Prozess zu Anschlägen in Brüssel 2016: Kaum Reue, keine Verantwortung

Im Gerichtssaal schieben die Angeklagten der Anschläge von 2016 die Schuld auf den Westen. Die Bombardierung des „IS“ habe ihren Hass geschürt.

Angeklagte in einem Gerichtssaal

Die Angeklagten im Gerichtssaal im April beim Prozess Foto: John Thys/Pool/reuters

BRÜSSEL taz | Warum mussten 32 Menschen bei den Bombenanschlägen vom 22. März 2016 in Brüssel sterben? Was hatte die Täter zu ihren Anschlägen getrieben? Bereits seit vier Monaten versucht ein Geschworenengericht in der belgischen Hauptstadt, die Hintergründe des islamistischen Terrorangriffs aufzuklären. Nun haben sich die neun Angeklagten erstmals zu ihren Motiven geäußert.

Hass gegen den Westen und Rache für die Bombardierung des „Islamischen Staats“ (IS) in Syrien – das waren nach Aussage von Salah Abdeslam und seinen Komplizen die Hauptmotive für die Attacken in Brüssel. Bei den Luftangriffen der westlichen Anti-IS-Koalition habe es viele zivile Opfer gegeben, sagte Abdeslam – sogar mehr noch als bei den Terrorakten in Paris und Brüssel.

Ähnlich äußerten sich Sofien Ayari und Mohamed Abrini, der als „Mann mit dem Hut“ bekannt wurde. Angesichts der Bomben, die aus westlicher Hand auf Syrien fielen, habe er einen Hass entwickelt, den er vorher von sich nicht gekannt habe, so Ayari. „Wir stecken immer noch in diesem Krieg zwischen Orient und Okzident“, sagte Abrini. Seit dem 11. September 2001 habe sich die Lage weiter verschärft.

„Ich billige das nicht“, erklärte Abrini. Doch für die Gräueltaten seien nicht allein der IS und seine Kämpfer verantwortlich. Auch der Westen habe sich nicht an die Regeln des Krieges gehalten und unschuldige Frauen und Kinder umgebracht. „Es fehlen einige Leute auf der Anklagebank“, behauptete er im Gerichtssaal. „Ich meine nicht die Bärtigen“, so Abrini weiter, „sondern die Männer in Anzug und Krawatte.“

Ein Angeklagter distanziert sich von den Anschlägen

Noch deutlicher wurde Bilal El Makhoukhi: „Ich sehe keinen Unterschied zwischen den Bomben, die vom Himmel fallen, und den Bomben in der Metro. Ich glaube nicht, dass das Blut ein anderes ist.“ Die Attentate habe es nur gegeben, weil der IS in Syrien bombardiert wurde. „Wenn Sie das nicht erwähnen, stehen wir wie Psychopathen da“, erklärte er während der Befragung durch die Gerichtspräsidentin Laurence Massart.

Trotz dieser politischen Bekenntnisse will keiner der Angeklagten die Verantwortung für die Taten übernehmen. So hält der Hauptangeklagte Abdeslam an seiner Behauptung fest, dass er mit den Anschlägen auf Brüssel nichts zu tun habe. Schließlich habe er seinerzeit bereits wegen der Attentate auf Paris im November 2015 in Haft gesessen. „Ich bin in einen Zug gestiegen und nicht wieder herausgekommen“, erklärte er vieldeutig.

Ein anderer Angeklagter, Hervé Bayingana Muhirwa, hat sich von den Attentaten distanziert. „Ich verurteile sie“, sagte der Mann, der zwei mutmaßliche Täter nach den Anschlägen bei sich aufgenommen hatte. Die Aussagen der Opfer vor Gericht hätten ihm die Augen geöffnet, betonte er. „Mir fehlen die Worte für das Leid, das sie erlitten haben. Das ist sehr traurig.“

Für die Betroffenen ist dies ein schwacher Trost. Nun habe sich das wahre Gesicht der Attentäter gezeigt, erklärte ein Vertreter der Opfergemeinschaft V-Europe. Mit der Befragung der Angeklagten ist der Mammutprozess allerdings noch nicht beendet. Die Urteile im „Prozess des Jahrhunderts“ – so die belgische Tageszeitung Le Soir – werden erst in den Sommermonaten erwartet.

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