ZDF-Sommerinterview mit AfD-Gauland: Keine Ahnung
Nimmt man der AfD das Lieblingsthema Flüchtlinge weg, hat sie erstaunlich wenig zu sagen. Das beweist erneut der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland.
Zu vielen drängenden Problemen hat die AfD offenbar nichts zu sagen. „Da kann ich Ihnen im Moment keine Antwort darauf geben.“ „Nein, das kann ich Ihnen nicht erklären.“ „Ich bin kein Fachmann für diese Fragen.“ Das sind Äußerungen, die der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland am Sonntagabend im ZDF-Sommerinterview am Potsdamer Tiefen See gab.
Trotz ihrer Inhaltsleere sagen sie sehr viel über Gauland und seine Partei aus. Gefallen sind sie nämlich als Antworten auf Fragen zu den Themen Wohnungsmarktpolitik und Digitalisierung. Auch bei anderen Themen war Gauland blank – dabei hatte ihm dieses Mal niemand seine Kleidung geklaut.
Nimmt man der AfD ihr Lieblingsthema Flüchtlinge weg, wird die Partei oft erstaunlich kleinlaut. Dies war schon im Juni dieses Jahres zu beobachten, als AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel in einem WDR-Interview zu vielen politischen Fragen keine konkreten Positionen liefern konnte. Mindestlohn? Bürgerversicherung? Pendlerpauschale? Schusswaffen für Bürger? Da gebe es keine „Grundhaltung“, das müsse noch ein Parteitag entscheiden.
Noch peinlicher wurde es für die Rechtspopulisten jetzt im ZDF. Auf die Digitalisierungsstrategie der Partei angesprochen wurde, erklärte Gauland zunächst, dass er „keine enge Beziehung zum Internet“ pflegen würde. Von einer Strategie könne „nicht die Rede sein“.
Empfohlener externer Inhalt
Damit nicht genug: Gauland behauptete gar, die FDP hätte das Thema Digitalisierung erfunden, im Parlament würde zwar ganz viel darüber geredet, aber keiner könne wirklich erklären, was das sei. Für den Fraktions- und Parteivorsitzenden der größten Oppositionspartei im Bundestag ist das eine bemerkenswert erbärmliche Aussage. Zu einer zentralen Frage, die verschiedene Politikfelder umfasst, hat Gauland kein einziges Argument.
Sie scheint ihm so egal zu sein, dass er sich dazu nicht einmal von Beratern briefen lässt, um wenigstens den Anschein von Kenntnisreichtum zu erwecken. Das ist tatsächlich überraschend – im Gegensatz zu erwartbaren Aussagen zum Klimawandel, zu dem Gauland anmerkt, man könne dazu gar keine Lösungsvorschläge bringen, da die Menschen nichts Wesentliches dazu beitragen würden.
Verschwörungsfantasien wegen Protest
Mitten im Interview sind plötzlich drei Störer zu hören, die an der Uferpromenade stehen. „Gauland, die Schande, im Herzen von Potsdam“ rufen sie. Tatsächlich ein ungewöhnlicher Anblick für ein Sommerinterview – für die AfD jedoch anscheinend noch mehr. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst retweetet einen Post über „GEZ-finanzierte linke Vollpfosten“. „Die Bewertung der Gesprächsführung des Moderators und der Zwischenrufer bleibt Ihnen überlassen…“, raunt der offizielle Parteiaccount @AfD.
Der Abgeordnete Harald Weyel twittert von „staatlich anerkannten ZDF-Kabelträgern.“ Und der Abgeordnete Dirk Spaniel behauptet sogar: „Staatsfunk goes Antifa.“ Die Demonstranten hatten zwar tatsächlich nichts Substanzielles mitzuteilen, müssen in einer Demokratie aber selbstverständlich ausgehalten werden. Peinlich, dass der Partei dazu nicht mehr einfällt als Verschwörungsfantasien.
Zum Thema Rente kann Gauland ebenfalls kein konkretes Konzept liefern – die Positionen zwischen dem wirtschaftsliberalen und dem national-sozialen Flügel in der Partei liegen schließlich meilenweit auseinander. Fünfeinhalb Jahre nach Gründung kann sich Gauland allerdings nicht mehr mit der Aussage der „jungen Partei“ herausreden – und muss gegenüber dem kritisch nachhakenden ZDF-Journalisten Thomas Walde eingestehen, er habe bei diesem Thema noch keine Alternative.
So zeigte sich: Auf Provokation ausgerichteter Populismus kann oft allein dadurch entlarvt werden, zu konkreten Positionen gezielt nachzufragen. Da Walde dies vorbildlich gelang, konnte Gauland nur noch seine Konzeptlosigkeit referieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen