piwik no script img

Wirtschaftsminister bei KlimakonferenzHabeck, naiv in Baku

Jonas Waack
Kommentar von Jonas Waack

Robert Habeck bietet auf der COP Mini-Summen an. Und ausgerechnet der Globale Süden soll ohne Klimageld auskommen.

Der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf der COP 29 in Baku,, an 18.11.2024 Foto: Anatoly Maltsev

R obert Habeck hat den Mut verloren. Entweder das, oder der grüne Spitzenkandidat versteht die Größenordnung nicht, die ernsthafter Klimaschutz im Jahr 2024 verlangt. Denn sein Auftritt auf der UN-Klimakonferenz in Baku war nicht nur unambitioniert. Er war auch naiv.

Die Verhandlungen in Baku stocken. Die Delegierten streiten, wer den Entwicklungsländern wie viel Geld gibt, damit sie sich an den Klimawandel anpassen und Klimaschutz betreiben können. In diese Situation stolpert Habeck mit zwei Mitbringseln: 20 Millionen Euro für die Weltbank, um weltweit Emissionshandelssysteme nach EU-Vorbild zu etablieren. Und 208 Millionen Euro, um in Entwicklungsländern die Industrie zu dekarbonisieren.

Diese 208 Millionen Euro sind, angesichts der Haushaltslage und fehlender Mehrheiten im Bundestag, besser als nichts. Für den Globalen Süden müssen sie trotzdem absurd klingen – nötig sind Milliarden, nicht Millionen.

Habeck beharrt außerdem auf dem Emissionshandel in Entwicklungsländern. Die Einnahmen könne man dann in den Klimaschutz investieren. Aber: Die Einnahmen müssten eigentlich in ein Klimageld fließen: Denn die Menschen im Globalen Süden haben kein Geld dafür, auch noch einen CO2-Preis zu bezahlen. Das Klimageld wird aber auch in Deutschland von den Grünen stiefmütterlich behandelt: Sie forderten auf ihrem Parteitag weder ein Klimageld, das vor allem den Armen zugutekommt, noch legten sie sich auf ein Startdatum fest.

Besorgniserregender ist, dass Habeck offenbar die Dringlichkeit der Klimakrise vergessen hat. In der EU kostet es seit 19 Jahren Geld, CO2 auszustoßen. Aber erst seit Kurzem bewegen sich die CO2-Preise in einem Bereich, der tatsächlich Wirkung entfaltet. Um die Erd­erhitzung unter zwei Grad zu halten, müssen alle Regierungen und Unternehmen sofort umsteuern, nicht erst in 15 Jahren.

Dass Habeck zwar gern von sozialer Gerechtigkeit redet, sie aber dann bei der Umsetzung vernachlässigt, ist nicht neu. Jetzt vergisst er wohl auch seinen Klimarealismus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jonas Waack
Klima-Redakteur
Jahrgang 1999, zuständig für Klima-Themen im Ressort Wirtschaft und Umwelt. Stadtkind aus Mecklenburg, möchte auch sonst Widersprüche vereinbaren. Bittet um Warnung per Mail, falls er zu sehr wie ein Hippie klingt.
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Ein weiterer Aspekt ist die Frage, warum bzw. wozu das Geld benötigt wird. Da erneuerbare Energieträger (Wind-, Solar- usw.) doch angeblich die kostengünstigsten Alternativen sind Strom zu erzeugen, sollte deren Subventionierung ja nicht notwendig sein. Also Geld für Mitigation (Verminderung der C02-Emissionen) ist insoweit nicht zielführend. Notwendig ist es aber Geld für Adaptation (Anpassungsmaßnahmen zur Erhöhung der Resilienz gegen die Folgen des Klimawandels) bereitzustellen. Dies schon, weil der Klimawandel in gewissem Umfang inzwischen unvermeidbar gewoden ist (so schon seit einigen Jahren in den IPCC-Publikationen nachzulesen). Und: Die ungebremsten Emissionsmengen Chinas und der voraussehbare Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen machen dies zu einem fast 100% sicheren Ereignis. Die Frage der verstärkten Umwidmung der Gelder hin zu Adaptation stellt sich natürlich auch für Deutschland.

  • Ich versteh D nicht mehr.



    Eben wird bejubelt, dass nicht benötigte Corona-Milliarden nicht in den Klima-Schutz verschoben werden dürfen.



    Daraufhin es keinen Haushalt gibt.



    Daraufhin jetzt Milliarden statt statt Millionen zu verlangen ...



    Auch noch für "Andere" ...



    Wenn ich mir die Kommentare zum Thema "Pistorius" so durchlese, stelle ich fest: alles, aber nicht links.

  • Es gibt kein Geld, nicht für Deutschland und nicht für andere Länder.



    Die Wirklichkeit hat die deutsche Politik erreicht, jetzt muss das noch von den deutschen Politikern verstanden werden.

    Die sogenannte Energiewende mit ihren Folgen ist nicht zu finanzieren, und wenn das für Deutschland zutrifft, dann gilt das auch für den Rest der Welt.

  • Habeck begeht den gleichen Fehler wie beim Klimaschutz in Deutschland. Klimaschutz kostet erstmal Geld, das viele nicht haben. Seien es Privatpersonen oder Staaten, es muss eine soziale Abfederung geben. Zahlungen der reichen Staaten für die Armen, Klimageld für die Menschen. Indem man diesen Fakt ignoriert oder lächerlich geringe Gelder lockermacht gibt man der rechten Erzählung, der Klimaschutz sei ein wokes Elitenprojekt Futter. Offenbar ist dann da die Lernkurve bei den Grünen auch sehr flach.

  • "Jetzt vergisst er wohl auch seinen Klimarealismus."

    Zu einer realistischen (und auch ehrlichen) Betrachtung gehört allerdings, dass auch Habeck nicht Jesus ist und ihm das Geld nicht aus der Tasche wächst. Er kann keine Zusagen machen, wenn er nicht über das Geld verfügt bzw. einfach verfügen darf.

    Zudem haben die Länder des sog. Globalen Südens geradezu hanebüchene Finanzierungsforderungen, die sich auf über eine Billion Dollar jährlich (!) belaufen. Mal abgesehen davon, dass man nichts Törichteres machen kann, als Staaten mit chronisch korrupten Strukturen (und das trifft auf die Mehrheit zu) auch noch mit Irrsinns-Geldmengen zu überschütten: Habeck hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass sich etwa China und die reichen Ölstaaten da bislang einen schlanken Fuß machen. Also das Land mit den größten CO2-Emissionen und die Länder, die in den letzten Jahren am meisten vom Verkauf fossiler Energie profitiert haben.

  • Vermögende sollen nicht stärker besteuert werden und die Schuldenbremse muss eingehalten werden. Ergo: Bei den Armen muss gespart werden!

  • Aprospos Klimarealismus, die CO2-Abgabe soll Geld kosten, damit weniger konsumiert und daher weniger emittiert wird.



    Man wird keine Reduktion für 0 Euro bekommen.



    Und natürlich wird die Masse der Zahlungen von den ärmeren kommen, es gibt halt nur ein paar Superyachen aber millionen 10 Jahre alte Golf.

  • Nun nicht minder naiv, wie der Glaube, dass Geld, welches vornehmlich Kleptokratien und Regimen zufließen würde, das Problem Klimawandel lösen könnte, wenn es am Ende doch nur auf Schweizer Bankkonten landet.

    Die Frage ist nicht, wem geben wir Geld, sondern an welcher Stelle könnte damit der größte Effekt erzielt werden.

    Und noch eines, die Summen mögen angesichts der Problematik klein sein. Aber da sich weder die Hauptförderländer von Kohlenwasserstoffen, noch der größte Einzelemittent (China) an den geforderten Mitteln bisher und absehbar beteiligen, wüsste ich nicht, wo wir hier in der Pflicht stehen. Gut möglich, dass Habeck das in seine Überlegungen mit einbezogen hat. Legitim wäre es jedenfalls.

  • Während Habeck das Klima in Baku schützt, wird Grimms Märchenwald, ein Teil des Reinhardswaldes in Hessen, für 18 gigantische Windkraftanlagen (240 Meter Hoch) gefällt.

    Ausgerechnet Bild berichtet nun über den Beginn der Bauarbeiten, obwohl noch Klagen von Anwohnern für Zuwege zur Baustelle noch nicht entschieden sind, was den Betreiber und die Kommunen, denen der Wald gehört, nicht stört.

    www.bild.de/politi....desktop.AR_2.bild

    Zitat Bürgerinitiative

    2000 Hektar (= 20 Millionen m²) im tausendjährigen Reinhardswald für die Bebauung mit Windanlagen ausgewiesen worden. Der massive Widerstand der betroffenen Bürger wird von der Landesregierung ignoriert.

    rettet-den-reinhardswald.de/

  • Vielleicht stellt Hr. Habeck lediglich mit in Rechnung, dass er nur noch Teil einer Minderheitsregierung im Auslaufmodus ist und er es deshalb als fair erachtet, seinem Nachfolger, wer immer es sei, nicht zusätzliche Hypotheken mit auf den Weg zu geben bzw. ihm die Entscheidung über kommende Ausgaben zu überlassen.



    Es ist immer überall für alle zu wenig...