Waffen für Bundeswehrdrohnen: Nicht um den Preis ziviler Opfer
Eine Bewaffnung von Drohnen sollte nur mit strengen Vorgaben erfolgen. Der Schutz für die Bundeswehr darf nicht auf Kosten Unbeteiligter gehen.
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D ie USA verabschiedeten sich im August mit einem Fehlschlag aus Kabul. Der „Islamische Staat“ (IS) hatte gerade einen Anschlag auf den Flughafen verübt, wo die Evakuierungsaktion des Westens lief. Über 170 Zivilist*innen und 13 US-Soldat*innen starben.
Drei Tage später wollte das US-Militär das nächste Attentat verhindern und einen IS-Terroristen ausschalten, in dessen Wagen es Sprengstoff vermutete. Das Problem: Die vermeintlichen Bomben waren Wasserkanister, der angebliche Attentäter ein Unschuldiger. Er und neun Angehörige starben durch den Angriff einer amerikanischen Kampfdrohne.
Was das mit den Koalitionsverhandlungen in Berlin zu tun hat? Die Ampel-Verhandler*innen könnten beschließen, dass auch die Bundeswehr ihre Drohnen bewaffnen darf. Die FDP ist ohnehin für Kampfdrohnen und die Grünen haben auf ihrem Parteitag im Juni ihren Widerstand abgeräumt.
Und der SPD-Vorstand hat in dieser Woche wohlwollend die Empfehlung einer parteiinternen Arbeitsgruppe entgegengenommen, die sich für die Bewaffnung unter bestimmten Umständen ausgesprochen hat: Keine gezielten Tötungen jenseits des Völkerrechts, kein Einsatz ohne Bundestagsmandat, klare Einsatzregeln für die Pilot*innen und so weiter.
Die SPD-Spitze holt sich die Legitimation der Partei
Für dieses Ergebnis an sich hätte es zwar keine Arbeitsgruppe gebraucht. Die Debatte zum Thema läuft seit Jahren, der jetzige Vorschlag lag mit anderen Worten schon auf dem Tisch und neue Argumente hat das Gremium auch nicht präsentiert.
Immerhin hat es die SPD-Spitze aber geschafft, sich durch das Verfahren die Legitimation der Partei zu holen. Ganz leise ist noch Protest aus dem linken Parteiflügel zu vernehmen, den großen Aufschrei gibt es aber nicht – weder inner- noch außerhalb der SPD.
Dafür gibt es verständliche Gründe: Nach der jahrelangen Debatte hat sich die Öffentlichkeit an den Gedanken der Bewaffnung gewöhnt. Kampfdrohnen sind keine neue Technik mehr, sie haben sich international durchgesetzt und werden nicht mehr verschwinden. Ein deutscher Verzicht hat heute keinen Symbolwert mehr. Und Regeln, wie die SPD sie formuliert hat, machen ja tatsächlich einen Unterschied.
Ein Drohnenkrieg im Stile der USA, die ungefragt in diverse Länder einfliegen und dort Todeslisten abarbeiten, ist damit ausgeschlossen. Es bleiben zwar trotzdem gewichtige Gegenargumente, zum Beispiel, dass die politischen Hürden für Einsätze sinken, wenn künftig jede Bundeswehrpatrouille durch eine Drohne abgesichert wird und damit das militärische Risiko schrumpft.
Zivile Opfer sind auch mit Kampfjets möglich
Allerdings ändert sich dadurch nicht die grundlegende Art und Weise, wie die Bundeswehr Kriege führt. Luftunterstützung gibt es heute schließlich schon durch Kampfjets, sie sind nur weniger effizient als Drohnen, die schneller einsetzbar sind und länger in der Luft bleiben können.
Alles kein Problem also? So ist es auch wieder nicht. Nehmen wir als Beispiel den US-Fehlschlag aus dem August: Den Regeln, die die SPD formuliert hat, widerspricht ein solcher Angriff nicht unbedingt. Es ging nicht um eine extralegale Hinrichtung, sondern im weitesten Sinne um den Schutz eigener Soldat*innen mit Mitteln, die man mit gutem Willen völkerrechtlich begründen kann.
Auch solche Angriffe und damit einhergehende zivile Opfer sind zwar nichts grundlegend Neues. Sie sind auch mit Kampfjets möglich, man denke nur an die Tanklaster von Kundus. Allein durch die Flexibilität der Drohnen, durch die häufigere Verfügbarkeit könnte es aber sein, dass die Bundeswehr in künftigen Einsätzen öfter Raketen abfeuert als heute. Obwohl Drohnen präziser sind als Kampfflugzeuge, könnte in der Summe die Zahl ziviler Opfer steigen.
Entscheidend ist deshalb in den Koalitionsverhandlungen: Wenn die Kampfdrohnen schon kommen, dann dürfen die Einsatzregeln nicht nur streng aussehen. Sie müssen Zivilist*innen tatsächlich so viel Schutz garantieren, wie es in einem Krieg überhaupt möglich ist.
Sollte andernfalls die Sicherheit deutscher Soldat*innen auf Kosten der Bevölkerungen in den Einsatzländern steigen, wäre das nicht nur moralisch fragwürdig. Es könnte strategisch auch nach hinten losgehen: Zivile Opfer sorgen vor Ort bestimmt nicht für Akzeptanz.
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