Wohnungen in Deutschland: Zu wenig, dafür unsozial
In Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen, vor allem bezahlbare. Fragen und Antworten zur Wohnungsbaukrise.
Warum steckt der Bau in der Krise?
Hohe Bauzinsen, gestiegene Material- und Energiekosten, gestörte Lieferketten infolge des russischen Angriffskriegs – all das macht der Baubranche zu schaffen. Zudem herrschte zwischenzeitlich Chaos bei den KfW-Förderprogrammen. Die schwierigen Bedingungen machen sich bemerkbar, die Baugenehmigungen sinken: In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden mit 135.200 27,3 Prozent weniger Wohnungen genehmigt als im ersten Halbjahr 2022. Das Neubauziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen, davon ein Viertel Sozialwohnungen, wurde krachend verfehlt. Fertig gebaut wurden 2022 nur 295.300 neue Wohnungen. Besonders dramatisch ist die Situation beim Sozialwohnungsbau. Statt der angepeilten 100.000 Sozialwohnungen wurden im vergangenen Jahr nur 22.545 neu gebaut. Damit sank die Gesamtzahl der Sozialwohnungen erneut, da rund 36.500 Preisbindungen ausliefen. Ein kleiner Lichtblick: Ende 2022 gab es 884.800 genehmigte Wohnungen, die noch nicht fertig gebaut wurden. Über die Hälfte ist schon in der Mache.
Wie will die Bundesregierung gegensteuern?
Am vergangenen Montag stellten Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz bei einem Krisentreffen des Bündnis bezahlbarer Wohnraum einen 14-Punkte-Plan vor: Enthalten sind bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Baufirmen, mehr Fördergelder für Sanierungen und Umbauten, zudem sollen Familien beim Eigentumserwerb besser unterstützt werden. Das Planen und Genehmigen soll einfacher und flotter werden. Einen Schlüssel sieht der Kanzler im seriellen Bauen, also dem Bauen mit vorgefertigten Teilen. Ein Haus, das in seiner Grundstruktur in einem Landkreis genehmigt wurde, soll überall gebaut werden dürfen.
Will die Bundesregierung Investoren beschenken?
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So sieht es aus. Punkt 1 des 14-Punkte-Plans sind bessere Abschreibungsmöglichkeiten für neue Wohngebäude. Mit der sogenannten degressiven Abschreibung (AfA), die befristet eingeführt werden soll, können im ersten Jahr sechs Prozent der Investitionskosten steuerlich geltend gemacht werden, danach sechs Prozent des Restwertes. Das soll eine schnellere Refinanzierung als bisher ermöglichen und ist als Investitionsanreiz gedacht. Das Problem ist: Es gibt keine sozialen Vorgaben. Investoren könnten diese Steuererleichterungen zwar dazu einsetzen, die künftige Miethöhe zu reduzieren, müssen aber nicht. Die Gefahr besteht, dass damit einfach weiter hochpreisige Wohnungen entstehen. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW kritisiert, dass die sozial orientierten Wohnungsunternehmen davon kaum profitieren.
Bleibt der Klimaschutz auf der Strecke?
Die Bundesregierung rückt bei Neubauten vom eigentlich geplanten strengeren Energiestandard EH 40 ab. Der Grund: Ein höherer Energiestandard verteuert den Bau. Umweltverbände beklagen, dass die Klimaschutzziele im Gebäudesektor verfehlt werden. Erfreulich hingegen ist: Für 2024 und 2025 sind zwei neue Förderprogramme geplant, die sich dem Bestand widmen. Das Programm „Jung kauft Alt“ soll den Kauf von sanierungsbedürftigen Häusern unterstützen. Zudem soll der Umbau von ungenutzten Gewerbeimmobilien zu Wohnungen gefördert werden. Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung könnten bis zu 235.000 neue Wohnungen entstehen. Das Geld soll aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, einem Sondertopf außerhalb des Bundeshaushalts.
Was wird aus dem Traum vom selbst gebauten Haus?
Das nicht gut angenommene KfW-Förderprogramm „Wohneigentum für Familien“ soll verändert werden. Bislang durfte eine Familie mit einem Kind höchstens ein zu versteuerndes Einkommen von 60.000 Euro im Jahr haben, um Förderung für ein klimafreundliches Haus zu bekommen. Nun soll die Grenze auf 90.000 Euro angehoben werden. Gefördert wird durch verbilligte Kredite. Auch das Programm „Klimafreundlicher Neubau“ soll attraktiver werden.
Wie kommen wir nun an bezahlbare Wohnungen?
Der Bund stellt den Ländern, die für den Sozialen Wohnungsbau zuständig sind, von 2022 bis 2027 18,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder haben sich dazu verpflichtet, diese Summe zu ergänzen. Das Verbändebündnis Soziales Wohnen beklagt aber, dass die Mittel nicht ausreichen werden, um die gestiegenen Bauzinsen und Materialpreise auszugleichen, und fordert ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro.
Eine strukturelle Wende in der Wohnungspolitik verspricht dagegen die angekündigte Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit – ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag. Die Idee ist: Unternehmen, die dauerhaft günstige Mieten anbieten, werden steuerlich oder durch Investitionszulagen unterstützt. Das wäre ein Weg, um perspektivisch den gemeinwohlorientierten Sektor auf dem Wohnungsmarkt zu stärken. Doch noch sind viele Fragen offen. Zwar heißt es, dass die neue Wohngemeinnützigkeit schon nächstes Jahr „an den Start gehen soll“, aber einen genauen Zeitplan gibt es nicht. Noch hat sich die Regierung nicht auf ein Modell geeinigt. Der größte Knackpunkt: Das Geld. Dass die FDP von Finanzminister Christian Lindner dem Konzept der Wohngemeinnützigkeit tendenziell skeptisch gegenübersteht, lässt nichts Gutes erahnen.
Was plant die Bundesregierung gegen die explodierenden Mieten?
Der 14-Punkte-Plan soll vor allem den Bau ankurbeln, deshalb kommt der Mietenanstieg nicht darin vor. Doch wer bezahlbaren Wohnraum schaffen will, darf das Mietrecht nicht ausklammern. In puncto Mieterschutz tut sich aber seit Monaten gar nichts – weil Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) blockiert, um eine Einigung in einer anderen Sache, nämlich der Vorratsdatenspeicherung, zu erreichen. Eigentlich hatte sich die Regierung auf eine Mietrechtsnovelle geeinigt, die unter anderem eine Verlängerung der Mietpreisbremse beinhaltet. Während die Ampel mit diesen Vorhaben scheitert, wird die Problemliste länger: Abzocke bei möblierten Wohnungen oder die immer beliebter werdenden Indexmieten, die an die Inflation gekoppelt sind.
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