Polizeieinsatz gegen rechte Verschwörer: Gruppe soll Umsturz geplant haben

Die Generalbundesanwaltschaft geht gegen Reichsbürger vor, die einen Staatsstreich geplant haben sollen. Darunter sollen Bundeswehrsoldaten und eine Ex-AfD-Politikerin sein.

Einsatzkräfte durchsuchen seit dem Morgen mehr als 130 Objekte, hier in Berlin-Wannsee Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz/dpa | Der Generalbundesanwalt ist am frühen Morgen gegen eine mutmaßliche terroristische Vereinigung vorgegangen, die unter anderem einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag geplant haben soll. Rund 3.000 Beamte seien in elf Bundesländern im Einsatz, sagte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde am Morgen. Der Generalbundesanwalt wirft den Beschuldigten vor, den Umsturz des Staates vorbereitet zu haben.

22 der Festgenommenen sollen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sein, zwei davon Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte die Sprecherin. „Wir haben noch keinen Namen für diese Vereinigung“, sagte sie. Sie begründe sich wohl auf Verschwörungsmythen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat die Razzia als „Anti-Terror-Einsatz“ bezeichnet. „Demokratie ist wehrhaft: Seit heute Morgen findet ein großer Anti-Terror-Einsatz statt“, schrieb der FDP-Politiker am Mittwochmorgen auf Twitter. „Es besteht der Verdacht, dass ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war.“

Die Gruppe soll aus einem Netzwerk aus sogenannten Reichsbürgern und Verschwörungsideologen bestehen. Laut einem Bericht der Zeit sollen mit Heinrich XIII. auch ein Prinz eines alteingesessenen deutschen Adelsgeschlechts sowie die frühere Bundestagsabgeordnete der AfD, Birgit Malsack-Winkemann zu den Verschwörern gehören.

Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung gehören auch Ärzte und weitere Unternehmer zu der Gruppierung. Sie soll geplant haben, die staatliche Ordnung gewaltsam zu beseitigen und mit Waffengewalt einen Umsturz herbeizuführen. Sie soll auch Zugang zu Waffen haben.

Laut einem Bericht auf tagesschau.de soll die Gruppe geplant haben, einen Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 zu errichten. Weit sei die Gruppe dabei aber nicht gekommen.

Die Richterin und ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann war laut Zeit als Justizministerin des neuen Regimes vorgesehen. Sie sei am Mittwochmorgen in Berlin festgenommen worden.

Malsack-Winkemann saß bis 2012 für die AfD im Bundestag. Danach arbeitete sie wieder als Richterin in Berlin. Berlins Justizsenatorin hatte sie wegen rassistischer Äußerungen in den Ruhestand schicken wollen. Malsack-Winkemann hatte aber dagegen geklagt und im Oktober Recht bekommen.

Die Gruppierung hat laut Bundesanwaltschaft vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im vergangenen Sommer hätten mutmaßliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben, teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit.

Im November hätten Beschuldigte in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung gewinnen wollen. Im Oktober hätten Angehörige des „militärischen Arms“ Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, „um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren“.

Auffälliger Impfgegner beim KSK

Ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bestätigte am Mittwoch, dass sich die Ermittlungen auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr richten. Nach Informationen der dpa handelt es sich um einen Unteroffizier. Demnach wurden sein Haus und sein Dienstzimmer in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw (Baden-Württemberg) durchsucht. Er war in der Bundeswehr bereits als Impfgegner aufgefallen und später aus der Truppe heraus gemeldet worden. Bei den Ermittlungen sind demnach bisher aber keine Bezüge zu früheren Extremismusvorfällen im KSK entdeckt worden.

„Der MAD war im Vorfeld in die Ermittlungen des GBA eingebunden und hat seine Erkenntnisse im Verfassungsschutzverbund und mit dem Bundeskriminalamt geteilt“, sagte der MAD-Sprecher. Der aktive Soldat sei Angehöriger des Kommandos Spezialkräfte, es handele sich aber nicht um einen Kommandosoldaten. Hintergrund ist, dass in der Kaserne auch Teile der Logistik, Unterstützungskräfte und die Führung des Verbandes stationiert sind.

„Im Zuge der verdeckten Ermittlungen des MAD haben sich bisher keine Verbindungen zwischen dem beschuldigten Soldaten und zurückliegenden Ermittlungskomplexen im KSK erhärten lassen. Die Verbindungen sind jedoch weiterhin Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, sagte der Sprecher weiter.

Große Durchsuchungsaktionen

Bei einer der größten Durchsuchungsaktionen der bundesdeutschen Geschichte durchsuchen seit dem Morgen Einsatzkräfte mehr als 130 Häuser, Wohnungen und Büros in elf Bundesländern.

Bundesweit rückten Polizeieinheiten, darunter GSG9-Spezialkräfte der Bundespolizei, an. Zuvor hatten das Bundeskriminalamt (BKA), mehrere Landeskriminalämter und Verfassungsschutzbehörden umfangreiche Ermittlungen geführt. Beim BKA laufen die Ermittlungen nach Informationen von WDR, NDR und SZ unter dem Namen „Schatten“. Zahlreiche Telefone wurden demnach überwacht, Personen observiert und deren Aktivitäten im Internet verfolgt.

Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden hatten im Frühjahr dieses Jahres nach ersten Hinweisen des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hessen begonnen. Dort war man auf einen Adligen aufmerksam geworden: Heinrich XIII. Prinz Reuß, 71 Jahre alt, Immobilienunternehmer mit Wohnsitz in Frankfurt am Main und Gutsherr eines Jagdschlosses im ost-thüringischen Bad Lobenstein. Er gilt als Hauptbeschuldigter.

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