Union-Absage an Schwarz-Grün: „Ein bisschen Neunziger“
Minister Habeck kommentiert die vorläufige Absage von CDU-Chef Merz gelassen. Andere Grüne wollen eher in die Opposition, als mit ihm regieren.
Auf welcher Seite sich der designierte Kanzlerkandidat sieht, das ist klar: Die Grünen seien eine „Problemlöserpartei“. Wenn man dieser Perspektive folgt, stellt sich aber spätestens nach der Wahl noch eine große Frage: Mit wem will er die Probleme dann denn noch lösen? Noch mal eine Ampel will keiner. Null Prozent der Befragten nannten sie im „ZDF-Politbarometer“ als bevorzugte Konstellation, und eine Mehrheit bekommen SPD, Grüne und FDP wohl eh nicht. Realistisch sind nach derzeitigen Umfragen zwei Alternativen: Die Union gewinnt die Wahl und kann sich aussuchen, ob sie mit SPD oder Grünen regiert.
Diese Woche hat erneut gezeigt, wohin die Präferenz bei CDU und CSU geht. Markus Söder schloss Schwarz-Grün mal wieder aus. „Die CSU wird das verhindern“, sagte er. Vor allem aber: Auch laut Friedrich Merz, gerade als Kanzlerkandidat ausgerufen, geht so eine Koalition „aus heutiger Sicht“ nicht. Zwar war auch Merz noch nie ein Grünen-Freund und mit seiner Formulierung lässt er sich zumindest eine Hintertür offen. Aber zwischenzeitlich hatte er sich für Schwarz-Grün schon offener gezeigt.
Robert Habeck gibt sich gelassen, als er Donnerstag am Rande eines Unternehmensbesuchs in Nordrhein-Westfalen darauf angesprochen wird. „Habe ich zur Kenntnis genommen. Scheint mir ein bisschen Neunziger zu sein“, sagt er. „Ich jedenfalls buhle nicht um irgendwelche Zuneigungen von der Union.“
Unentschieden und unbeliebt
Für die Gelassenheit gibt es einerseits Gründe. Weiterhin gibt es aus der Union ja auch andere Signale. Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst und Daniel Günther, regieren erfolgreich mit Grünen. In dieser Woche trafen sie sich zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung. „Wir zeigen, dass Schwarz-Grün gut zusammenarbeiten kann“, sagte Günther. Aktuell sind sie damit nicht tonangebend in der Union. Was bis zur Bundestagswahl passiert, ist aber unvorhersehbar.
Andererseits spricht zumindest im Moment auch die öffentliche Meinung gegen Schwarz-Grün. In einer Allensbach-Umfrage, über die am Donnerstag die FAZ berichtete, sprechen sich nur 12 Prozent der Befragten für eine solche Koalition aus. Unbeliebter sind nur Ampel, Jamaika und Konstellationen mit dem BSW. Am populärsten wäre mit 29 Prozent Schwarz-Rot.
Stimmungen können sich natürlich wieder drehen. Von allein passiert das aber selten. Woraus sich eine zusätzliche Wahlkampfaufgabe für die Grünen ergibt: die Menschen an die letzte Große Koalition und deren Resultate zu erinnern. Beziehungsweise: eine veränderungsmüde Gesellschaft davon überzeugen, dass ein Bündnis aus zwei strukturkonservativen Parteien auch nicht das Wahre ist. Der Habeck-Sprech von der „Problemlöserpartei“ kommt nicht von ungefähr.
Am Ende könnte es für Schwarz-Grün aber noch ein anderes Hindernis geben. So satt die Partei 2021 ihre Oppositionsrolle hatte – mittlerweile gibt es Grüne, die nicht um jeden Preis noch mal regieren wollen. Lieber Opposition als Merz: Nach all den Kompromissen der letzten Jahre könne das eine Chance sein, heißt es bei manchen – um wieder zu sich zu finden, sich mit den eigenen Themen zu profilieren und den Diskurs stärker mitzubestimmen. So, wie es die Union aktuell ja auch schaffe. Und wie es den Grünen vor der Ampel ebenfalls kurz gelang.
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