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Vertrauensfrage von ScholzDer AfD ist nicht zu trauen

AfD-Abgeordnete könnten Montag im Bundestag dem Kanzler ein vergiftetes Angebot machen. Parteichef Chrupalla lässt offen, ob er für oder gegen Scholz stimmt.

Taschenspielertricks und falsches Vertrauen: Russlandtreue AfDler zeigen sich vor Scholz-Abstimmung am Montag im Bundestag gewieft Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Eine Sorge geht um im Bundestag: Seit Wochen befürchten die Fraktionen vor allem der demokratischen Parteien, dass die autoritär-nationalradikale AfD mal wieder auf das größtmögliche Chaos setzt – und bei der am Montag anstehenden Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für den SPD-Politiker stimmen könnte. Das wäre ein Szenario, das mit der Kemmerich-Wahl in Thüringen 2020 vergleichbar wäre, als die AfD ihren eigenen Kandidaten leer ausgehen ließ und überraschend den FDP-Politiker wählte und damit kalkuliert eine politische Hängepartie auslöste.

Der Patei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla nährte dieses Narrativ am Mittwoch offensiv im RBB-Inforadio: Er könne nicht ausschließen, dass einzelne Abgeordnete für Scholz stimmen würden, sagte er im Inforadio des RBB: „Wir wollen natürlich auch verhindern, dass ein Friedrich Merz relativ schnell Bundeskanzler wird, weil der wirklich das schlimmere Übel wäre, gerade was Taurus-Lieferungen an die Ukraine angeht.“ Chrupalla ist für seine Russlandnähe berüchtigt und hält auch seit Putins Überfall auf die Ukraine den Kontakt zur russischen Botschaft.

Der Fraktionsvorsitzende sagte aber weiter, dass er davon ausgehe, dass die große Mehrheit seiner Fraktion Scholz nicht das Vertrauen aussprechen. Es bleibe aber eine Gewissensfrage ohne Fraktionszwang. Auf die Frage der taz, ob Chrupalla selbst für oder gegen Scholz stimmen werde, wollte er sich nicht festlegen. Und das, obwohl die extrem rechte Partei seit Monaten Neuwahlen fordert. Eine Aussprache in der Fraktion findet dazu erst am Montagvormittag in einer Fraktionssitzung um 11 Uhr kurz vor der Vertrauensfrage statt.

Scholz Minderheitsregierung aus SPD und Grünen hat noch 324 Abgeordnete. Erhält der Bundeskanzler bei der Vertrauensfrage 367 Stimmen, wäre sie mit „Ja“ beantwortet. Die AfD-Fraktion kommt auf 76 Abgeordnete.

Weidel will gegen Scholz stimmen

Chrupallas Co-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl Alice Weidel ist eindeutiger: Sie wird in der Vertrauensfrage gegen Scholz stimmen, bestätigte ihr Sprecher der taz. Weidel geht weiter davon aus, dass eine andere Haltung eine „starke Mindermeinung“ innerhalb der Fraktion sei. Die üblichen Verdächtigen scherten nun aus, maximal rechne man mit fünf Abgeordneten. Insgesamt sei doch klar, dass man jetzt nicht so eine komische Wendung hinlegen können, nachdem man ewig Neuwahlen gefordert hatte, wie es vom Sprecher schon Mitte November hieß. Daran habe sich seither nichts geändert, betonte dieser.

Der üblichste Verdächtige ist der Höcke-Freund Jürgen Pohl aus Thüringen. Der hatte bereits vor drei Wochen öffentlich kundgetan, dass er Scholz gegenüber einem CDU-Kanzler Friedrich Merz in Sachen Ukraine-Unterstützung als das „kleinere Übel“ ansehe. Er wollte der Fraktion ein Angebot machen, es ihm gleichzutun. Wie ist diese interne Diskussion gelaufen? Aus seinem Büro antwortet auf die taz-Anfrage der früher in der Neonazi-Szene aktive Benedikt Kaiser: „Argumente für und wider wurden im internen Rahmen ausgiebig konstruktiv debattiert.“ Ein Gespräch lehnt Pohl ab.

Fragt man in der Fraktion herum, hört man vereinzelt noch Zweifel bei vier bis fünf Abgeordneten, die ebenfalls für Scholz stimmen könnten: die Höcke-Getreue Christina Baum; der Berufs-Cellist mit Honorar-Professur in Moskau, Matthias Moosdorf; ebenso der notorische Russlandreisende Rainer Rothfuß sowie möglicherweise auch Gerold Otten, aus dem sich häufig russlandnah positionierenden Landesverband Bayern. Sie antworteten bislang nicht auf taz-Anfrage.

Stefan Keuter aus dem Arbeitskreis Außenpolitik war vor dem Krieg auch mit freundlicher russischer Genehmigung als Pseudo-Wahlbeobachter in Putins Autokratie unterwegs, um ihr Legitimation zu verschaffen. In der Vertrauensfrage aber legte er sich der taz gegenüber fest: Er werde „selbstverständlich“ gegen Scholz stimmen, man fordere ja schließlich seit Jahren, dass Scholz und die Ampel „weg„müssten: „Ich hoffe, dass niemand aus unserer Fraktion für Scholz stimmen wird.“

Restrisiko bleibt

Der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann hoffte ebenfalls auf ein einheitliches Bild: Die AfD-Fraktion wolle ein „schnellstmögliches Ende“ der noch amtierenden Regierung: „Dementsprechend spricht sie dem Kanzler nicht ihr Vertrauen aus“, sagte Baumann. Einen absoluten Fraktionszwang gebe es dabei aber nicht. Der Stellvertretende parlamentarische Geschäftsführer, Stephan Brandner, wollte ebenfalls gegen Scholz stimmen.

Auch wenn weitere Anfragen an AfD-Abgeordnete bislang unbeantwortet blieben, positioniert sich die Mehrzahl der AfD-Politiker gegen Scholz und geht davon aus, dass es bei einzelnen Voten für Scholz bleibt. Selbst Querulanten wie der nicht in die Fraktion aufgenommene AfD-Politiker Matthias Helferich, ebenfalls gut vernetzt in der extrem rechten Szene, sind gegen Scholz – er werde Scholz sein Vertrauen nicht aussprechen, sagte er.

Ob der AfD bei der Vertrauensfrage zu vertrauen ist, bleibt dennoch fraglich: Schließlich operiert man in der extrem rechten Partei gerne mit Taschenspielertricks: nicht nur 2020 in Thüringen. Ein ähnliches Manöver hatte die AfD Berlin bei der Wahl des CDU-Bürgermeisters Kai Wegner im April 2023 aufgeführt, der ebenfalls mutmaßlich mit AfD-Stimmen gewählt wurde. Und zuletzt zeigte sich mal wieder in Thüringen, wie die Partei den Parlamentarismus instrumentell nutzt, um die demokratischen Institutionen selbst zu bekämpfen – als der AfD-Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Landtags blockierte und das Landesverfassungsgericht intervenieren musste.

Dennoch bleibt es bei der Vertrauensfrage von Scholz eher unwahrscheinlich, dass ein größerer Teil der AfD-Fraktion oder gar die ganze Fraktion geschlossen für Scholz stimmt: Eine Neuwahl dürfte der Partei angesichts der hohen Umfragewerte langfristig mehr nutzen als das kurzfristig gestiftete Chaos – zumal es für die eigene Klientel schwer zu erklären wäre, warum man ausgerechnet eine rot-grüne Minderheitsregierung stützt.

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15 Kommentare

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  • "Eine Sorge geht um im Bundestag: Seit Wochen befürchten die Fraktionen, (...) dass die autoritär-nationalradikale AfD (...) bei der am Montag anstehenden Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für den SPD-Politiker stimmen könnte"



    Du liebe Güte🙄, einfach nicht für Scholz stimmen. Das ist ein Gedanke, eine Zeile in einer internen Anweisung - in e-Mail-Verteiler und fertig.



    3 Minuten später kann sich wieder um echte Probleme dieses Landes gekümmert werden.



    Wenn die das nicht auf die Kette kriegen und wirklich seit Wochen dafür Zeit und Gedanken verschwenden dann gute Nacht 🙈



    Es ist wirklich nur noch Realsatire am laufenden Band 😮‍💨

  • Man sollte nicht alles glauben was so erzählt wird. Die AFD wird wohl für nein abstimmen. Angeblich wollen die Grünen auch nicht für Nein stimmen. Also wenn man das glauben soll, ist die AFD nicht das einzige Problem in der Sache

  • Ich sehe da überhaupt keine Ähnlichkeit zu Thüringen. Ja, einen eigenen Kandidaten aufzustellen und dann geschlossen einen anderen zu wählen, ist ein Taschenspielertrick. In der Vertrauensfrage dem Kanzler das Vertrauen auszusprechen ist vollkommen legitim.

  • 'Vertrauen muss man sich verdienen.' Laut Umfragen vertrauen 67% der Befragten den Parteien eher nicht. 6% wissen nicht, ob sie den Parteien trauen oder nicht. Worauf die verbleibenden 27% ihr Vertrauen in die Parteien stützen, bleibt ihr Geheimnis. Das Grundgesetz und die politische Praxis in der Bundesrepublik geben kaum Anlass dafür.

    Da liegt der Schluss nahe, dass eine Mehrheit der WählerInnen als in das Land Hineingeborene ihr passives Wahlrecht eher hinnimmt, statt aktiv Mitbestimmungsrechte zu fordern. Das nennt sich 'gelebte repräsentative Demokratie'.

  • Das Problem ist doch einfach zu lösen: Wenn SPD und/oder Grüne nicht für Scholz stimmen, kann die AfD mit so einem Manöver nichts erreichen.

    • @Wonko the Sane:

      Genau so ist es, aber leider ist es in der Politik immer noch nicht angekommen das es um das Wohle des Landes gehen soll und nicht das der Partei.

    • @Wonko the Sane:

      Dann haben sie aber einen Kanzlerkandidaten ohne Unterstützung der eigenen Fraktion. Dieses Bild will die SPD wahrscheinlich eher vermeiden und Geschlossenheit demonstrieren.

      • @Šarru-kīnu:

        Ich verstehe schon, dass man dem Kanzlerkandidaten nicht das Vertrauen entziehen will, aber es geht hier doch offensichtlich um die Herbeiführung von Neuwahlen, deren Notwendigkeit wirklich alle einsehen. Es würde ja sogar reichen, wenn die Grünen nicht für Scholz stimmen, deren Kandidat ist er ja nicht.

    • @Wonko the Sane:

      Das hieße allerdings, dass die eigene Fraktion ihrem Kanzler das Vertrauen entzieht. Dieses Szenario wäre katastrophal.

      • @Tom Tailor:

        Inwiefern?



        Wenn man das vorher unaufgeregt öffentlich kommuniziert mit dem Hinweis, das man so sicherstellen will, dass die Neuwahlen planmäßig herbeigeführt werden ist jeglicher Springerpresse der Wind aus den Segeln genommen🤷‍♂️



        Ach so, es ist die SPD und Scholz, stimmt, Kommunikation ist für die ein Fremdwort, mein Fehler, sorry

  • Für mich wieder so ein Artikel, wo man die AfD unnötig größer macht als sie ist. Natürlich würden die gern dazwischenfunken. Aber sie haben gerade 76 Stimmen. Wer glaubt denn, dass in dieser Konstellation alle rot/grünen Abgeordneten geschlossen für Scholz stimmen und so dafür sorgen, dass sie zusammen mit den AfD Abgeordneten mittells einer gescheiterten Auflösung des Parlament das Land handlungsunfähig machen und ihren eigenen Wahlkampf ad absurdum führen? Bis jetzt gabs zweimal so einen Fall und immer lief das über Enthaltungen von Regierungsabgeodrneten. Für mich ist das Geraune, dass die AfD Neuwahlen platzen lassen könnte, absolut unnötige Bühne für diesen Verein.

  • Die Grünen wollen sich enthalten. Könnte die SPD auch machen. Dann ist es Wurst, was die AfD macht.

    Neuwahlen wollen ja alle. Also warum nicht auf Nummer sicher gehen?

  • „AfD-Abgeordnete könnten Montag im Bundestag dem Kanzler ein vergiftetes Angebot machen. " Wie kommt man auf so eine unsinnige Sub-Headline?



    Und auch der Vergleich mit der Kemmerich-Wahl hinkt. Die Stimmabgabe bei der Vertrauensfrage ist nicht geheim, eine MP-Wahl aber ist geheim, wobei zusätzlich die/der Gewählte die Wahl annehmen muss, was Kemmerich seinerzeit - zum Schrecken vieler Demokraten - getan hat.



    Ausgesprochenes Vertrauen kann (meines Wissens) nicht abgelehnt werden.

  • So so, der Herr Scholz befürchtet, die Vertrauensfrage könnte ungeplant positiv für ihn ausgehen. Kleiner Tipp: Um die möglichen unerwünschten Ja-Stimmen von der AgD zu kompensieren, brauchen sich ja bloß 50 SPD-Abgeordnete der Stimme zu enthalten.

  • Offengestanden versteh ich das Problem nicht. CDU, SPD, Grüne und FDP sind sich einig, dass sie Neuwahlen wollen. Warum sich dann groß darum kümmern, wie der Rest stimmt?



    Oder rechne ich falsch?



    Insbesondere ist die Einstellung, dass man immer das Gegenteil von dem machen muss, was die AfD propagiert, wohl so ziemlich banane.