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taz-Serie NachtzugkritikSchlafen super, koten verboten

Mit dem Nachtzug zwischen Paris und Nizza kommt man klimafreundlich an die Côte d’Azur. Aber die Toiletten sind unterirdisch.

Paris – Nizza: Fahren mit dem Nachtzug wie Gott in Frankreich Foto: Cyril Zannettacci/VU/laif

Paris/Nizza taz | Wer tagsüber mit der Bahn etwa von Berlin an die Côte d’Azur fährt, sitzt lange im Zug und kommt spät an: Die Fahrt geht zum Beispiel gegen 8 Uhr los und endet erst nach rund 15 Stunden sitzen gegen 23 Uhr. Wer dagegen den ICE oder den französischen TGV mit dem Nachtzug Paris–Nizza kombiniert, kommt schon kurz nach 9 Uhr morgens an und muss nur 8 Stunden sitzen.

So lange braucht man von Berlin mit dem ICE oder TGV bis zum Pariser Ostbahnhof. Im Zug sollte man schon ein Ticket für die Metro kaufen, die einen dann binnen weniger Minuten zum Bahnhof Austerlitz bringt, wo der Nachtzug startet. Wer das Metroticket erst im Bahnhof erwirbt, spart zwar ein paar Cent, muss aber regelmäßig in einer langen Schlange vor den wenigen Fahrkartenautomaten warten. Zu empfehlen ist leichtes Gepäck, denn die meisten Metrostationen haben immer noch keine Fahrstühle oder Rolltreppen.

Gegen 21 Uhr fährt der Intercités de Nuit vom Gare d’Austerlitz los. In der zweiten Klasse gibt es Sitzplätze (am billigsten) und Abteile mit jeweils sechs Liegen, die zumindest für den Autor weder zu hart noch zu weich waren. In der ersten Klasse müssen sich nur vier Personen ein Abteil teilen. Mit einem Ticket dieser Luxusklasse darf man nach der Rückfahrt morgens im Bahnhof Paris-Austerlitz auch kostenlos duschen.

Auf jeder Liege finden sich ein leichter Schlafsack, ein Kissen und zum Beispiel eine Flasche Wasser sowie Ohrstöpsel. Die Abteile sind klimatisiert, was im Sommer gerade für die Passagiere auf den oberen Liegen super ist. In manchen Waggons gibt es an jeder Liege eine Steckdose, an der sich Handys laden lassen, aber die dummerweise eine Beleuchtung haben, die sensible Schläfer stört. Andere Waggons haben Steckdosen nur auf dem Gang und in den Waschräumen oder Toiletten. Der Zug hat zwar WLAN, aber weder auf der Hin- noch auf der Rückfahrt funktionierte der Internetzugang.

taz-Serie Nachtzugkritik

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Denn viele Ange­bote sind kaum bekannt. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden.

Alle vorherigen Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.

Man kann in diesem Zug vergleichsweise gut schlafen, denn nach der Abfahrt in Paris steigt bis zum ersten Halt in Marseille um 6.27 Uhr niemand zu oder aus. Zudem rollen die Waggons recht sanft über die Gleise.

Die Abteile lassen sich verriegeln. Wertsachen sollte man unten in seinem Schlafsack oder in der Hose verstauen. Für Frauen gibt es übrigens extra Abteile, die sich ohne Aufpreis reservieren lassen.

Am Morgen wacht man dann in Südfrankreich auf: Weinstöcke, Berge, die Sonne des Südens direkt vor dem Zugfenster! Der Schaffner verkauft zum Beispiel Kaffee, aber beispielsweise in der Nähe des Hauptbahnhofs in Nizza oder auf dem Boulevard de l’Hôpital nahe Paris-Austerlitz sind Cafés, die bessere Frühstücksangebote haben.

Aus- oder zusteigen kann man ebenfalls in Toulon, Les Arcs-Draguignan, St-Raphaël-Valescure, Cannes und Antibes. Wer zum Beispiel eine Woche in Nizza war, kann morgens nach ­Antibes fahren, den Tag am im Vergleich zu Nizza viel schöneren Strand verbringen und um 19.30 Uhr den Nachtzug besteigen, der circa 8 Uhr in Paris ankommt.

Der Komfort dieses Zugs wäre super, wenn da nicht die Sache mit den Toiletten wäre: Ein Fallrohr leitet alles, was ins Klo kommt, direkt aufs Gleisbett. Ja, auch Kot! Es sei denn, der Wasserstrahl ist mal wieder so schwach, dass das Ganze gleich an der Öffnungsklappe hängen bleibt … Eine Sauerei, die man der stolzen französischen Staatsbahn SNCF im Jahr 2022 nicht zugetraut hätte. Dabei sind die Waggons dem Anschein nach sehr wohl in diesem Jahrtausend neu eingerichtet worden. Und dann war auf der Hinfahrt am Morgen auch noch das Klopapier alle. Tipp: besser vor und nach der Fahrt auf Toilette gehen.

Tickets werden ab 29 Euro pro Weg zum Beispiel auf der Buchungsseite der SNCF verkauft, die auch eine Version auf Deutsch hat. Je nach Reisetag kann die Fahrt aber auch zum Beispiel 59 oder 69 Euro kosten.

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17 Kommentare

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  • Unbequem wird die Reise dadurch, dass der Direktzug Frankfurt (ab 13:57) - Marseille dort um 21:48 endet, während der letzte Zug Marseille um 20:27 nach Nizza abfährt. Eine frühere Abfahrtszeit in Frankfurt würde auch Anschlüsse nach Barcelona ermöglichen (Abfahrt in Lyon 16:36, der Zug aus Frankfurt kommt erst um 20:06 in Lyon an).

    Momentan muss man spätestens um 09:46 in Berlin abfahren, um den direkten Zug von Frankfurt nach Marseille zu erreichen. Eine um 3 1/2 Stunden frühere Abfahrt (ab Frankfurt gegen 10:30, Anschluss von Berlin dann gegen 6 Uhr mit einer halben Stunde Reserve zum Umsteigen) brächte vielen Reisenden Verbesserungen. Ein paar Halte und Umwege Mulhouse, Strassbourg, Frankfurt Hbf. statt Süd) könnte man auch noch einsparen.

    Die Bahn behauptet, sie beobachte ständig den Bedarf, aber offenbar ohne Ergebnis.

  • Hab eben mal bei bahn.de gesucht:



    Fahrt 2. Klasse Berlin-Nizza:



    Von Berlin über Frankfurt/Main + Karlsruhe nach Paris: 9h



    Von Paris bis Nizza: 6h

    15h? Nee, dann lieber in ca. 2,5h geflogen für ca. 260€

    • @Juhmandra:

      keine Zeit? Oder nur zu weit weg, für das zur Verfügung stehende Zeitbudget?

    • 8G
      8190 (Profil gelöscht)
      @Juhmandra:

      jo, und mal eben wieder mal den Planeten (etwa Deiner?) ein bisschen mehr verbrutzeln.

  • Tip für den Bahnhofswechsel in Paris: Ich habe immer mein Klapprad dabei. Mitnahme im Zug kein Problem und man kommt entspannt mit Gepäck von einem Bahnhof zum anderen. Ohne die Unterirdische nutzen zu müssen.

  • Zitat: "Wer dagegen den ICE oder den französischen TGV mit dem Nachtzug Paris–Nizza kombiniert, kommt schon kurz nach 9 Uhr morgens an und muss nur 8 Stunden sitzen."

    Wie jetzt? 8 Stunden nur? Berlin - Paris und Paris - Nizza in jeweils vier Stunden? Paris - Nizza okay, aber Berlin - Paris wird wohl doch etwas mehr als vier Stunden dauern. ;)

    Ich würde sogar vermuten, bedingt durch das Nadelöhr NRW, und den voraussichtlichen Zwischenhalten Magdeburg, Hannover und Osnabrück, dass sogar von Berlin nach Paris MEHR als 8 Stunden benötigt wird.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Weger Magdeburg noch Osnabrück liegen auf der ICE-Strecke über Hannover, und beim Weg über Frankfurt nach Frankreich spart man sich auch Hannover.

    • @Troll Eulenspiegel:

      man muss nur 8 Stunden sitzen, weil man ab Paris liegen kann.

      Gern geschehen

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ich war auch zunächst verwirrt - die Lösung ist aber ganz einfach: das entscheidende Wort ist "sitzen".



      Auf der kürzeren Fahrt muss man 15 Stunden sitzen, während man auf der längeren Fahrt nur 8 Stunden sitzen muss; den Rest der Fahrt verbringt man im Liegen.

  • Ich bin gerade mit dem Nachtzug des neusten ICE-Modells in 6:30 Stunden von München nach Düsseldorf gefahren, sehr preisgünstig (68 Euro ab Budapest) auf einem Sitzplatz. Die Toiletten sehr sauber und state of the art (aufs Gleisbett, igitt igitt, das gibt es doch schon seit Jahrzehnten nicht mehr in D), Ladesteckdose an jedem Doppelsitz, WLAN schnell, HD streaming problemlos möglich. Lediglich über die Kuscheligkeit der Sitze (nicht verstellbar und sehr hart) lässt sich streiten. Ach ja, und auf die Minute pünktlich. Da meckere noch einer über die Deutsche Bahn :-) Nur die Sache mit dem Ruhebereich, das scheinen einige Zeitgenossen als Aufforderung zu verstehen, besonders laute und dauerhafte Konversation mit ihrem Handy zu betreiben.

  • Direkt ins Gleisbett? - Das ist für die Mitfahrenden erstmal kein Problem. Man möchte nur nicht Anwohner sein.



    Die Älteren werden sich auch erinnern- das war auch der Standard in der Bahn als sie noch nicht Deutsche Bahn hiess. Mit dem Hinweis, dass man beim Aufenthalt in den Bahnhöfen doch bitte die Toilette nicht benutzen sollte. Sonst viel es vor der Augen der am Bahnsteig Wartenden herunter....

    • @fly:

      Die "Anwohner" wirds wenig stören, denn in unmittelbarer Nähe des Gleisbetts wohnt niemand, die Ausscheidungen verteilen sich bei der Geschwindigkeit eines fahrenden Zuges über eine weite Strecke und die Tierwelt der Umgebung freut sich über Nahrungsnachschub.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Das Toilettenpapier hatte sogar eine DB-Prägung, als das noch für "Deutsche Bundesbahn" stand!

      • @970 (Profil gelöscht):

        Drum stand da auch DBB...wir erinnern uns! DB kam erst in den 80ern. PS: Fallrohrtoiletten sind nie verstopft oder voll- von daher hat jeder Nachteil nen Vorteil. Nicht so wiue bei den modernen Wagen wo man den Zug durchlaufen muss bin man n funktionierendes Klo findet

        • @Lena Hochstädter:

          "Fallrohrtoiletten sind nie verstopft oder voll- von daher hat jeder Nachteil nen Vorteil. "

          Ja, aber ab so ca. 120 km/h kann das Ganze auch wieder hochgedrückt werden. Die Fallrohrtoiletten waren im Winter auch immer so schön temperiert.

        • @Lena Hochstädter:

          Das Logo der Deutschen Bundesbahn war immer DB, nie DBB.

          • @Francesco:

            Tatsächlich. Danke- ich hatte es mit der ÖBB verwechselt. Aber erinnerlich ist mir noch, daß damals eine Werbefirma , ich glaube 10 Millionen Mark bekommen hat für die Umgestaltung des Logos in rot-