piwik no script img

Warnungen der GeheimdiensteDer Krieg ist längst nicht am Ende

Die deutschen Ge­heim­dienst­che­f:in­nen warnen, dass Russland im Krieg Atomwaffen einsetzen könnte. In Deutschland nehmen Cyberangriffe zu.

Zerstörter russischer Panzer in der Ukraine Foto: Francisco Seco/ap

Berlin taz | Der russische Krieg in der Ukraine lässt auch die deutschen Geheimdienste weiter rotieren. Täglich liefert der BND Berichte zur Lage ans Kanzleramt. Der Verfassungsschutz verfolgt, wie hierzulande Ex­tre­mis­t:in­nen oder russische Spio­n:in­nen auf den Krieg reagieren. Unisono sprachen die Prä­si­den­t:in­nen der Dienste bei einer Bundestagsanhörung am Montag von einer „Zäsur“ in ihrer Arbeit. Und BND-Chef Bruno Kahl warnte: Künftig sei auch der Einsatz von Atomwaffen nicht auszuschließen.

Man habe schon vor Jahren gewarnt, Russland setze seine Ziele auch mit Gewalt durch, wie auf der Krim oder in Syrien, erklärte Kahl. Nur sei dies als „Panikmache und Wichtigtuerei“ abgetan worden. Nun sei offensichtlich, dass Putin nicht nur Krieg gegen die Ukraine führe, sondern „gegen die gesamte westliche, demokratische Welt“. Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang warnte, dass Russland „mit strategischer Ausdauer und enormen Ressourcen die Fundamente der Demokratie unterminiert“.

Kahl prognostizierte, dass der Krieg sich bis ins nächste Jahr ziehen wird. Und wenn die russische Armee weiter in die Defensive gerate oder Putin das eigene Territorium in Gefahr sehe, könnte er auch „regional begrenzt“ einen Erstschlag mit taktischen Atomwaffen anordnen. Ziel wäre dann, die Ukrai­ne zu einem „Diktatfrieden“ zu zwingen. Noch aber gebe es dafür keine konkreten Vorbereitungen und keinen Grund zur Panik, so Kahl.

Haldenwang warnte auch vor mehr russischen Spionageeinsätzen, Cyberangriffen, Desinformationskampagnen, Ausspähungen von Oppositionellen und gar „Tötungsmissionen“ in Deutschland. Mit Betreibern hiesiger kritischer Infrastruktur sei man im „intensiven“ Austausch. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärt den Schutz der Infrastruktur inzwischen zur „höchsten Priorität“. Die Betreiber müssten dafür massiv investieren und Back-up-Strukturen aufbauen.

„Fulminantes Sicherheitsproblem“

Martina Rosenberg, Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), berichtete über ausländisches „Aufklärungsinteresse“ an deutschen Waffenlieferungen und jüngste Drohnenüberflüge über Bundeswehrgelände, auf dem ukrainische Sol­da­t:in­nen ausgebildet würden. Man arbeite mit den Polizeibehörden daran, dies künftig zu unterbinden. Konstantin von Notz, Vorsitzender des Kontrollgremiums der Geheimdienste, in dem die Anhörung stattfand, forderte hier mehr Tempo. Die Vorgänge seien ein „fulminantes Sicherheitsproblem“. Die Ge­heim­dienst­che­f:in­nen warnten zudem vor islamistischen und rechtsextremen Gefahren – oder den Machtansprüchen Chinas. Dass die chinesische Reederei Cosco Anteile am Hamburger Hafen erwerben wolle, sei „sehr sorgfältig zu prüfen“, forderte Kahl. Das Thema Taiwan bleibe ebenfalls „ein brennendes Problem“.

Die Ge­heim­dienst­che­f:in­nen nutzten die Anhörung zur Werbung in eigener Sache. Durch die Kriegslage sei seine Behörde „mehr denn je gefordert“, sagte Haldenwang. Die Lage zeige, so Kahl, wie unverzichtbar die Sicherheitsbehörden seien. Statt „kontraproduktiv Angst“ vor diesen zu produzieren, brauche es Vertrauen. Der Linke André Hahn betonte dagegen, dass sich die Dienste insbesondere für die Ausgabe von Steuergeldern weiterhin kritische Fragen stellen lassen müssten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Mein Vorschlag an die Politik :

    Wenn man sich zur Beendigung des Krieges und der Spannungen mit Russland zusammensetzen würde um miteinander über Anfänge und Gründe der Probleme zu beraten, damit man sie dann gemeinsam Stück für Stück beheben und beseitigen kann, um im Anschluss für eine bessere gemeinsame Zukunft mit mehr gutem Miteinander einen Weg zu finden.

    So sollte unser aktuelles Problem diplomatisch zu lösen sein.

    • @felix :

      Sie haben ernsthaft immer noch nicht mitbekommen, dass Russland gar nicht verhandeln WILL?

      • @Kaboom:

        Das ist ein Argument;



        ich habe aber in, ich bin Rentner, meinem Leben sehr viel Erfahrungen in vielen Verhandlungen mit sehr vielen Menschen gesammelt, und denke deshalb so.

  • Am Ende der Fahnenstange war der Krieg zu Ende...

  • Dass der Krieg sich noch ins nächste Jahr hineinziehen und Putin vor der endgültigen Niederlage taktische Atomwaffen einsetzen wird, um das vorauszusehen braucht man kein Geheimdienstchef zu sein.

    Wann hat ein faschistischer Imperialist schon mal gesagt: "Entschuldigung, war nicht so gemeint. Ich gehe dann mal wieder."?

    • @rero:

      Warum sollte er? Er könnte durch einen solchen Schritt nichts, aber absolut gar nichts gewinnen, weder auf dem Schlachtfeld, noch an Drohpotential weil damit auch die letzte Eskalationsmöglichkeit erschöpft wäre, noch an Verhandlungsposition auf internationaler Bühne. Ein Eingreifen der NATO wäre unausweichlich und selbst die letzten, zweifelhaften Verbündete wie Iran oder China würden bei einer solchen Eskalation wohl recht wahrscheinlich auf größtmögliche Distanz gehen.

      • @Ingo Bernable:

        Er hätte dabei auch nichts zu gewinnen.

        Bei der Analyse der Situation bin ich voll bei ihnen.

        Es ginge nur ums Ego.

        Die Ukrainer rechnen damit.



        Ich nehme an, sie kennen sich bei diesem Menschenschlag gut aus.

        • @rero:

          Selbst wenn ihm sein Ego wichtiger sein sollte als sein Leben, werden das all jene in der Befehlskette die einen solchen Angriff dann umsetzen müssten wohl kaum genauso sehen.

          • @Ingo Bernable:

            Davon gehe ich auch aus.

            Die Sowjetunion ist auch mental langsam untergegangen.

  • Wenn Putin sich Vorteile von einem Atomwaffeneinsatz verspricht, wird er sie auch einsetzen.

    • @amigo:

      Also plötzlich doch die Gefahr einer atomaren Eskalation?



      Das wurde doch immer vehement bestritten mit dem Hinweis, dass es gar nicht dazu kommen könne, weil Putin schliesslich kein Selbstmörder sei … und die NATO deshalb in Sachen Ukraine-Unterstützung jetzt ruhig noch ein Brikett darauflegen könne, statt sich um eine Verhandlungslösung zu bemühen (um eben einen Atomkrieg zu verhindern).

      • @Abdurchdiemitte:

        Die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes durch Putin wurde nie bestritten. Und die Behauptung, die NATO würde eine Verhandlungslösung verhindern wollen, ist schlicht vollkommen lächerlicher Mumpitz. Russland will - und das hat sowohl Putin als auch sein Pudel, "Comical" Sergej Lawrow mehrfach gesagt - einen Diktatfrieden. Auf dieser Basis sind aber keine Verhandlungen möglich.

        • @Kaboom:

          Nee, @Kaboom, das mit der nuklearen Bedrohung wurde hier im Forum schon ganz anders diskutiert als Sie es jetzt darstellen. Tenor: Putin wird es nicht tun, also keine Gefahr.



          Mich irritiert halt der plötzliche Alarmismus aus der selben Ecke, die diese Eskalationsgefahr bisher immer heruntergespielt hat … aber ist ja gut, niemand wünscht sich ein solches Szenario.

        • @Kaboom:

          meine kurze Gegenargumentation wäre, eine Art von Diktat schwebt beiden Seiten vor.



          Davon müssen in Verhandlungen beide Seiten etwas Abstand gewinnen, sonst kann es nie zu einem tragbaren Kompromiss für Beide kommen - dann würden Spannungen bleiben, und es würde sich zu wenig für eine bessere Zukunft ändern.