kalbitz, seines engen Mitstreiters, ein Fehler sei und die Parteibasis die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen würde.

Auf Fragen zur Beobachtung durch das BfV sagte Höcke, die Menschen hätten andere Sorgen, nämlich die Maßnahmen gegen die Pandemie und die Zuwanderung. Der Verfassungsschutz sei eine Skandalbehörde, was das völlige Versagen bei RAF und NSU gezeigt habe. Dass sich der Bundesvorstand der AfD beim Rauswurf von Kalbitz auf das BfV bezog, hält er denn auch „für einen Fehler“.

Im Vorfeld der Sendung war Kritik laut geworden. Der Redaktionsleiter des ARD-Politikmagazins „Monitor“, Georg Restle, hinterfragte früh die Einladung Höckes durch den MDR. Der Grundsatz der Ausgewogenheit, meinte er gegenüber der Zeit, habe Grenzen. Sie lägen da, „wo es um Parteien oder Politiker geht, die unseren demokratischen Freiheiten und Grundrechten feindlich gegenüberstehen“. Personen wie Höcke haben für Restle „keinerlei Anspruch darauf, sich im Rahmen eines Sommerinterviews präsentieren zu können“.

Der MDR aber ließ Höcke gewähren: Er konnte seine antiparlamentarischen Positionen und rassistischen Ressentiments darlegen. Die kritischen Nachfragen dürften die rechtsradikale Anhängerschaft in ihren Einstellungen zur „Lügenpresse“ nur bestätigt haben.

Am Dienstagabend (25.08.2020) sendet der MDR Teile des Interviews im „MDR Thüringen-Journal“ ab 19 Uhr.

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