„Welt“-Autor Don Alphonso: Das große Schweigen
Don Alphonso ist in der Jury des Medienpreises des Bundestags. Auf Twitter attackiert er Linke. Stören sich die anderen Jury-Mitglieder an ihm?
Die zahlreichen sprachlichen Entgleisungen und Aktivitäten des Welt-Bloggers Don Alphonso wurden inzwischen dutzendfach beleuchtet. In dieser und in anderen Zeitungen. Und auf Twitter, dieser Plattform, auf der sich niemand so richtig entscheiden kann, ob dort die Themen gesetzt werden oder sich bloß ein paar journalistische Meinungsblasen gegenseitig bekriegen.
Wenn ich auf der Straße oder in der U-Bahn frage, kennt eigentlich niemand Don Alphonso. Und dennoch gibt es Gründe, warum man Don Alphonso, seine Arbeit und vor allem seinen Arbeitgeber, die Welt, kritisch in den Fokus rücken sollte.
Dass es einen Typen gibt, der in einem Springer-Medium Texte schreibt, die rassistische und antisemitische Interpretationen zulassen, wer wäre überrascht? Dass dieser Mann in den sozialen Medien als Katalysator für rechtsextreme Themen dient – auch keine Seltenheit. Dass der gleiche Mann mit dem Allerweltsnamen Rainer Meyer sich ein Pseudonym wie „Don Alphonso“ gibt und sich gerne als Edelfeder präsentiert, obwohl die meisten seiner Texte nur ganz knapp an toxischen Tagebucheinträgen eines abgehängten Wüterichs vorbeischrammen – geschenkt!
Warum also dieser Text? Nun, weil Don Alphonso eine Gefahr darstellt für Menschen, die er an den virtuellen Pranger stellt. Die Namen der Opfer: Wer sie sucht, findet sie. Es sind Journalist*innen, Politiker*innen, deren Mitarbeiter*innen. Nach Erwähnung durch Don Alphonso sahen sie sich laut eigener Aussage mit Telefonterror und Morddrohungen konfrontiert. Sie berichten von Schmähungen, Beleidigungen, von beruflichen wie privaten Folgen.
Geliebt vom Chefredakteur
Don Alphonso weist es selbstverständlich weit von sich, Schuld an all diesen Vorgängen zu tragen. Aber die Fülle an Fällen, die Vorsicht, mit der Privatpersonen, Kolleg*innen und ganze Redaktionen sich an das Thema Don Alphonso wagen, spricht für sich. Als ich 2019 meinen ersten Text zum „Troll vom Tegernsee“ schrieb, wurde mir empfohlen, sämtliche Online-Profile auf privat zu stellen. Zur Kontaktaufnahme riet man mir, eine neue E-Mail-Adresse anzulegen. Das ist der Normalzustand, wenn es um den Mann geht, der neben seinen Netz-Attacken gerne Fotos von glasierten Kuchen und stattlichen Bergen postet.
Die Autorin Margarete Stokowski fasste das System Rainer Meyer in einem Tweet prägnant zusammen: „1.) Leute kritisieren auf twitter irgendwas Rassistisches oder Sexistisches 2.) Meyer aka Don Alphonso screenshottet alles mit 3.) und teilt vorab auf seinem Profil ein paar Screenshots und behauptet desaströs Hintergrundinfos zu haben über die angeblich so mächtigen Protagonist*innen des sogenannten Shitstorms, die er aber exakt niemals hat, denn er kann nicht mehr recherchieren als unsere Omas, 4.) Die Leute, die er rausstellt, zufällig meist migrantische Frauen ohne unbefristeten Arbeitsvertrag, werden schon mal von seinen Followern, zufällig oft Faschos, online angegriffen, 5.) Paar Tage später kommt dann ein ewig langer und schlecht lesbarer (Causa Stil) Text von ihm auf Welt Online, wo alles nochmal nacherzählt wird, wo er dann schreibt woher diese Protagonist*innen schon mal Geld bekommen haben (am geilsten: staatliche Stellen)“.
Mehr gäbe es zu Don Alphonso eigentlich nicht zu sagen. Wenn da nicht die Menschen wären, die mit ihm arbeiten, die ihn schützen.
Da ist natürlich sein Arbeitgeber, die Welt, deren Chefredakteur Ulf Poschardt, ein liberal daherkommender Porsche-Fan. Wenn sein Autor Don Alphonso, wie jüngst von Antonia Baum in der Zeit, sehr analytisch filetiert wird, dann fällt Poschardt nicht mehr dazu ein als „i <3 Don Alphonso“ zu tweeten. Poschardt findet offenbar nichts Verwerfliches daran, einen rechten Schaumschläger zu verteidigen. Aber Poschardt verteidigt ihn nicht nur, er liebt ihn offenbar sogar. Für Liebe braucht man nämlich keine Argumente mehr.
Antworten der Jury
Und es gibt noch weitere Menschen, die mit Don Alphonso zusammenarbeiten. Zum Beispiel die Jury zur Vergabe des Medienpreises des Bundestags, direkt berufen von Wolfgang Schäuble. Es mag etwas merkwürdig anmuten, dass ein Blogger, vor dem sich zahlreiche Kolleg*innen fürchten, in einer Jury sitzt, die Journalistenpreise vergibt. Und tatsächlich berichtete vergangenes Jahr etwa der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, dass er Zuschriften von Journalist*innen erhalte, die ihre Beiträge nicht einreichen wollten, weil der Medienpreis seinen unabhängigen Ruf verloren habe. Eine kurze, persönliche und sicher nicht repräsentative Umfrage im Kollegenkreis fördert ähnliche Haltungen zutage: Seinen Text an eine Jury schicken, in der Rainer Meyer sitzt? Nein danke. Auch Reaktionen wie „Dann hat der ja meine Privatadresse“ gibt es.
Außer Rainer Meyer beziehungsweise Don Alphonso sitzen in der Jury noch weitere Mitglieder. Daniel Goffart von der Wirtschaftswoche etwa, Anita Fünffinger aus dem ARD-Hauptstadtstudio, Torsten Kleditzsch von der Freien Presse Chemnitz, Shakuntala Banerjee vom ZDF oder Marc Felix Serrao von der NZZ.
Wie soll es einer Jury möglich sein, ordentlich zu arbeiten, wenn offenbar signifikante Teile der potenziellen Preisträger*innen sich weigern, ihre Texte einzureichen oder sogar Angst vor einem Jurymitglied haben? Ist jemandem in den Sinn gekommen, die Jury zu verlassen, so wie es beispielsweise die Jury-Mitglieder des Ludwig-Erhard-Preises taten, nachdem Friedrich Merz den Preis ablehnte, mit Verweis auf die Mitgliedschaft des rechten Bloggers Roland Tichy?
Antworten auf diese Fragen gibt die Jury nur spärlich. Auf meine Anfragen gab es entweder gar keine Reaktion oder es wurde auf die Vorsitzende verwiesen, Prof. Dr. Claudia Nothelle von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Mehrere Jurymitglieder erklärten, die Vorsitzende würde ein Statement abgeben, welches „für die gesamte Jury spricht“.
Prof. Dr. Nothelle antwortete schließlich auf die Frage, inwiefern es für Sie problematisch oder eben unproblematisch ist, gemeinsam mit Rainer Meyer in einer Jury zu sitzen, wie folgt: „Normalerweise beschäftigen wir uns mit den eingereichten Beiträgen und nicht mit dem, was die Jurykolleginnen und -kollegen so treiben. Dennoch gehen diese Debatten selbstverständlich nicht spurlos an uns vorüber. Ich kann nur sagen: Ich stehe für einen Journalismus, der nicht hetzt, nicht beleidigt und nicht menschenverachtend ist.“
Offene Fragen
Dieses Statement klingt dann doch nicht so, als spräche die Jury mit einer Stimme. Oder spricht die Vorsitzende hier etwa auch für Rainer Meyer? Das wäre dann doch zu absurd. Ansonsten herrscht eben größtenteils Schweigen. Als wäre es einigen Jury-Mitgliedern peinlich, über dieses Thema zu sprechen. Weitere Fragen werden entweder wortreich umschifft – oder eine Antwort wird ganz explizit abgelehnt.
Wie eine Jury, die es in einem solch wichtigen Punkt nicht schafft, eine gemeinsame Haltung zu finden, den Medienpreis des Parlaments vertreten soll, bleibt eine der vielen offenen Fragen, die das Wirken von Don Alphonso in der Medienlandschaft hinterlässt.
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