Wahlkatastrophe für die Linke: Der Letzte macht das Licht aus

Einst war Brandenburg eine Hochburg der Linkspartei. Jetzt fliegt sie krachend aus dem Landtag – erstmalig in einem ostdeutschen Bundesland.

Mann macht Geste

„Das ist eine Katastrophe“ Foto: Michael Bahlo/dpa

Berlin taz | Die Gesichter versteinert, das Entsetzen riesengroß. Fassungslosigkeit herrscht auf der Wahlparty der Linken in Potsdam. Dass es sehr eng werden würde, war allen klar. Aber nur noch um die 3 Prozent? Mit solch einem Fiasko hatte auf der Wahlparty der Linken in Potsdam dann doch niemand gerechnet. „Es ist ein desaströses Wahlergebnis“, kommentiert der Linken-Spitzenkandidat Sebastian Walter. „Das ist eine Katastrophe.“ Was soll er auch sonst sagen? Erstmalig fliegt die Partei aus einem ostdeutschen Landtag.

Bis zu diesem Wahlabend galt der 34-jährige Walter als Hoffnungsträger der schwer strauchelnden Linkspartei in Brandenburg. Seit 2019 Fraktionschef im Landtag, seit 2022 auch Landesvorsitzender trauten nicht wenige dem rhetorisch gewandten Ex-Gewerkschaftssekretär zu, die Linkspartei in ihrer einstigen Hochburg wieder in helleres Licht zu führen. Nun sieht es für sie so düster wie noch nie aus.

Bei den Kommunalwahlen Anfang Juni war die Linkspartei bei einem Verlust von 6,3 Prozentpunkten immerhin noch landesweit auf 7,8 Prozent gekommen. Allerdings war da auch noch nicht die Konkurrenz vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) am Start, deren Brandenburger Landesverband erst Ende Mai gegründet wurde. Bei der Landtagswahl sind nun einstige Linken-Wähler:innen in Scharen zum BSW abgewandert. Laut infratest dimap wechselten 41.000 zur Wagenknecht-Partei.

Den letzten Rest aber, so Landeschef Walter, habe der Linken der „Panikwahlkampf des Ministerpräsidenten“ gegeben, der sein politisches Schicksal an einen Wahlsieg der SPD gekoppelt hatte. „Wir sind zerschreddert worden von Dietmar Woidke“, resümierte Walter. Etwa 27.000 Wäh­le­r:in­nen verlor seine Partei an die SPD.

Direktmandat verfehlt

In Sachsen hatte sich die Linkspartei noch Anfang September durch zwei gewonnene Direktmandate in den Landtag retten können. Anders als im Nachbarbundesland hätte in Brandenburg sogar schon ein einziges dafür gereicht. Aber auch das hat nicht geklappt.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Alle Erwartungen hatten hier auf einer Genossin aus der alten Garde gelegen, der Ex-Fraktionsvorsitzenden Kerstin Kaiser. Einst Lehrerin an der Parteischule beim Zentralkomitee (ZK) der SED „Karl Liebknecht“ in Kleinmachnow und Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi, hatte Kaiser immerhin bereits viermal zwischen 1999 und 2014 ihren Wahlkreis Märkisch-Oderland II als Direktkandidatin gewinnen können. Doch dann ging sie 2016 als Leiterin des dortigen Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung nach Moskau, wo sie bis zum russischen Überfall auf die Ukraine 2022 blieb.

Jetzt versuchte die heute 64-Jährige das Politcomeback – und scheiterte trotz bundesweiter Unterstützung krachend. Selbst ohne BSW-Konkurrenz, die in dem Wahlkreis nur mit der Zweitstimme wählbar war, landete Kaiser mit nicht mal mehr 12 Prozent nur auf Platz 3 – mit großem Abstand hinter den Kan­di­da­t:in­nen der AfD und der SPD. Das besiegelte das Schicksal der Linken in Brandenburg als künftig außerparlamentarischer Kraft.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Abstieg begann mit Regierungsbeteiligung

„Wir haben so gekämpft wie noch nie“, sagte Landeschef Sebastian Walter. „Aber wenn du jahrelang die ganze Zeit dich nur um dich selbst drehst, dich nicht um die Probleme der Leute kümmerst, dann reicht ein Wahlkampf von sechs bis acht Wochen nicht aus, um das wieder zu drehen“, so Walter mit Blick auf die Turbulenzen auf Bundesebene. Aber das reicht als Erklärung des Desasters bei weitem nicht aus. Die Probleme liegen auch im Landesverband selbst – und sie bestehen nicht erst seit kurzem.

Ihren Höhepunkt hatte die Linke in Brandenburg, als sie noch PDS hieß. Bei der Landtagswahl 2004 landete die Partei mit 28 Prozent nur knapp hinter der SPD und weit vor der CDU. Das war das beste Ergebnis, das die PDS je bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik einfahren konnte. Die Linkspartei schaffte nur in Thüringen 2014 und 2019 noch etwas bessere Ergebnisse.

Der Abstieg in Brandenburg begann mit ihrem vermeintlich größten Erfolg. Nachdem die Linke bei der Landtagswahl 2009 auf 27,2 Prozent gekommen war, entschied sich der seinerzeitige SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck zum Juniorpartnertausch und ersetzte die CDU durch die Linke. Den Koalitionsvertrag unterschrieb – Kerstin Kaiser.

Zehn Jahre durfte die Partei in Potsdam mitregieren. Anspruchslos wie unambitioniert begnügte sie sich dabei mit der Rolle der Mehrheitsbeschafferin für die SPD. Auch die starken Verluste bei der Landtagswahl 2014, bei der sie auf 18,6 Prozent abstürzte, führten nicht zu einer Kurskorrektur.

Ohne irgendwelche wahrnehmbaren inhaltlichen Spuren ihrer Regierungsbeteiligung zu hinterlassen, hatte die Linkspartei schließlich 2019 ihre Schuldigkeit getan. Mittlerweile auf 10,7 Prozent abgerutscht, war sie keine ernsthafte Konkurrenz mehr für die SPD und so entschied sich Platzeck-Nachfolger Dietmar Woidke, nun lieber die CDU und die Grünen in der Regierung wieder kleiner zu machen – womit er ja auch erfolgreich war, wie der Wahlausgang an diesem Sonntag zeigt.

Linke Ruinenlandschaft

Vor 30 Jahren hatte die PDS in Brandenburg mehr als 18.200 Mitglieder. Als die Linkspartei 2009 in die Landesregierung eintrat, waren es noch rund 9.000, inzwischen sind nur rund 4.000 Mitglieder verblieben. Dabei ist der Verlust nicht alleine Austritten, sondern zu einem sehr hohen Anteil einer Überalterung der Mitgliedschaft geschuldet, von der ein Großteil noch zu SED-Zeiten politisch sozialisiert wurde. Wenn alte Ge­nos­s:in­nen sterben, aber wegen mangelnder Attraktivität zu wenig neue Ge­nos­s:in­nen hinzukommen, geht es zwangsläufig bergab.

Es wäre also zu einfach, zu glauben, die tiefe Krise der Linkspartei sei durch einen bloßen Austausch von Köpfen an der Bundesspitze zu überwinden. Denn unabhängig vom jeweiligen Bundestrend hat die Linkspartei in Brandenburg ihren seit Jahrzehnten andauernden personellen Aderlass bis heute nicht stoppen können.

Wie schon in Sachsen ist die Folge ein schleichender, aber für die Partei schmerzhafter Verlust an Verankerung in der Fläche. Jenseits der größeren Städte sieht es auch in Brandenburg in weiten Teilen schon länger düster aus, was ihre Funk­tio­nä­r:in­nen aber allzu lang nicht wahrhaben wollten. „Wir sind verankert“, gab sich Walter selbst am Wahlabend weiter unverdrossen zuversichtlich. „Wir müssen von unten anfangen, die Partei wieder aufzubauen.“ Vielerorts ist allerdings nicht mehr viel da, um darauf noch etwas aufzubauen. So jedenfalls dürfte sich die Linkspartei die von ihr stets geforderte Angleichung der Ost- an die Westverhältnisse wohl nicht vorgestellt haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.