Verkehrsvolksentscheid in Paris: Vortäuschende Partizipation
Paris' Bürgermeisterin Hidalgo simuliert lediglich Bürgerbeteiligung bei ihrer Verkehrswende. Das verstärkt die Polarisierung in der Klimapolitik.
A utos raus aus den Innenstädten, weniger Parkplätze, dafür mehr grüne Fußgängerzonen: In Paris haben am Sonntagabend die Einwohner*innen bei einer Bürgerbefragung mehrheitlich für 500 neue autofreie Straßen gestimmt. Der Haken: Die Wahlbeteiligung lag bei gerade einmal vier Prozent. Nur 56.000 Bürger*innen, bei 1,4 Millionen Wahlberechtigten, haben sich überhaupt für dieses Thema interessiert. Rund 37.000 Bürger*innen haben wiederum mit Ja gestimmt, sie sind also für mehr autofreie Straßen. Das sind nicht sonderlich viele Menschen, die die Verkehrswendepolitik von Bürgermeisterin Anne Hidalgo stützen. Dennoch nutzt Hidalgo das Ergebnis der Befragung als Legitimation für ihre Verkehrswendepolitik.
Gewinnt man die Bürger*innen damit für den persönlichen Verzicht, wo es ja immer heikel wird, in dem Fall aufs vor der Haustür geparkte Auto? Eher nicht. Im Gegenteil: Die Autofraktion kann jetzt behaupten, die Bürgermeisterin betreibe bloß Schaufensterpolitik und sei an echter Bürger*innenbeteiligung gar nicht interessiert. Und womöglich ist da etwas dran. Auch wenn Hidalgo, die seit 2014 Bürgermeisterin von Paris ist und 2026 nicht noch einmal antreten will, durchaus Erfolge vorweisen kann und mit ihrer Verkehrspolitik anderen Großstädten als Vorbild gilt: weitgehend verkehrsberuhigte Innenstadt, flächendeckend Tempo 30, hohe Parkgebühren für SUVs.
Aber viele Menschen nimmt sie offensichtlich damit nicht mit, sie fühlen sich von einer Partizipation nur vortäuschenden Politik – das Votum ist ohnehin nicht bindend und die gestellte Frage vielleicht auch komplexer als ein Ja oder Nein zum Auto – nicht angesprochen. Stattdessen leistet sie der Polarisierung Vorschub, was bedauerlich ist, weil es gerade bei der Verkehrswende darum gehen müsste, breite Mehrheiten für sie zu gewinnen.
Dafür braucht es aber vielleicht eine etwas geduldigere Partizipationspolitik als die von Hidalgo. Bürgerbeteiligung ist mühsam. Aber im besten Fall erreicht sie die Menschen.
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