taz-Recherchen 2022: Was danach geschah
Manchmal stößt Journalismus etwas an: Ein Blick auf einige taz-Recherchen des Jahres 2022 – und auf ihre Folgen.
A rbeitet eine Firma in Düsseldorf daran, das Internet in Iran zu zensieren? Hilft Sternenstaub wirklich gegen eine Corona-Infektion? Und hat der Rettungsdienst ein Problem mit Rassismus in den eigenen Reihen?
Das sind drei von vielen Fragen, die uns in der taz im vergangenen Jahr beschäftigt haben. Zum Ende des Jahres haben wir nachgehakt, was aus unseren Geschichten geworden ist – und wollen Danke sagen. Denn Recherchen brauchen Zeit. Und sind nur möglich durch Unterstützung von Ihnen, unseren LeserInnen und GenossInnen.
Wollen Sie die taz über Missstände informieren oder uns Dokumente zukommen lassen? Wenden Sie sich an die Autor:innen oder an taz.de/investigativ.
Rechte im Rettungsdienst
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Nelson Mbugu hat wieder Hoffnung. Vier Monate ist der Angriff her, bei dem ihm der Arm gebrochen wurde. Der Mann aus Kenia ist Lieferfahrer für McDonald’s in Brandenburg an der Havel. An einem Abend im September brachte er eine Bestellung zur Geschäftsstelle der Johanniter. Er hatte eine Portion Pommes vergessen, ein Sanitäter der Johanniter rastete offenbar aus und brach Mbugu brutal den Arm. Mbugu musste operiert werden, von den Johannitern hörte er zunächst nichts. Der verdächtige Sanitäter wechselte auf eigenen Wunsch in einen anderen Landesverband. Der wurde nach taz-Informationen aber gar nicht vollständig über die Vorwürfe informiert. Freigestellt wurde der Mitarbeiter erst, als die taz bei den Johannitern nachfragte.
Die taz-Recherche fand große Verbreitung: Bundesweit griffen Medien sie auf, viele Menschen boten ihre Hilfe an. Die Opferhilfe Brandenburg hat einen Anwalt organisiert und bezahlt, der Mbugu juristisch vertritt. Dank der Opferhilfe fand er auch einen englischsprachigen Psychologen, der ihm helfen soll, die traumatische Erfahrung zu verarbeiten. Seine Armschlinge trägt Mbugu mittlerweile nicht mehr, aber die beiden Brüche in seinem linken Arm heilen nur langsam. Es wird noch einige Monate dauern, bis er wieder arbeiten kann. Das ist für ihn auch ein finanzielles Problem: 30 Euro Krankengeld bekommt er am Tag, im Monat hat er so zwischen 300 und 400 Euro weniger. Aber da er so viel Unterstützung bekomme, erzählt seine Ehefrau am Telefon, gehe es ihm schon viel besser.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen noch. Aber seit Anfang Dezember steht fest: Der Sanitäter, der Mbugu den Arm gebrochen haben soll, muss die Johanniter verlassen. Ebenfalls aus dem Dienst ausscheiden wird ein Sanitäter der Johanniter aus Köln. Mitte September hatten wir über Vorwürfe gegen ihn berichtet. Er soll die Namen von Adolf Hitler und anderen Nazigrößen in einem Wandkalender der Feuerwache 9 eingetragen haben – und das war nicht der einzige rechtsextreme Vorfall auf der Wache. Mitarbeiter berichteten uns von Kollegen, die für die Identitäre Bewegung warben, von rassistischen Spielen unter den Sanitätern. Und von Patient:innen mit Migrationshintergrund, die offenbar schlechter behandelt würden, weil Sanitäter rassistische Vorurteile pflegten. Auch andere Hilfsorganisationen wie die Malteser waren betroffen.
Die Johanniter haben nach unserem Bericht eine externe Agentur beauftragt, die Vorwürfe zu untersuchen. Guttman Communications ist spezialisiert auf Krisenkommunikation. Drei Vertreter:innen der Agentur haben 20 Mitarbeitende der betroffenen Rettungswache in Köln befragt. In jedem dieser Gespräche saß auch ein Mitarbeiter der Johanniter dabei. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass die befragten Mitarbeiter dadurch weniger frei gesprochen hätten, sagt der Johanniter-Bundesvorstand Jörg Lüssem auf Nachfrage der taz. Die Johanniter wollen nun einen Verhaltenskodex erarbeiten und gemeinsam mit anderen Rettungsdiensten einen Maßnahmenplan gegen Rassismus aufstellen. Auch die Malteser haben Maßnahmen angekündigt.
Im Untersuchungsbericht steht: Die in der taz beschriebenen Vorfälle seien „überwiegend wie beschrieben oder ähnlich passiert“. Manches konnte nicht nachvollzogen werden, was aber offenbar vor allem daran lag, dass keine ehemaligen Beschäftigten befragt wurden. Ein paar neue Dinge kamen heraus. So soll es auch auf einer anderen Kölner Wache einen Kalender mit Nazi-Einträgen gegeben haben.
Die Interpretation der Untersuchungsergebnisse bringt aber gewisse Widersprüche mit sich. So heißt es im Bericht zum Beispiel, dass der Gebrauch diffamierender und rassistischer Begriffe unter den Beschäftigten weit verbreitet sei. Einen strukturellen Rassismus will man aber nicht erkennen. Das „Führungsversagen“ lasten die Johanniter dem damaligen Regionalvorstand an; der ist inzwischen in Rente. Und allzu viel Transparenz wollen sie auch nicht. Der Untersuchungsbericht wurde zwar zunächst online gestellt, dann aber direkt wieder gelöscht.
Machos beim WWF
Das Berliner Arbeitsgericht verhandelte im Mai 2022 eine ungewöhnliche Klage: Die Personalchefin der Naturschutzorganisation WWF ging gegen ihren Arbeitgeber vor – wegen mangelnder Transparenz, Interessenskonflikten und möglichen Machtmissbrauchs. Die Personalchefin hatte mitbekommen, dass der langjährige geschäftsführende Vorstand des WWF Deutschland, Eberhard Brandes, eine Affäre mit der WWF-Finanzchefin gehabt habe, ohne das seinem Arbeitgeber zu melden. Das hätte er nach internen Richtlinien wohl tun müssen.
Die Personalchefin zeigte die Affäre intern an, eine externe Anwaltskanzlei wurde mit einer Untersuchung beauftragt. Das Ergebnis blieb unter Verschluss. Die Personalchefin sei seit ihrer Anzeige drangsaliert und mit Kündigung bedroht worden, sagte ihr Anwalt vor Gericht. Sie wollte nun Auskunft erstreiten über das Ergebnis der Untersuchung.
Wenige Tage nachdem die taz die Sache öffentlich gemacht hatte, verkündete der WWF Deutschland, dass Vorstand Brandes die Organisation verlässt. Die Stimmung in der NGO ist schon länger schlecht gewesen, zeigte die taz-Recherche. Mitarbeiterbefragungen hatten ein von Sexismus und Chauvinismus geprägtes Arbeitsklima aufgezeigt. Fast das komplette mittlere Management hatte der WWF-Führung per Brief das Misstrauen ausgesprochen.
Seit Brandes’ Weggang ist es ruhiger geworden beim WWF. Die Personalchefin hat ihre Klage mittlerweile zurückgezogen. Auf taz-Nachfrage erklärt eine WWF-Sprecherin, es habe eine Mediation zwischen dem Stiftungsrat und der Personalchefin gegeben. Volle Einsicht in den Untersuchungsbericht habe sie allerdings nicht bekommen. WWF Deutschland wird derzeit weiter vom Interimsvorstand Christoph Heinrich geführt. Und der WWF Deutschland will seine Führungsebene neu aufstellen. Drei Frauen wurden kommissarisch in die Geschäftsleitung geholt, zwei waren zuvor im operativen Naturschutzbereich. Der Richtungsstreit über mehr Basisdemokratie oder eine straffe, aber schlagfertigere Führung, so hört man, ist noch nicht entschieden.
Der Bundestag und seine Polizei
Wie sicher ist das deutsche Parlament? Seit der Razzia gegen ein Netzwerk von Reichsbürger:innen, die einen Staatsstreich geplant haben sollen und dabei mutmaßlich in den Bundestag eindringen wollten, wird diese Frage breit diskutiert. Der Bundestag selbst hat angekündigt, seine Zutrittsregeln zu verschärfen.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Recherchen der taz gezeigt, dass die Sicherheit des Parlaments auch von innen bedroht ist. Wir hatten über rechtsextreme Vorfälle in der Bundestagspolizei berichtet. Danach wurden alle 200 Polizist:innen in Einzelgesprächen befragt und gegen fünf Beamt:innen Disziplinarverfahren eingeleitet. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hatte damals zudem verpflichtende Schulungen zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ für die Polizist:innen angekündigt.
Bisher nahmen an den vierstündigen Schulungen offiziellen Angaben zufolge etwa 80 der 132 Beamt:innen des mittleren Dienstes teil. Lernziel der Veranstaltung ist laut internen Unterlagen, dass die Teilnehmenden aktuelle extremistische Organisationen kennen, sich mit Rassismus, Antisemitismus und Radikalisierung beschäftigt haben sowie „mit aktuellen Präventionsansätzen“ vertraut sind.
Die Bundestagsverwaltung bewies dann gleich selbst, dass diesbezüglich offenbar immer noch Verbesserungspotenzial besteht. Im Januar berichteten wir, dass der gerade erst neu berufene Chef des Sicherheitsreferats in einer ultrarechten Burschenschaft aktiv ist. Er wurde nach unserem Bericht versetzt, ist aber weiterhin Referatsleiter und nun bei den wissenschaftlichen Diensten unter anderem für den Bereich Strafrecht zuständig.
Drei Disziplinarverfahren laufen indes weiter, zwei Polizisten sind immer noch vom Dienst suspendiert. Das Strafverfahren, das gegen den Polizisten eröffnet wurde, der mutmaßlich den Hitlergruß gezeigt hatte, wurde von der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt. Auf Anfrage teilte sie mit, dass der mutmaßliche Hitlergruß nicht öffentlich gezeigt wurde, sondern in einem Pausenraum – und das sei nicht strafbar.
Mit Sternschnuppenstaub gegen Covid
Meteoreisen, der Staub erloschener Sternschnuppen, soll in verdünnter Form Coronainfektionen lindern – glaubt man im anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin.
Der Umgang mit der Pandemie war in Havelhöhe nicht nur bei den Behandlungen alternativ. Mit Coronaschutzmaßnahmen wurde lax umgegangen. Während in anderen Krankenhäusern Besuchsverbote galten, wurde in Havelhöhe ein öffentliches Flamenco-Konzert veranstaltet – ohne Maskenpflicht. Dem Krankenhauspersonal in Havelhöhe wurde ein Impfschema angeboten, für das es keine Zulassung gibt. Der zuständigen Amtsärztin „sträubten sich die Haare“, als sie von der Impfmethode erfuhr, bei der eine Impfdosis in mehrere Injektionen aufgeteilt wird.
Nachdem die taz diese Missstände im Februar öffentlich machte, drohte die Krankenhausleitung mit einer Klage. Auch bei manchen taz-Leser:innen stieß die Recherche auf Unverständnis. Einige Abos wurden gekündigt, wütende E-Mails landeten in den Posteingängen der Chefredaktion. Anhand der ähnlichen Schreibweise liegt nahe, dass die Mailaktion abgesprochen war.
Wenige Monate später bekam Chefarzt Harald Matthes Ärger – wegen seiner Forschung. Im Rahmen seiner Stiftungsprofessur an der Charité, die von einer anthroposophischen Stiftung finanziert wird, leitete er eine Studie über mögliche Nebenwirkungen der Coronaimpfung. Laut Matthes zeigt die Umfrage, dass Impfnebenwirkungen häufiger auftreten würden als bisher registriert. Die Charité distanzierte sich wegen methodischer Schwächen von der Studie. Ein Problem: Personen sollen doppelt teilgenommen haben.
Auch andere angebliche alternative Heilmethoden hatten es in diesem Jahr nicht leicht. Im Mai entschieden die Ärztekammern, keine Weiterbildungen mehr für Homöopathie anzubieten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will prüfen, ob Homöopathika weiterhin von den Krankenkassen übernommen werden sollen. Diese Entwicklung könnte auch ungemütlich für Anthroposoph:innen werden, da sie Krankheiten ebenfalls mit verdünnten Mitteln behandeln, für deren Wirksamkeit es keinen wissenschaftlichen Beleg gibt.
Harald Matthes hatte der taz im Februar versprochen, die empirischen Belege für die Wirkung von Meteoreisen gegen eine Coronainfektion nachzuliefern. Noch ist nichts angekommen.
#LinkeMeToo
Die Empörung war groß, als im Frühjahr in den sozialen Medien der Hashtag #LinkeMeToo trendete. Sexismusverdacht, ausgerechnet bei einer feministischen Partei? Der Spiegel hatte über Sexismusvorwürfe im hessischen Landesverband berichtet. Susanne Hennig-Wellsow trat unter anderem deswegen von ihrem Amt als Vorsitzende zurück, was die Partei in eine Führungskrise stürzte.
Kurz darauf zeigten taz-Recherchen, dass es vor den Vorwürfen aus Hessen bereits einen anderen Fall gab, der bis in die Parteispitze hinein für Ärger gesorgt hatte. In Nürnberg warfen mehrere Parteimitglieder einem Stadtrat sexuelle Übergriffe und Grenzüberschreitungen vor. Sie beschuldigten ihn, sie ohne ihr Einverständnis berührt zu haben, am Gesäß, am Oberschenkel, im Nacken. Die Vorwürfe erreichten auch den Bundesverband. Der Parteivorstand gründete eine Vertrauensgruppe, die die Vorwürfe aufarbeiten sollte, aber zu keinem definitiven Ergebnis kam. Nach dem taz-Bericht traten mehrere Mitglieder aus der Vertrauensgruppe aus, auch aus Protest darüber, wie die Partei mit den Vorwürfen umgeht.
Die Linke will ihren Umgang mit Sexismusvorwürfen nun grundlegend überarbeiten. Eine feministische Kommission soll einen Leitfaden erarbeiten, den der Bundesparteitag 2023 verabschieden soll. In jedem Landesverband und auf Bundesebene soll es eine Vertrauensgruppe geben, die Betroffenen von sexistischen Belästigungen und Übergriffen beratend zur Seite stehen und auf Kosten der Partei geschult werden soll.
In Bayern sind derweil einige der zentralen Akteure in der Partei aufgestiegen. Die Anwältin des beschuldigten Stadtrats wurde im September zur Co-Vorsitzenden der bayerischen Linken gewählt. Auch der Stadtrat sitzt nun im Landesvorstand.
Wie das Internet im Iran zensiert wird
Die Aussagen, mit der die Europäische Union im November einen neuen Eintrag in ihrer Sanktionsliste begründet, sind deutlich: „Arvan Cloud“ sei ein IT-Unternehmen, das der iranischen Regierung helfe, den Zugang zum Netz zu kontrollieren. Es sei verantwortlich für Zensur und stehe mit Einrichtungen in Verbindung, „die für schwere Menschenrechtsverletzungen in Iran verantwortlich sind“.
Gut drei Wochen zuvor hatte die taz eine Recherche über eben jene iranische IT-Firma ArvanCloud veröffentlicht. In dem Bericht geht es um Verbindungen nach Deutschland, ins Nobelviertel Meerbusch bei Düsseldorf. Mit Kollegen von Correctiv und netzpolitik.org hatte die taz aufgedeckt, dass dort ein Netz aus Firmen angesiedelt ist, die mindestens indirekt mit den islamischen Revolutionsgarden, Geheimdiensten und dem Mullah-Regime verbunden sind. Bis vor Kurzem war unter anderem die Webseite Arvancloud.com auf eine deutsche Firma in Nordrhein-Westfalen angemeldet. Auch iranische Regierungswebseiten liefen über die Infrastruktur der deutschen Firma.
Sowohl ArvanCloud als auch die deutsche Firma bestreiten die Vorwürfe, an Internetfiltern, Zensur oder dem Aufbau oder Ausbau von nationalen Netzen in Iran seien sie nicht beteiligt. Ein Vertrag beider Firmen sei gekündigt worden. Nach Bekanntgabe der EU-Sanktion kündigte ArvanCloud an, dagegen vorzugehen.
Die taz, Correctiv und netzpolitik.org hatten von einem Vertrag von 2020 zwischen ArvanCloud und dem iranischen Kommunikationsministerium berichtet. ArvanCloud hilft demnach beim Aufbau einer iranischen Cloud-Infrastruktur, wobei dem Regime weitreichende Kontrollbefugnisse eingeräumt werden. Bemühungen um national abgeschottete Netze gibt es auch in China oder in Russland. Das Ziel dabei ist es, die Kosten von Zensur und Abschottung zu verringern. Wenn ein nationales Netz ausgebaut ist, sollen Onlinedienste, Geschäfte und Behörden möglichst ungestört weiterlaufen, obwohl internationale Verbindungen gekappt sind.
Das iranische Regime reagiert nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini mit massiven Netzblockaden auf die Proteste im Land. Die Organisation von Demos und Berichterstattung soll erschwert werden. Neben Zensur kam es zu Drosselungen des Internets, in einigen Regionen sogar zur kompletten Abschaltung. Gesperrt werden in Iran auch Social-Media-Netzwerke wie Twitter, Facebook und Instagram sowie Messengerdienste wie Whatsapp oder Signal. Signal wird von einer gemeinnützigen Stiftung getragen und bietet eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an.
Die taz war im September einem Aufruf gefolgt, Signal zu unterstützen. Wie andere richtete die taz einen sogenannten Proxy-Server ein, über den die Kommunikation umgeleitet werden kann. Das macht es den Zensoren in Iran schwerer, Datenverkehr an Signal zu erkennen. Die Adresse kann per E-Mail an signalproxy@taz.de angefragt werden. Seit September haben wir Hunderte Anfragen beantwortet. Viele suchen nach einer Möglichkeit, um weiter sicher mit ihren Verwandten in Iran zu kommunizieren. Eine weitere digitale Hilfe für die Menschen in autoritären Regimen ist die Unterstützung des anonymen Tor-Projektes. Die taz stellt auch dafür Infrastruktur zur Verfügung. Privat kann man über eine Erweiterung seines Internet-Browsers namens „Snowflake“ helfen.
Was macht eigentlich Hannibal?
Am 20. Januar 2022 fällt das Landgericht Mosbach sein Urteil. Der ehemalige KSK-Soldat André S. alias „Hannibal“ muss wegen des „fahrlässigen unerlaubten Führens von Schusswaffen“ eine Geldstrafe zahlen, 50 Tagessätze à 30 Euro. Im Urteil wird knapp erwähnt, dass es sich um ein Training der „Defence Group“ von Uniter e. V. gehandelt habe. Die Teilnehmer des paramilitärischen Trainings wurden freigesprochen oder die Verfahren eingestellt.
Wie die taz 2018 aufgedeckt hatte, wollte Uniter eine bewaffnete Einheit aufbauen und diese sogar ins Ausland schicken. Unter anderem deswegen wird die Organisation inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. All das spielte vor Gericht keine Rolle. Die Verurteilung von André S. in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart aus dem Sommer (75 Tagessätze wegen unerlaubten Besitzes von Nebelgranaten und Übungshandgranatenzündern) ist noch nicht rechtskräftig.
Das Wort „rechtsextrem“ kommt in beiden Urteilen nicht vor. Zwar wird das Hannibal-Netzwerk inzwischen von den Sicherheitsbehörden sehr ernst genommen, aber juristische Konsequenzen fallen davon mitunter weit ab. Das ist bei einem prominentem Mitglied des Netzwerkes anders. Der Bundeswehroffizier Franco A. wurde im Juli als Rechtsterrorist verurteilt, in der Urteilsbegründung wurde auch auf seine Vernetzung in der Prepperchatgruppe Süd verwiesen.
Die Terrorermittlungen gegen zwei Mitglieder der Preppergruppe Nordkreuz hat der Generalbundesanwalt vor einem Jahr hingegen eingestellt. Für andere (ehemalige) Mitglieder gab es bereits Konsequenzen, oft aber nur dienstrechtlich. Im Frühjahr wurde Anklage gegen den Mann erhoben, über dessen Schießplatz sich die Nordkreuz-Leute Munition beschafften und der dem damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Waffe schenkte. Auch der Mitarbeiter einer Waffenbehörde ist angeklagt. Es geht unter anderem um einen mutmaßlichen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und versuchte Strafvereitelung. Das Landgericht Schwerin hat bis heute nicht entschieden, ob es den Fall verhandeln wird. Ein Gerichtssprecher verweist auf die dauerhafte Erkrankung der Vorsitzenden der zuständigen Strafkammer. Es sei mit einer „Eröffnungsentscheidung und Terminierung in dieser Sache, zumindest kurzfristig, nicht zu rechnen“.
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