Neue Nachtzugverbindung nach Schweden: Premiere mit Hindernissen
Nach fast drei Jahrzehnten gibt es wieder eine ganzjährige Nachtzugverbindung zwischen Deutschland und Schweden. Doch der Start verläuft holprig.
Das wollte man ursprünglich angemessen feiern. Doch dann verzichtete man lieber auf Musikkapelle und feierliche Reden. Der Start war nämlich etwas bescheiden. Zwar machte sich der Premierenzug des Euronight 497 am 1. September pünktlich um 17.34 Uhr von Stockholm-Central auf die 13 Stunden lange Reise nach Deutschland auf den Weg. Und gut vier Stunden später startete in der Gegenrichtung auch der EN 496 von Hamburg-Altona für die 1.150 Kilometer lange Fahrt in die schwedische Hauptstadt. Doch der eine bestand gerade einmal aus drei dunkelblau lackierten Liegewagen, der andere gar nur aus zwei. Und an diesem bescheidenen Angebot wird sich vermutlich auch in den ersten Wochen nichts ändern.
Ein Nachtzug ohne Schlaf- und Sitzwagen? Das war natürlich ganz anders geplant. Aber so wurde die neue Euronightverbindung gleich zu einem Musterbeispiel für die nach wie vor bestehenden bürokratischen Hindernisse im grenzüberschreitendem europäischem Bahnverkehr.
SJ hatte 2021 die von der schwedischen Verkehrsbehörde aufgelegte Ausschreibung für einen neuen Nachtzugverkehr zwischen Stockholm und Hamburg gewonnen. Der schwedische Staat subventioniert diesen Verkehr teilweise. Eigenes Waggonmaterial konnte SJ dafür aber nicht einsetzen. Die schwedische Bahn hat ein anderes Lichtraumprofil als es ansonsten in den meisten europäischen Ländern gebräuchlich ist. Ihre Waggons sind etwas höher und breiter als bei der dänischen und deutschen Bahn. Außerdem bekam SJ keine Genehmigung für einen Zugverkehr in Deutschland.
Materialmangel
Für den Betrieb des EN 496/497 bedient man sich deshalb eines deutschen Partners, der diese Genehmigung hat: der deutschen Tochter des US-Unternehmens RDC, die beispielsweise Autozüge nach Sylt und Autoreisezüge zwischen Hamburg und Lörrach betreibt. Blieb das Problem des fahrenden Materials. Hierfür waren angesichts der Kürze der Zeit Neubestellungen illusorisch. Es blieb nur der Gebrauchtmarkt. SJ schaffte es tatsächlich, sich jeweils eine ausreichende Anzahl an je zwei Modellen von Sitz-, Liege- und Schlafwagen zu sichern. Doch im Sommer stellte sich heraus, dass der erforderliche Umbau von gebrauchten Schlafwagen, die man von der österreichischen ÖBB erworben hatte, wegen fehlender Komponenten nicht rechtzeitig fertig werden würde.
Sowohl für die als vorläufigen Ersatz gedachten Schlafwagen, die RDC im Sommer zwischen Salzburg und Sylt eingesetzt hatte, wie für alle Sitz- und die restlichen Liegewagen gab es dann bürokratische Probleme. Zwar erteilten Schweden und Deutschland die Betriebserlaubnis, nicht aber Kopenhagen für die Transitstrecke durch Dänemark. Eigentlich weise die transeuropäische RIC-Zulasssung der Waggons nach, dass sie die technischen Voraussetzungen erfüllen, um im gesamten europäischen Bahnnetz eingesetzt werden zu können, sagt Olofsson: „Es ist deshalb merkwürdig, dass die dänischen Vorschriften sowohl dem vierten Eisenbahnpaket der EU, wie dem RIC-Abkommen widersprechen.“ Konkret gebe es Differenzen um Brandschutzvorschriften zwischen der dänischen Verkehrsbehörde und der Europäischen Eisenbahnagentur ERA. Nun hofft man, dass letztere möglichst bald die von Dänemark gewünschten individuellen Genehmigungen für jeden Waggon erteilt.
Kein Anbieter für die Strecke zwischen Malmö und Brüssel
Bis dahin erhalten Reisende, die die in den kommenden Wochen fehlenden Plätze gebucht haben, ihr Geld zurück. Für die ersten Tage wurde von SJ auch ein paralleler Busbetrieb eingerichtet. Und bis auf Weiteres kann die Verbindung überhaupt nicht neu gebucht werden.
Ursprünglich war von der schwedischen Regierung neben der Route zwischen Stockholm und Hamburg auch die Aufnahme einer weiteren Nachtzugverbindung geplant: zwischen Malmö und Brüssel. Auch die war von der schwedischen Verkehrsbehörde vor zwei Jahren ausgeschrieben worden. Es bewarb sich aber kein Bahnunternehmen, das sie betreiben wollte. Die Pläne wurden deshalb erst einmal auf Eis gelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball