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Urteil zum Hambacher ForstVon wegen Brandschutz

Bernd Müllender
Kommentar von Bernd Müllender

Für die Besetzenden ist das Kölner Urteil zum Hambacher Forst eine bittere Genugtuung. Ihren Mitstreiter macht es nicht wieder lebendig.

September 2018: Polizeitrupp auf dem Weg zur Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst Foto: Wolfgang Rattay/reuters

J ede und jeder hat es gewusst, damals im Herbst 2018, und darüber schallend gelacht oder empört geschimpft: Der Hambacher Wald sollte von diesen BesetzerInnen-Elementen in den Baumhäusern geräumt werden, weil die Holzhütten nicht mit dem Brandschutz vereinbar sind. Raus mit dem Gelump, quasi aus Fürsorge. Das hatte Armin Laschets Landesregierung verfügt, mit zwei wackeligen Gutachten zu 60.000 Steuergeld-Euros.

Die Stadt Kerpen musste den Einsatz durchführen, tausende PolizistInnen wurden zwei Wochen lang in die Barrikaden geschickt. So wurde der Hambacher Forst, gerade auch durch die rabiate Räumung, zum Symbol für die Klimaschutzbewegung weltweit. Jetzt hat das Kölner Verwaltungsgericht kurz und schmerzlos geurteilt: Die Brandschutz-Krücke war rechtswidrig, weil offensichtlich vorgeschoben. Ein Keulenschlag, vor allem für den Braunkohle-Intimus Armin Laschet.

Auch für seinen Pitbull-Innenminister Herbert Reul mit dem ständigen Gefasel von den Linksextremisten. Und für die Bau- und Brandschutz-Ministerin Ina Scharrenbach, die damals weisend voranging – und heute als Laschets Nachfolgerin gehandelt wird für den Fall der Kanzlerschaft. Schon dass damals nur Tage nach tabula rasa im Wald das OVG Münster jede Rodung untersagte, war ein politischer Niederschlag.

Jetzt hätte jeder der drei endgültig gute Gründe zurückzutreten wegen gerichtlich attestierter politischer Willkür. Reul ließ die taz noch wissen, er sei „vom Urteil überrascht“. Der Kölner Hieb hat Laschets Märchenstunde beendet; die Räumung war rechtswidrige Amtshilfe für die emsigen Klimavernichter von RWE. Der Jubel bleibt indes vielen im Hals stecken: Beim Einsatz ist ein junger Mann in den Tod gestürzt. Dieser Steffen Meyn wäre diese Woche 30 geworden.

Wie mögen die Brandschutz-Clowns das Urteil seinen Eltern erklären? Interessant wird sein, ob die Stadt Kerpen als Beklagte des Kölner Urteils Berufung einlegt. Man darf vermuten, dass sie dazu wenig Lust hat – schon damals war der Stadt klar, dass sie als ausführendes Organ missbraucht wurde. Man darf auch vermuten, dass das Land NRW das Urteil liebend gern vom Tisch hätte: Hallo Kerpen, ruft bloß mit aller juristischen Kraft das OVG Münster an.

Wird bei künftigen Strukturhilfen sicher nicht zu eurem Nachteil sein. Und wenn Ihr dazu eine Brandschutz-Verordnung braucht, stehen wir gern bereit.

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Bernd Müllender
Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).
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32 Kommentare

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  • Warum ist der Staat nicht zu Schadensersatz verpflichtet, wenn bei einer bewusst rechtswidrigen Aktivität jemand zu Schaden kommt?

    Das verstehe ich nicht.

  • Wer durch falsche Angaben einen unnötigen Einsatz der Feuerwehr verursacht, wird zumindest für einen Teil der Kosten des Einsatzes herangezogen....

  • Armin Laschet spielte falsch und war bereit dabei notfalls auch über Leichen zu gehen. Nach CDU-Logik soll ihn das jetzt auch noch zum Kanzler qualifizieren. Geht gar nicht!

  • Armin Laschet spielte falsch und ging dabei notfalls auch über Leichen. Nach CDU-Logik soll ihn das jetzt zum Kanzler qualifizieren. Armes Deutschland!

  • taz: "Die Brandschutz-Krücke war rechtswidrig, weil offensichtlich vorgeschoben. Ein Keulenschlag, vor allem für den Braunkohle-Intimus Armin Laschet."

    Wer - außer die taz - berichtet denn davon; etwa die neoliberale Springerpresse, die unionstreue FAZ oder dieser Verdummungssender RTL-Bertelsmann? Diese "Kohle-Brüder" Laschet und Reul können anscheinend in unserer Demokratie machen was sie wollen.

    Greenpeace hat übriges sehr positiv auf das letzte Video von Rezo reagiert und einige Fakten über RWE nachgeliefert.

    ***Greenpeace REAGIERT auf Rezo: Das sind die Fakten***



    www.youtube.com/watch?v=ENwgQ-LxVFQ

  • Tragisch das. Laschet scheint es so unangenehm zu sein dass er Es versucht kleinzureden.



    Im gestrigen Klartext (ab min7) behauptet er das der Hambacher Forst 4100 m2 groß gewesen sei, davon seien 200 m2 nicht gerodet.



    Eine unverschämte Untertreibung, Faktor 10.000 glaube ich.

  • Warum kann man diese Typen nicht verklagen und in den Knast bringen?

    • @MC:

      Warum kandidiert jemand wie Laschet? Warum wird das Thema von den politischen Gegner:Innen nicht thematisiert? Das sind alles Fragen, die man sich stellen kann.

    • @MC:

      Weil die Polizei dem Staatsanwalt untersteht, der dem IM, der der Regierung und schwups ist Gewaltenteilung in D ad absurdum geführt!

    • @MC:

      Kann man! Es scheitert nur an Polizei und Staatsanwaltschaft. Blöd wenn die dem IM unterstehen, der der Regierung untersteht.



      Gewaltenteilung war früher mal...

  • Wie geht das denn nun wohl weiter? Werden Reul und Laschet persönlich für den Tod von Steffen zur Rechenschaft gezogen? Für mich wäre das die logische Konsequenz.

    • @NurMalSo:

      Es ist natürlich problematisch, wenn Argumente vorgeschoben werden. Da Gerichte das normale Argument, das das Unternehmen seine Rechte wahren will nicht akzeptiert. Es ist wichtig die Demokratie zu schützen, was haben aber solche Aktionen mit Demokratie zu tun?

    • @NurMalSo:

      Warum? Weil in der dortigen Gruppe zu lasch mit Absicherungen umgegangen wurde, man sich da nicht gegenseitig kontrolliert hat und wenn es aufgefallen ist, dass er ungesichert war, den Mund gehalten hat?

      Da sucht man wohl eine Sündenbock.

    • @NurMalSo:

      Eher werden Belarus, Türkei, Polen, China und Russland richtige Demokratien...

  • So und wo ist nun der Bericht das die Staatsanwaltschaft, gerne auch der Generalbundesanwalt (schließlich scheint hier auch Korruption und Bandenmäßige Vorteilsnahme mit dazu geführt haben), gegen amtierende Politiker Ermittlungen starten. Die Lobbyarbeit im Bundeskanzleramt und Co. prüfen?



    Wo werden die Personen in u-Haft genommen? wo werden die Immunität entzogen um weiterführende Ermittlungen aufzunehmen.



    Komischerweise geht genau DAS in #sucksen, wo SPD, Grüne und Linke Politiker als parlamentarische Beobachter bei z.B. Ende Gelände auftraten, frühzeitig der Polizei das kommunizierten und die Polizei das bestätigte, das trotzdem denen die Immunitätdurch die Landtagsarbeit entzogen werden durfte.



    Wo wird dies aber vorgenommen, bei Amthor, Maskendeals CDU Politiker, AfD-Spendenskandal, Wirecard-Skandal etc.



    Gerne kann ja dafür auch der neuste Lobbyreport hier nachzulesen: www.lobbycontrol.d...10908&pk_source=nl von den Ermittlern genutzt werden. Wir wissen ja u.a. auch seit #sucksen das die Polizeiermittler gerne begriffsstutzig sind und keine Fallakten anlegen können. Hier können sie also quasi copy&paste durchführen und haben schon 80% der Fallakte für den Staatsanwalt erstellt.

    Wann werden die Verantwortlichen hier entsprechend ähnliche Verfahren vorgesetzt.

    wir haben hier absolutes antidemokratischen Vorgehen, beginnend mit dem Polizeieinsatz, bis hin jetzt das die Staatsanwaltschaft NICHT gegen die Verantwortlichen vorgeht.



    Gewaltenteilung scheint in D, schon ad absurdum geführt worden zu sein. Wo bleibt hier also die 4.Gewalt um das zu thematisieren?

  • Die Landesregierung hat schlicht und einfach gelogen um denGrund für eine Räumung zu schaffen. Eine Unmenge Steuergeld wurde verschwendet, hunderte Polizisten wurden als Büttel missbraucht und am schlimmsten: Auf beiden Seiten wurden Verletzte und Tote bewusst in Kauf genommen. Leute wie Laschet, Reul & Co gehören vor Gericht, nicht in Regierungsämter.

    • @Gandalf der Graue:

      Hey, Normal! über den Budespräsi hat vor der Wahl im DLF in einem Interview auch mal ein Bundesrichter a.D. gesagt er wäre für seine Guantanamo Unterschrift als Kanzleramtsminister in den Bau gegangen... war aber als es rauskam verjährt und der Mann geschützt durch Immunität.

      Verbrecher im Amt. Klar, Immer, selbst im Höchsten! Da würde ein Laschi als Kanzler ganz vorzüglich dazu passen.

  • Wie geht es nun weiter?

    Laschet, Reul und Scharrenbach haben in schlechtester autokraten-manier einen rechtswidrigen polizeieinsatz ausgelöst. Der innenminister tönte scharfmacherisch über die demonstrierenden „Sie wollen nicht die Bäume retten, sondern unseren Staat abschaffen“. Das verwaltungsgericht köln hat festgestellt, dass die demonstrierenden tatsächlich und zu recht bäume retten wollten. Reul ist es, der den staat abschaffen wollte - unseren demokratischen und freiheitlichen rechtsstaat. Um des profitinteresses der rwe willens befahl er tausende polizisten zu einem mehr als eine million arbeitsstunden dauernden rechtsbruch. Auf seine anordnung wurden zehntausende besorgte bürger drangsaliert, kriminalisiert, inhaftiert, verletzt oder ihr eigentum zerstört, starb ein 27-jähriger.

    Und was passiert nun mit den politisch verantwortlichen, sämtlich unionschristen? Laschet, moralisch ungeeignet, strebt weiter ins kanzlerinnenamt. Reul, sein innenminister will dieses jahr ein versammlungsgesetz verabschieden lassen, dass seines repressiven charakters wegen von gewerkschaften, bürgerrechtler*innen, linken und antifaschist*innen heftig kritisiert wird.

    Wie reagiert die polizeiführung? Wurde in der vergangenheit von ihrer seite kritik laut, von der cdu-nrw zum erfüllungsgehilfen der rwe gemacht zu werden? Tausende polizisten führten unrechtmäßige polizeimaßnahmen durch, übten rechtswidrig unmittelbaren zwang aus. Was macht das mit den bürger*innen? Was macht das mit den beamten, deren handeln zum tod eines jungen mannes führte? Entschuldigen sich die polizeiführer zumindest im nachhinein bei den ihnen unterstellten hundertschaften? Bei den zu unrecht polizeilichen maßnahmen unterworfenen im forst? Bei den friedlichen, um das wohl unserer erde besorgten aktivist*innen?

    Und neben dem immensen immateriellen schaden, wer ersetzt dem land nrw die mehr als 30 mio. euro, die der einsatz gekostet hat? Wer den demonstrierenden ihr zerstörtes eigentum?

    • @hinnerk untiedt:

      eigentlich die Gretchenfrage: warum lässt sich eine in Recht und Gesetz unterwiese Polizei für so etwas widerspruchslos instrumentalisieren?

      Das macht mir mehr Angst als das Fehlverhalten der Politiker.

      • @danny schneider:

        Die Polizei ist ja als langer Arm der StA weisungsgebunden.



        Und die StA sind weisungsgebunden gegenüber dem Ministerium.

        So wird ein Schuh draus.

  • Also im Umkehrschluß politisch motiviere Behördenwillkür.



    Sie an sie an.

    Da fragt man sich doch zurecht was diese Politiker denn wohl von denen in Polen, Rußland, China und nicht zuletzt der Türkei unterscheidet.

    Aber eines ist wohl sicher: Köpfe rollen werden nicht.

    • @Bolzkopf:

      Mann, Bolzkopf!



      Was haben Sie denn gesoffen ?

      "Sieh an, sieh an"



      muss es jawohl heissen !

      Kopfschüttel ! Facepalm !

  • Bei vielen Artikeln wäre es doch erhellend und der politischen Bildung zuträglich, würde der Autor/ die Autorin jedesmal wenn ein Politikername in einem entsprechenden Artikel auftaucht dazuschreiben wieviel der/die jeweils für Nebenjobs -in diesem Fall bei RWE- verdient?

  • Dass in solchen Streitfällen gerne sachfremde Argumente und Probleme hilfsweise benutzt werden, ist doch nun wirklich nichts, was Empörung oder gar die Instrumentalisierung eines Todesopfers rechtfertigt.

    Gerade die Umweltbewegung hat doch viel Erfahrung mit Klagen und Prozessen gegen Projekte, die man nicht will, und in denen dann irgendwelche Nebenschauplätze aufgemacht werden. Ging es beim Dieselfahrverbot jemals um die Luft in Stuttgart? Oder geht es wirklich immer um irgendwelche Tiere, die umgesiedelt werden müssen oder will man nicht eigentlich das jeweilige Projekt verteuern und damit ggf. auch verhindern? Ich will kein Windrad vor dem Haus, deswegen schütze ich unbedingt den Rotmilan?

    • @TazTiz:

      Schon wieder besorgt?

    • @TazTiz:

      Hübsch gesagt.



      Das Entscheidende aber unterschlagen.

      Will ich den Rotmilan schützen, eine Windkraftanlage nicht, oder saubere Luft in meiner Stadt, bin ich weder als Einzelperson, noch als Umweltinitiative in der Lage Polizeitruppen zu schicken.

      Da denken Sie mal drüber nach.



      Beim Demokratie verstehen.

      • @Martinxyz:

        Ach tun Sie nicht so: Polizeitruppen kämen auch, wenn RWE jetzt einfach weiter baggern würde.

        Nein, man kann der jeweiligen Gegenseite nicht vorwerfen, dass alle legalen Mittel genutzt werden, wenn man selbst dies tut und zudem noch „illegalen“ Widerstand leistet.

        Abgesehen davon, kann in Zukunft auch ein Verbrenner- und Kohleverbot als Unrecht deklariert werden, wenn der Klimawandel wegen eines Meteoriteneinschlages ausfällt.

  • so viel Ehrgefühl für einen Rücktritt hat doch keiner von denen im Leib.

    Mal abgesehen davon, nächstes Jahr sind Wahlen in NRW, oder? da passt so ein zur Schau stellen von Schwäche, das eingestehen von Fehlern, so gar nicht.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @danny schneider:

      Wer wird eigentlich MP in NRW, wenn Laschet Kanzler sein wird?

      • @95820 (Profil gelöscht):

        ich weiß den Namen nicht, aber die Frau die damals diesen Brandschutzquatsch mit Ihrem Ministerium gedeckt hat, hat wohl "beste Chancen"

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @danny schneider:

          sry. steht ja im Text: "Bau- und Brandschutz-Ministerin Ina Scharrenbach, die damals weisend voranging – und heute als Laschets Nachfolgerin gehandelt wird für den Fall der Kanzlerschaft...."

  • "...die Räumung war rechtswidrige Amtshilfe für die emsigen Klimavernichter von RWE"

    Das ist schlecht ausgedrückt, "Amtshilfe" klingt immer noch zu respektabel.

    Laschet wusste genau, dass der Brandschutz nur ein Vorwand war taz.de/Aktuelle-St...er-Forst/!5624746/ : er hat diese tausende Polizist:innen zu einer Schlägertruppe in Diensten von RWE gemacht.

    Kohle weiter verfeuern Umweltschäden auch mit Kohle ausgleichen (und dafür Schulden machen www1.wdr.de/nachri...resbilanz-100.html , die kommende Generationenauch noch bezahlen, sollen (aber über FFF herziehen, keine 'Profis')): schwarz-gelb als Blaupause für Berlin ist der Horror!