Unfälle von Radfahrern durch Fußgänger: Zusammenstoß an der Bordsteinkante
In Hamburg starben zwei Radfahrer nach Kollision mit Fußgängern. Nun gibt es eine Debatte über Verkehrsplanung und zeitgemäße Fuß- und Radwege.

Erst zwei Tage zuvor war am frühen Sonntagmorgen ein 64-jähriger Radfahrer auf der Reeperbahn mit einem Taxi kollidiert und ebenfalls so schwer verletzt worden, dass er später starb. Auch er fuhr ohne Helm. Auch ihn soll nach Angaben der Polizei zuvor ein Fußgänger touchiert haben, der über das Geländer des Mittelstreifens geklettert war und, ohne auf den Verkehr zu achten, die Fahrbahn überqueren wollte. Auch er entfernte sich zunächst vom Unfallort, meldete sich aber später bei der Polizei. Nach einer Blutprobe gebe es „Hinweise auf Konsum von Alkohol“, schreibt die Polizei. In beiden Fällen ermittelt der Unfalldienst wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.
Diese Häufung führt in der Stadt zu Diskussionen. Im vergangenen Jahr kamen in Hamburg laut dem Hamburger Abendblatt 20 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, darunter drei Radfahrer, drei LKW-Fahrer, zwei Motorradfahrer, zwei Autofahrer und zehn Fußgänger. Diese waren also am häufigsten Unfallopfer.
„Dass auch Fußgänger mal was falsch machen, ist klar“, sagt Sonja Tesch von „Fuss e.V.“, dem Fachverband für Fußverkehr. Es sei jedoch ein Dauerärgernis, dass sich Fußgänger und Radfahrer meist den Platz auf dem „Hochbord“ teilen müssen. „Deswegen sind wir grundsätzlich dafür, dass es getrennt wird und die Radwege auf die Fahrbahn verlegt werden.“ Ein Problem sei auch, dass die Radwege auf Kosten der Fußwege verbreitert wurden.
Das ist auch in Meiendorf zu sehen. Am Unfallort war der Radweg 1,50 Meter breit, der Fußweg daneben zwei Meter. Ein paar Meter weiter stadteinwärts ist der Bordstein genauso breit, aber der Radweg etwas breiter und der Fußweg etwas schmaler. Der Landesbetrieb für Straßen hat die Meiendorfer Straße über Jahre in Abschnitten saniert, die letzten Arbeiten fanden laut Verkehrbehörde 2018 statt.
Wir zeigen Dirk Lau vom „Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club“ ein Foto der Unfallstelle. Der Weg sei zu schmal, sagt er. In der Tat. Laut den aktuellen Richtlinien für Straßenbau muss ein Fußweg für sich genommen mindestens 2,50 Meter breit sein und ein Radweg 1,85. An der Stelle in Meiendorf wäre es demnach an sich zu eng.
„Das ist Verkehrsplanung von gestern, weil man den Radverkehr von der Fahrbahn weghaben will“, sagt Lau. Er sei da mit dem Fußgängerverband einer Meinung. „Fußwege und Radwege auf einem Weg zu führen, führt zu Konflikten.“ Man müsse „andere Lösungen finden“, etwa den Radweg runter vom Bordstein auf die Fahrbahn verlegen und diese dann mit Tempo 30 beruhigen.
„Fehlverhalten von Menschen kann man nicht verhindern, aber man kann dafür sorgen, dass zu Fuß Gehende und Radfahrende mehr Platz haben“, sagt auch die Verkehrspolitikerin Heike Sudmann von der Linken. Sie moniert, dass es auf der Reeperbahn noch nicht mal einen Radweg oder einen Fahrradstreifen gibt. Gemeinsame Fuß- und Radwege seien wegen der verschiedenen Geschwindigkeiten schwierig. „Ich schaffe auf dem Rad 15 bis 20 Kilometer die Stunde, zu Fuß nur fünf bis sieben“, sagt Sudmann.
„Man muss hier die Vorschriften ändern“, sagt Tesch von Fuß e.V.. Sie ärgere, dass in Hamburg immer noch Radwege auf dem Gehweg gebaut werden. Gefragt, ob das stimmt, sagt Verkehrsbehördensprecher Dennis Heinert, „grundsätzlich“ werde bei Umplanungen versucht, Rad- und Fußverkehr zu trennen. Aufgrund örtlicher Gegebenheiten sei das aber nicht immer möglich. „In Einzelfällen“ würden deshalb weiter gemeinsame Geh- und Radwege geplant.
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