Zweites Aus für die Solarindustrie: Die ideologischen Totengräber
Deutschland steckt Unsummen in die Chipindustrie und die Produktion von E-Auto-Batterien. Die Modulproduktion hingegen geht leer aus und zieht ab.
I m sächsischen Freiberg erleben manche gerade ein trauriges Déjà-vu: Nach 2017 wurden hier am Dienstag zum zweiten Mal Kündigungen für Angestellte der Solarfabrik verschickt. Es war die größte Modulproduktion Europas, aber sie „rentierte“ sich nicht mehr. Das Drama des Niedergangs der vor allem ostdeutschen Photovoltaikindustrie von vor nicht mal 10 Jahren wiederholt sich gerade im Kleinen erneut.
Der Schweizer Konzern Meyer Burger hat soeben 400 Angestellte in Freiberg gefeuert, ähnliches droht bei Solarwatt in Dresden oder bei der Glasmanufaktur Brandenburg in Tschernitz. Der Solarkahlschlag ist absurd: Die Branche boomt und wird weiter boomen – plus 40 Prozent mehr Kapazitäten wurden allein im vergangenen Jahr installiert. Aber die meisten Anlagen werden hochsubventioniert in China hergestellt und hier zu Kampfpreisen auf den Markt geworfen.
Meyer Burger ist auch nicht etwa pleite, sondern verlagert seine Modulproduktion in die USA, weil dort üppig Subventionen fließen. Und in Deutschland? Regieren die ideologischen Totengräber. Die FDP fürchtet, Subventionen fürs Solare wären ein Fass ohne Boden. Dabei blendet sie aus, dass die Geopolitik nicht nur die Diplomatie, sondern längst auch die Globalisierung bestimmt. Wer soll die Panels für die Energiewende bauen, wenn die EU China wegen seines Überfalls auf Taiwan streng sanktioniert?
Oder wenn wir aus Übersee keine Anlagen mehr bekommen, weil US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg mit Europa angezettelt hat? Weshalb Bund und Länder dem schwedischen Konzern Northvolt soeben 900 Millionen Euro Mitgift für den Bau einer neuen Batteriefabrik für E-Autos in Schleswig-Holstein spendiert haben und dem US-Konzern Intel sogar 10 Milliarden Euro für eine neue Chipfabrik in Sachsen-Anhalt geben wollen, der Solarbranche aber Hilfe verweigern, ist ein Rätsel, das Christian Lindner kaum auflösen kann.
Ungeahntes kann plötzlich Realität werden
Dabei geht es um anfangs nur rund 40 Millionen Euro für den „Resilienzbonus“, also Zuschüsse bei der Einspeisung von Anlagen aus europäischer Produktion. Das Nein des FDP-Chefs lässt nur einen Schluss zu: der sozial-ökologische Umbau ist ihm schnurz. Tatsächlich spekuliert die Bundesregierung darauf, im Fall des Falles müssten eben fix neue Solarfabriken in Deutschland oder Europa entstehen.
Wie fatal sich Knappheiten auswirken, hat sich bei den diversen Lieferkettenproblemen bei Medikamenten, Autobauteilen oder Computerchips in den vergangenen Jahren gezeigt. Es ist eine Zeit, in der Ungeahntes brachial plötzlich Realität werden kann. All das heißt nicht, dass der Westen ökonomisch komplett autark sein muss. Aber doch bitte auch nicht komplett blank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen