piwik no script img

Union streitet über BSWOops, er hat es wieder getan

CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnet das BSW als links- und rechtsextrem und schließt eine Zusammenarbeit aus. Die Ost-CDU hält davon nicht viel.

Berüchtigt für spontane, erklärungsbedürftige Eingebungen in Interviews: der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin taz | Friedrich Merz, CDU-Chef, hat eine Zusammenarbeit mit der Wagenknecht-Partei faktisch ausgeschlossen. Die Union werde mit „rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammenarbeiten“. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bezeichnete Merz als „in einigen Themen rechtsextrem, in anderen linksextrem“. Die CDU hat per Parteitagsbeschluss Koalitionen mit AfD und Linkspartei kategorisch verneint. Merz will diese politische Quarantäne nun offenbar auf das BSW ausdehnen.

Das BSW war bei der Europawahl im Osten mit 14 Prozent drittstärkste Kraft geworden. Im Herbst wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. In Thüringen und Sachsen bekamen AfD, BSW und Linkspartei bei der Europawahl mehr als 50 Prozent. Mit wem die CDU dort im Herbst regieren will, sagte Merz nicht.

Der CDU-Vorsitzende ist berüchtigt für spontane, erklärungsbedürftige Eingebungen in Interviews. So bezeichnete er ukrainische Flüchtlinge 2023 als „Sozialtouristen“ – und musste sich später dafür entschuldigen. Kritik aus der CDU hagelte es auch, als Merz behauptete, Deutsche würden keine Zahnarzttermine bekommen, weil abgelehnte Asylbewerber sich in Deutschland die Zähne machen ließen. Bei dem BSW-Statement handelt es sich offenbar um einen weiteren Zahnarzt-Moment des CDU-Vorsitzenden, der Kanzlerkandidat werden will.

So ruderte Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, am Dienstag zurück. Koalitionen mit dem BSW halte er nicht für möglich – und schob nach: „heute“. Beim BSW kenne man Sahra Wagenknecht. Es sei noch zu früh, die neue Partei politisch einzuschätzen. Daher sei es falsch, „schon alles a priori auszuschließen“. Ähnlich argumentieren seit Monaten CDU-Politiker*innen aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die damit oft nicht zitiert werden wollen. Denn allen ist klar, dass die Lage nach den Landtagswahlen im September wegen hoher AfD-Werte sehr kompliziert werden kann.

Wanderwitz auf X

Unterstützung bekam Merz von Marco Wanderwitz, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Sachsen und Ex-Ostbeauftragter der Bundesregierung: „Friedrich Merz hat absolut recht. Gut, dass er es ausspricht“, so Wanderwitz auf X. „Frau Wagen­knecht hatte es noch nie mit der Demokratie.“

Doch Wanderwitz ist eine Einzelstimme. Mario Voigt, CDU-Chef in Thüringen, wies Merz’ neuen Kurs deutlich zurück. Voigt lobte die BSW-Politikerin Katja Wolf als „pragmatische Kommunalpolitikerin“. Wolf, bislang Oberbürgermeisterin in Eisenach, war von der Linkspartei zum BSW gewechselt. Das BSW sei in Sachen „Migrations- und in der Bildungspolitik“ vernünftiger als die Grünen, so Voigt. Ein deutliches Dementi Richtung Parteivorsitz. Der habe nur „für die Bundesebene gesprochen“. Will sagen: nicht für Thüringen.

Parteigründerin Wagenknecht bezeichnete Merz’ Äußerung als „politischen Kindergarten“. Ein Nein zu Bündnissen von CDU und BSW werde „die neuen Bundesländer unregierbar machen“, so Wagenknecht zum Spiegel. Die Ex-Linke polemisierte, dass jede Stimme für die CDU eine für Rentenkürzungen sei. Merz wolle „Deutschland mit der Lieferung von Taurus-Raketen zur Kriegspartei in der Ukraine machen“.

Der BSW-Generalsekretär Christian Leye bezeichnete Merz’ Linksextremismus-Vorwurf als „intellektuelle Bankrotterklärung“. Das BSW strebe nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Die Kategorisierung als rechtsextrem sei, so Leye zur taz, „hanebüchen und angesichts der tatsächlichen Gefahr von Rechtsextremen extrem gedankenlos und gefährlich“.

Gedankenlos – diese Bezeichnung für Merz’ Freistil-Strategie dürfte auch nachdenklichen CDU-Leuten im Osten einleuchten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Rechts von Merz ist nur noch die Mauer -.

    Der Mann gefällt sich offensichtlich in seiner Rolle als nebulöses Kanonenrohr. Um den rechten Flügel der CDU/CSU -



    die AfD - zu bändigen, ist dem Oppositionsführer jedes Mittel recht. Leider zeigt die Erfahrung: die Wähler tendieren dann doch eher dazu das Original zu wählen. Diese AfD ist bei genauerem Hinsehen die CDU/CSU der sechziger Jahre. Einer CDU-CSU der braven Deutschen, wie Filbinger ehemals Marinerichter mit dem Ehrgeiz noch nach Kriegsende Todesurteile zu verhängen, und wer will Kiesinger vergessen und die berechtigte saftige Ohrfeige einer Beate Klarsfeld. Auch heute findet der faule Beobachter leicht die Verbündeten in den Reihen der Freien Wähler im CSU Land, wie Hubert Aiwanger der mit seiner Vergangenheit heute noch brilliert.



    Sich dann über Radikale zu beschweren, wo man doch dieselben in den eigenen Reihen beherbergt, hat mehr als nur ein Geschmäckle.



    Klar, das Wagenknecht Opfer und Täter austauscht darf nicht übersehen werden.



    Bis dato ist aber nicht erkennbar, das dieser Oppositionsführer jemals etwas Konstruktives, außer seinem Senf,



    zu den Ereignissen beigetragen hat.

    • @Thomas Rausch:

      "Diese AfD ist bei genauerem Hinsehen die CDU/CSU der sechziger Jahre."



      Und wenn man dann mal _wirklich_ genau hinschaut, stellt man fest, dass die CDU/CSU der sechziger Jahre Dinge wie 'Remigration' und ähnliche feuchte Träume eben _nicht_ besprochen hat, und Statements wie das obige die AfD massiv verharmlosen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „links- und rechtsextrem"



    Sind das juristische Kategorien oder geht das als Meinungsäußerung durch



    „Gedankenklos"? Nein. Friedrich Merz haut das raus, was er für Volkes Meinung hält. Und er hat geglaubt, damit AfD-Wähler:innen zur Union (zurück) zu holen. Doch die wollen keinen Parteiführer aus dem (ab)gehobenen Mittelstand. Dann lieber jemanden, der AfD mal richtig ausbuchstabiert. Al*** für Deutschland.



    Richtig heftig wird es dann werden, wenn Bernd Höcke in Thüringen mit absoluter Mehrheit der AfD zum MP gewählt werden wird. Wer braucht Koalitionen?



    [/sarkasmus off]

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Zustimmung. Und: „Gedankenklos"? Nein. Friedrich Merz haut das raus, was er für Volkes Meinung hält.“



      Genau. Nur ist das wohl nie „des ganzen Volkes“ Meinung, sondern aller meistens die eines größeren oder kleineren Teils davon. Und wenn Merz dieser Teil der Meinungen passt, dann will er mit seiner pol. Rede dafür sorgen, dass möglichst alle anfangen zu glauben, Merz spräche da tatsächlich für die Mehrheit. Na gut, das ist eigentlich banal, was ich schreibe, ist bekannt und das machen viele pol. Akteure so, leider. Ich meine, Merz ist darin aber (selber) gefährlich extrem, und versteht sich darin, es nicht allzu sehr merkbar werden zu lassen. Die Methodik der pol. Rede des pol. Akteurs Friedrich Merz ist extrem u. gefährlich (und die seines Sekretärs allemal auch). Sie beschädigt den Raum des öffentlichen pol. Diskurses als solchen. Den stopft Merz statt mit Inhalten u. Sachverhalten mit Zerrbildern zu (Asylanten in den Wartezimmern der Ärzte, Totalverweigerer in Jobcenter-Warteräumen und bei der Schwarzarbeit auf priv. Baustellen u. wieder in den Wartezimmern der Ärzte, wo sie putzen, sie sind schon über all, zu Hilfe!).

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Man kann in diesen Raum bald nur noch eintreten, wenn man sich solcher Methodik bedient. Politik als sprechen u. erschaffen des Surrealen. Man kann sich ausmalen, was das auf Dauer bedeutet. Mag befremdlich klingen. Aber in Bezug auf Hartz 4 konnte man das beobachten. Da entstand ein politisch-administrativer Apparat, von dem Politik nach außen „wunderbar“ behaupten konnte, er funktioniere in Volkes Sinn. Der aber tatsächlich schon dysfunktional sogar sich selbst gegenüber wurde, dessen Wirklichkeit mit der „wirklichen Wirklichkeit“ so nannte das ein Sozialexperte mal, nicht wirklich mehr was zu tun hatte. In dem ging es zu wie bei Kafkas vor dem Sofa im Wohnzimmer. Und wenn das um sich greift….dann geht nicht bloß der Moon nicht mehr stille…

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Es bleibt politisch Strategie,



      Ein Perspektivenwechsel häufig,



      Doch die "Hufeisentheorie",



      Ist nun bestimmt nicht mehr geläufig.



      Es ist ganz neu im Spektrum, echt:



      Die neue Cleavage-Theorie,



      Wegen Doktorin Wagenknecht,



      Sieht Merz wahrscheinlich Dystopie.



      /



      www.zeit.de/kultur...oecke-bodo-ramelow

    • @95820 (Profil gelöscht):

      anschließe mich -

      „Gedankenklos"? Nein. Friedrich Merz haut das raus, …“ Stimmt! Newahr.



      Halt schlimm, wenn ein Mann “das Wasser nicht halten kann!“ Wollnich



      Normal

      • @Lowandorder:

        Ich weiß, folgendes muss ich zuerst auf mich selbst beziehen aber bei Merz...Der weiß was er sagt und warum. Ich versuche, es so zu sagen: Aber ist er sich auch im Klaren darüber? Zum Beispiel was die Folgen angeht?



        Deshalb, von Friedrich Merz ist für mich zu sagen:

        Ja, dieser Mann hat eine Meinung. Aber hat er sie auch verstanden?

  • "Bei dem BSW-Statement handelt es sich offenbar um einen weiteren Zahnarzt-Moment des CDU-Vorsitzenden, der Kanzlerkandidat werden will."

    Wieviele Zähne hat der Mann noch!?

  • Was ist eigentlich mit der extremen Mitte?

    • @Stefan Muck:

      alles Extreme außer Mutti

    • @Stefan Muck:

      Die ist sich nicht zu schade für einen Kuhhandel: Stimmen für Röschen im Gegenzug für ein Aus des Verbrenner-Aus 2035. Oder für den Entzug von Fördergeldern für Professor*innen unter Antisemitismusverdacht. Obwohl… ist das noch Mitte?

  • Wer sich von Postfaschisten distanziert, muss sich auch von Poststalinisten distanzieren.

    • @Pi-circle:

      Tatsächlich? Wer sagt dass man das muss?

      Übrigens: Wo, in welchem Parlament haben sich die Christenparteien von rechtsextremen Parteien distanziert? Im bayerischen Landtag? Im Thüringischen?

      Und was genau ist an Frau BSW "poststalinistisch"? Ernst gemeinte Frage.

  • Ente oder Trente. Merz hat recht.

  • Wenn die so weitermachen werden SpD und CDU bald drum betteln ob sie BSW und AFD nicht doch auch mal mitmachen lassen.

  • Der ewige Aufschneider Lümmel von der letzten Bank: Einfälle wie‘n altes Haus! Wollnichwoll.

    kurz - Mr. Würfelhusten vande Blackrocker - kann nicht Kanzler •

    • @Lowandorder:

      Was fehlende Fähigkeiten betrifft: da gab es schon weiland sehr treffende Analysen von FJS über Helmut Kohl - über das bekannte Zitat aus dem Wienerwald-Hinterzimmer von den fehlenden geistigen, politischen und moralischen Voraussetzungen (das war ja eher "a b'suffne G'schicht", wie der eine oder andere Österreicher sagen würde 😜) hinaus. Trotzdem hat sich der Helmut den Hintern auf dem Kanzlerstuhl breit gesessen...

    • @Lowandorder:

      Er denkt aber, dass er Kanzler kann. Wahrscheinlich werden ihm auch viele auf den Leim gehen. Inhalte sind nach alter Gewohnheit ja eh' eagl.

    • @Lowandorder:

      > kann nicht Kanzler

      Wie so oft kann ich Ihnen nur zustimmen. Dumm nur: Er witd trotzdem Kanzler werden!

  • Wer sich nicht mal die Rede von Selenskyj im Bundestag anhören kann, wie heute BSW und AfD, hat sich von jeglicher politischen Verantwortung disqualifiziert. Merz hat vollkommen Recht, wer solch verschrobene Ansichten hat ist nicht besser als die AfD

  • Nach der Nummer, gemeinsam mit der AFD den ukrainischen Präsidenten zu boykottieren, kann man sich durchaus solche Fragen stellen

  • Ja, dieser Mann soll bitte Kanzlerkandidat für die CDU werden!



    Außer Meckern hat Merzi ja noch nicht viel zustande gebracht.



    Dass er sich jetzt in von der Leyens Erfolg sonnt, ist natürlich typisch, allerdings wollen ihn noch weniger BürgerInnen, als Kanzler, als den amtierenden Bundeskanzler.



    Fettnäpfchen Herr Merz?



    Bitte lassen Sie keins aus!

  • Das alles ist hohl. Sobald sich in irgendeinem Landtag die Option auftut, eine Koalition mit diesen fragwürdigen Parteien einzugehen - die CDU wird sich diese Chance auf Macht nicht entgehen lassen. Begründet wird das dann damit, dass man die Extremisten ja nicht alleine werkeln lassen kann. Wahrscheinlich sind die Redekonzepte so oder so ähnlich schon in Arbeit... Und Merz wird machtlos dastehen- vielleicht gar klammheimlich zufrieden....

    • @Perkele:

      Siehe Thüringen 2020; - schon vergessen?



      "...wählten CDU und FDP den Liberalen Kemmerich zum Ministerpräsidenten - gemeinsam mit der AfD. Der Tabubruch erschütterte die Republik."



      Quelle sueddeutsche.de

  • „in einigen Themen rechtsextrem, in anderen linksextrem“



    Merz bezeichnet das BSW im Endeffekt also als Nazikommunisten. Kann man machen. Ich bin gespannt, wie er ohne AfD, BSW, die Linke und die Grünen eine Regierung im Osten zustandebringen will.

  • Na klar, gegen die AfD braucht es eine Brandmauer, aber BSW, die rotlackierten Putinfans, sind etwas ganz anderes. Ihr erkennt ein Hufeisen nicht einmal, wenn es euch am Kopf trifft.

    • @Kurt Kraus:

      Da ist sie wieder. Die gute alte Hufeisentheorie. Eine der am längsten wirksamen Erfindungen der Nazis.

  • gedankenlos... ja, das war und ist Merz schon lange, um nicht zu sagen von Anfang an. Und für den Osten hat er weder Gefühl noch Interesse. Mal ganz davon abgesehen sind solche Dinge wie Bürgerbeteiligung und Sozialpolitik überhaupt nicht sein Ding. Ich würde ihm mal schlicht und ergreifend als Mann von vorgestern bezeichnen.

  • Merz lässt auch kein Fettnäpfchen aus. Der Wunschpartner im Osten (FDP), hat mit der 5%-Hürde zu kämpfen. Und falls diese Hürde geschafft wird, reicht es hinten nicht und vorne niemals ...