Urteil zu Terroranschlägen in Brüssel: Sechs Täter wegen Mordes verurteilt
Durch die Terroranschläge in Belgien 2016 starben 35 Menschen. Die Geschworenen haben nun geurteilt. Das ist aber noch nicht das Ende des Prozesses.
Sechs Angeklagte haben demnach versuchten Mord an 690 und terroristischen Mord an 35 Menschen begangen. Zwei weitere Angeklagte seien zumindest Mitglieder einer islamistischen Terrororganisation. Die verbliebenen zwei sprach das Gericht hingegen frei. Wie hoch die Strafen für die Verurteilten ausfallen, steht noch aus. Das soll Anfang September entschieden werden.
Die Geschworenen urteilten zudem, dass die bisherige offizielle Zahl von 32 Todesopfern durch die Anschläge unzutreffend sei. Die Tode dreier Menschen, die in der Folge etwa durch Erkrankung oder Suizid gestorben sind, seien ebenso den Terroristen zuzurechnen.
Innenministerin Annelies Verlinden von den flämischen Christdemokraten (CD&V) bewertete das Urteil am Dienstag als „einen wichtigen Moment“, nicht nur für Opfer und Angehörige, sondern für die Gesellschaft gesamt. „Die Anschläge haben eine kollektive Narbe auf der Seele unseres Landes hinterlassen“, sagte Verlinden laut der belgischen Tageszeitung De Standaard.
Anschläge auf Flughafen und U-Bahn
Der 22. März 2016 war ebenfalls ein Dienstag. Um etwa acht Uhr explodierten zwei Bomben im nördlich gelegenen Flughafen Brüssel-Zaventem. Inklusive der beiden Selbstmordattentäter starben 12 Menschen vor Ort, etwa hundert weitere wurden teils schwer verletzt. Polizei, Rettungskräfte und später auch das Militär waren im Einsatz, um den Flughafen abzusichern.
Rund eine Stunde nach den ersten explodierte eine weitere Bombe – allerdings nicht am Flughafen, sondern in Brüssels Innenstadt. Ein Attentäter hatte sich in der U-Bahn kurz hinter der Metro-Station Maalbeck in die Luft gesprengt. Dabei verloren 20 Menschen ihr Leben, wieder wurden mehr als hundert verletzt. Die Bevölkerung war danach angehalten, zu Hause zu bleiben.
Die Ermittlungen zu den koordinierten Selbstmordanschlägen brachten ans Licht, dass die Täter teils identisch mit jenen waren, die in Paris die Anschlagsserie unter anderem auf das Bataclan-Theater vom 13. November 2015 verübt hatte. Dabei töteten sie 130 Menschen und verletzten 350 weitere. Schon kurz nach diesem Anschlag deutete bereits viel darauf hin, dass einige der Terroristen in Frankreich aus Belgien kamen.
Am Dienstag standen sechs der Verurteilten von Paris auch in Brüssel vor Gericht. Beide Anschläge gingen auf den sogenannten „Islamischen Staat“ zurück. Einige der Angeklagten in Brüssel begründeten ihren Hass auf den Westen im Prozess mit der Bombardierung des „IS“ in Syrien.
Der teuerste Prozess in Belgiens Geschichte
In Belgien gilt der Prozess zu den Anschlägen von 2016 als der größte der Justizgeschichte. Allein, dass mehr als 900 Nebenkläger*innen beteiligt sind, ist außergewöhnlich. Zudem ließ der damalige Justizminister Koen Geens (CD&V) ein Gebäude, die Justitia, auf einem ehemaligen Nato-Gelände für den Prozess umbauen, der Größe und Sicherheit wegen.
Der neue Gerichtssaal wurde mit einer großen Glasbox ausgestattet, in der die Angeklagten abgeschirmt und bewacht gemeinsam dem Prozess folgen können. Ursprünglich sollten sie in Einzelzellen, doch dagegen klagten sie erfolgreich. Laut der flämischen Rundfunkanstalt VRT ist es auch der teuerste Prozess Belgiens: rund 35 Millionen Euro habe er gekostet. Sieben Jahre nach den Anschlägen und sieben Monate nach Prozessbeginn wurde das Urteil gespannt erwartet.
Am Dienstagmittag verfolgten belgische Medien mit Livetickern und detailliert aufgeschriebenen Porträts der Angeklagten in Brüssel die Urteilsverkündung. Diese zögerte sich allerdings hinaus. Für das Urteil sind zwölf Geschworene einer „Volksjury“ verantwortlich. Laut Prozessordnung müssen sie über die angefallenen Fragen beraten und eine Antwort finden, um für jeden einzelnen Angeklagten die Schuldfrage einzuschätzen. Im Prozess der Anschläge von 2016 hatte die Jury 287 Fragen, zu denen sie sich beraten und abstimmen musste.
Ursprünglich waren dafür zwei Beratungswochen angesetzt gewesen. Letztlich nahmen sich die Geschworenen 18 Tage Zeit – so lange brauchte noch keine Jury. Selbst am Dienstag waren sie noch so lange mit der Urteilsformulierung beschäftigt, dass sich die Verkündung um fünf Stunden verzögerte.
Doch auch nach dem Urteil durch die Geschworenen ist der Prozess noch nicht zu Ende. Das Strafmaß wird am 4. September verkündet. Die Verurteilten haben 15 Tage Zeit, um gegen das Urteil Beschwerde beim höchsten belgischen Gericht einzulegen.
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