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Umgang mit FaschismusNeben der Vernunft

Wie umgehen mit politischer Paranoia? Denn auch diese Krankheit hat nicht nur Symptome, sie hat auch Ursachen.

Wie soll man das verstehen, ohne den Glauben an seine Mitmenschen zu verlieren? Foto: Christian Mang/imago

N ahezu überall in Europa das gleiche Bild: Autoritäre, populistische, antidemokratische, rechtsextreme, neofaschistische Bewegungen und Parteien erhalten Zulauf, gewinnen an Einfluss und kommen hier und da an die Macht. Sie können lügen, dass sich die Balken biegen, sie können ihre Inkompetenz und Korruption performativ ausleben, sie können das Recht beugen, zeigen, wie wenig ihnen Menschenleben und Umwelt wert sind. Die Maske bürgerlicher Biedermänner und Biederfrauen brauchen sie schon lange nicht mehr. Sie werden offensichtlich gewählt, nicht obwohl sie so sind, sie werden gewählt, weil sie sind, was sie sind. Nämlich: Faschisten.

Man hat Angst vor dieser Faschisierung und vor ihren „konservativen“ Mitläufern. Aber es gibt noch ein anderes Empfinden: Ein fundamentales Nichtverstehen. Wie kommen Menschen, denen es so gut geht, dazu, so böse zu sein und, mehr noch, nach einem staatlichen und gesellschaftlichen System für ihre Bosheit zu verlangen?

Gewiss, es gibt äußere Umstände für diesen Trend zur Faschisierung: Soziale und familiäre Unsicherheit, die allfällige Rhetorik und die Versprechen der Demagogen, die ihrerseits von Kräften finanziert werden, die im Fortbestehen der Demokratie nur ein Hindernis für Rendite und Macht sehen, Kränkung, Erschöpfung, Retromanie, die „sozialen Medien“ als Radikalisierungskammern, das Verlangen nach der Verdrängung der großen ökologischen und sozialen Katastrophen, ein Empfinden der Macht, eine Ästhetik der Gewalt, die Gemeinschaftslust der Täter, Identitätssucht …

Ein irrationaler Rest bleibt

Vielleicht auch ein Mangel an attraktiven Lebensentwürfen von der Gegenseite. Entsetzliche Lücken in Erziehung, Bildung und öffentlicher Aufklärung. Noch mehr ist zu finden: eine Theorie der Faschisierung in Europa muss auf vielen verschiedenen Erkenntnismodellen aufbauen, von der Soziologie über die Psychologie bis zur Semantik.

Und doch bleibt da ein irrationaler Rest, der sich aller Analyse zu entziehen scheint, eine Black Box der Wanderung von bürgerlichen Biedermännern und -frauen zu einem Welt- und Menschenbild, das sein verbrecherisches Wesen hinreichend offenbart hat. Einer, der sich im Bierzelt als „anständig“, „fleißig“ und „vernünftig“ adressieren lässt, will unbedingt wieder dorthin, wo die Väter und Großväter waren. Gerade mal ein Lebensalter nach Auschwitz.

Man richtet sich ein

Wie soll man das verstehen, ohne den Glauben an seine Mitmenschen zu verlieren? Auch angesichts eines politischen Mainstreams, in dem man den Kopf in den Sand steckt, vorauseilend sich anpasst, freiwillig abschafft, was kulturell der Faschisierung Widerstand entgegensetzen könnte? Seit niemand mehr an die Mär von den Protestwählern glaubt, richtet man sich ein. Wird schon nicht so schlimm werden, das bisschen Faschismus oder Postfaschismus oder Faschismus, der nicht so genannt werden darf.

Wenn alle vernünftigen Erklärungsversuche abgehakt sind, bleibt nur noch ein Ausfall in den Bereich des Irrationalen. Einer der Zonen, durch die man da hindurch muss, könnte den Namen „politische Paranoia“ erhalten. Hier liegt einer der verborgenen Impulse dafür, warum dein Nachbar nun bei Pegida- und AfD-„Spaziergängen“ dabei ist, von Umvolkung schwadroniert und die Grünen als Hauptfeind definiert, weil sie einem Bratwürste und Autobahnen verbieten wollen, und der sich auf keine noch so offensichtlichen Fakten mehr einlassen will, weil die alle von der Lügenpresse und grünlinksversifften Eliten stammen.

Paranoia (von altgriechisch parà, „neben“, und noûs, „Verstand“) bedeutet, dass etwas neben oder außerhalb der Vernunft existiert. Kaum ein Mensch, kaum eine Familie, eine Gemeinschaft, eine Religion, ein Staatswesen, das frei von paranoiden Schüben wäre. Das heißt also, dass es ein höchst kompliziertes Geflecht zwischen dem Alltagsverstand und dem gibt, was neben ihr/gegen ihn existiert und parallel zu ihm wahrgenommen oder „eingebildet“ wird.

Lassen wir das klinische Bild einer Paranoia in einem Subjekt beiseite; dies gehört in den Bereich der Medizin und der Privatsphäre. Wenn man von politischer Paranoia spricht, meint das also keine direkte Diagnose zur individuellen Erkrankung: Trump, Meloni, Orbán, Le Pen, Bolsonaro, Putin, Höcke … Nicht als paranoide Subjekte, sondern als Repräsentanten einer politischen Paranoia sind sie Gegenstand antifaschistischer Kritik.

Ein Denken und Wahrnehmen

Politische Paranoia meint ein Denken und Wahrnehmen, das auf diese ursprüngliche Bedeutung des Begriffs zurückzuführen ist: Menschen, Milieus, Meinungen und Mythen begeben sich auf eine Seite neben der Vernunft. Das heißt: Wir sehen zu, wie ein Diskurs krank wird. Wie eine Sprache krank wird. Wie eine Kultur krank wird. Diese Krankheit hat nicht nur Symptome, sie hat auch Ursachen.

Und sie hat diese Dialektik: Die krankhafte Reaktion ist ein missglückter Versuch der Selbstheilung. Wenn also aus der Paranoia Propaganda und aus der Propaganda das Verbrechen wird, geht es, wie im richtigen Leben, darum, mit etwas fertigzuwerden, was man nicht erkennen darf. Paranoia ist eine Reaktion auf Angst, und Angst entsteht durch die Unmöglichkeit, das zu erkennen, was einen bedroht. Eine Flucht vor der Wahrheit.

Man flüchtet in den Bereich neben der Vernunft, weil innerhalb des vernünftigen Systems Widersprüche, Kränkungen, Provokationen, Niederlagen, Bedrohungen auftauchen, denen man nicht gewachsen ist. Politische Paranoia entsteht, wenn Systeme, Semantiken, Erzählungen oder Bilder der Wahrheit nicht gewachsen sind.

Wenn eine Paranoia ausgebrochen ist, dann ist der Appell an Vernunft und Moral vollkommen sinnlos. Auch ist vergleichsweise unerheblich, ob man es mit Zuwendung oder Abweisung versucht. Heilung ist nur möglich durch den schwierigen Weg zurück zu den Ursachen.

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41 Kommentare

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  • taz, Berichtet doch mal von der Frnt. Was geht ab in Sonneberg? Wie läuft dort der Umgang aktuell mit der AfD? Seit mehreren Monaten ist dort ein AfD Landrat und man hört: nüscht,

    • @Rudolf Fissner:

      Stimmt. Das wäre mal interessant.

  • Ja klar. Der Kapitalismus lebt von der Widersprüchlichkeit. Schon Marx und Engels erklärten, dass die Basis des Kapitalismus nur durch einen ideologischen Überbau funktioniert. Die Menschen werden also jeden Tag ideologisch indoktriniert. Aber irgendwann reicht das halt nicht mehr. FDP und Co. Können noch so oft sagen, dass wir eine Leistungsgesellschaft sind, das hilft aber nichts wenn man jeden Tag sieht und am eigenen Leib erfährt, dass Leistung nicht das Verteilungskriterium ist. Man kann noch so von Demokratie und Gleichheit sprechen, wenn im täglichen Leben ein kapitalistischer Feudalismus am Werk ist und die obere Klasse sich auf den Kosten der unteren vergnügt. Wenn man vom Rechtsstaat spricht, sich aber nur die wohlhabenden zur Not einen Anwalt leisten können, der einem zum Recht verhilft. Zu sagen man macht und tut ja um Klimawandel und Armut zu bekämpfen, hilft halt irgendwann nicht mehr wenn man sich dann umdreht und weder Reichtum bekämpft noch sich um die Umwelt kümmert. Korruption wird immer schlimmer und die Leute werden sich der unterschiedlichen Interessen immer bewusster... Es ist halt Klassenkampf ne?

    • @curiouscat:

      Jetzt müssen Sie nur noch erklären, warum einige ihren Klassenkampf gegen Migranten und Flüchtlinge, gegen Frauen, gegen Queers und gegen Juden führen.

  • Später in diesem guten Kurzessay werden Trump und Bolsonaro genannt. Aber anfangs steht "überall in Europa das gleiche Bild". Leider nicht "nur" in der alten Europa. Sondern globalüberall dank dem Globalverstärker "social" media.

  • Jeder Einzelne ist gefragt! Nicht duldsam weghören, wenn im Gespräch gewisse Äußerungen gemacht werden. Das Gefühl jener Unbelehrbaren, eine Mehrheit zu sein, resultiert nicht nur aus "Internetblasen", sondern auch aus alltäglichen Begegnungen. Viele nehmen ein Schweigen als Zustimmung. Nicht immer hat man die Kraft oder den Mut dazu, jemandem zu widersprechen. Vor antidemokratischen Tendenzen dürfen wir uns aber nicht wegducken.

    • @Woodbine:

      Danke für Ihren Kommentar. Hier gilt es eben, Kraft und Mur zu entwickeln und öffentlich zu widersprechen. Die Spielräume werden angesichts der von Sesslin beschriebenen Faschisierung Europas enger, das ist sicher.



      Aber gerade deshalb sollten Demokraten realisieren, was auf dem Spiel steht und sich gegenseitig Mut zusprechen, dem Faschismus und der Unmenschlichkeit die Stirn zu bieten. Auch wenn‘s weh tut, weil es sich um die eigenen Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen handelt. Und weil wir mittlerweile - zumindest in einigen Regionen - längst nicht mehr „mehr“ sind.

  • Gesellschaftliche Veränderungen sind zyklisch. Neue Paradigmen kommen. Aufklösungserscheinungen der alten Rechts/Links - Ordnung sind unvermeidlich. Symptombekämpfung ist zwecklos und energieraubend.

  • Das ist der Schweinezyklus von Vergessen und Dummheit. Zwei Generationen entfernt bedeutet, dass viele jetzige Großeltern den Krieg nicht mehr erlebt haben. Die Mahner und Erinnerer sind gestorben, die Nachkommen fallen auf die gleichen Tricks rein. Wer durch Geschichte und Nachdenken nicht sensibilisierbar ist, ist nicht zu retten. Die merken es erst, wenn man sie selbst in die Lager treibt.



    Ursache? Generelle Unzufriedenheit. Läuft alles nicht so, keine guten Jobs, in der Liebe klappt es auch nicht. Und dann kommen Rattenfänger mit dicken Ködern, die das Blaue vom Himmel versprechen. Dumme und Verzweifelte springen in die Grube, andere werden gestoßen, manche fallen rein, weil sie nicht aufpassen. Und die 80% der Denkenden schüttelt den Kopf.



    Vielleicht ist es mal wieder Zeit, die Daumenschrauben etwas enger zu ziehen, wenn es um Faschisten geht. Die Gesetze strenger, die Strafen höher...also quasi Law&Order, was die doch immer fordern. Völkische Gesinnung bei Reden raushauen? Ab in den Knast. Da war der Führerscheinlose ja auch. Ich glaube nicht an Resozialisierung von Faschisten. Das ist ein Mindset. Das bleibt. Also müssen die Träger dieser Mutation weg. Für weit. Und lange. Wir können auch ohne die 20% gut leben. Gibt ja genug Menschen aus aller Welt, die sie ersetzen können. Wenn man die auch gleich noch enteignet, kann in deren Haus sofort eine nette Familie aus Eritrea einziehen. Oh, da zittert das teutsche Herz. Bevölkerungsaustausch! I knew it!

    • @Hefra1957:

      "Ich glaube nicht an Resozialisierung von Faschisten. Das ist ein Mindset. Das bleibt. Also müssen die Träger dieser Mutation weg."



      Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wenn vermeintliche "Linke" ihren Menschenhass so zur Schau stellen.

      Schon mal was von Daryl Davis gehört? Ein amerikanischer Musiker, der sich mit Vertretern der KKK ausgetauscht hat. Was letztlich dazu führte dass der KKK in Maryland aufgelöst wurde.

      Meine These: Nicht die Menschen, die sich mit "Faschist_innen" unterhalten und versuchen sie zu verstehen, sind schuld daran, wenn Rechte Tendenzen steigen, Sondern eher Menschen wie Sie.

    • @Hefra1957:

      "Also müssen die Träger dieser Mutation weg."



      Nazis mit Eugenik bekämpfen? Statt dem 'arischen Übermenschen' per genetischer Selektion den perfekten Antifaschisten züchten? Vielleicht doch besser erstmal mit gründlicher Reflexion die ideologische Ebene bearbeiten!

    • @Hefra1957:

      Sie reagieren ein wenig hysterisch auf die 20% und Ihre Strstegie zur Bekämpfung derselben kann man getrost auch als faschistisch bezeichnen ("Ab in den Knast").

      Ich finde etwas mehr Gelassenheit würde uns hier gut tun. Wir leben nicht in der Weimarer Republik in der es einen Mangel an staatstragenden Demokraten in den Institutionen gab. Ich sehe aus diesem Grund keinen rechten Umsturz vor der Tür.

      • @Goodfella:

        Im Osten sind das in vielen Regionen über 40 %, in nicht wenigen die Mehrheit. Ich denke die Phase, wo man das Treiben der Feinde unserer Art zu leben, mit Gelassenheit betrachten konnte, ist vorbei.

      • @Goodfella:

        Hoffentlich haben Sie Recht.

      • @Goodfella:

        Hm, wenn es denn „nur“ diese 20% wären und der Faschismus sich sozusagen chirurgisch aus einer an sich demokratischen Gesamtgesellschaft herausoperieren ließe, wäre ich ganz bei @Hefra1957.



        Leider ist er nicht eindeutig abzugrenzen, die Grenzen sind verschwommen. Und im Osten Deutschlands sind es schon deutlich mehr als 20%. Wir müssen hier von einem „Extremismus der Mitte“ (Heitmeyer) ausgehen, der sich nicht bloß auf die Wählerschaft der AfD beschränkt. Antisemitische und andere rassistische Haltungen und Stereotype sind weit darüber hinaus verbreitet.



        Wen möchte man da in den Knast stecken? Die eigene Familie, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen? Aber diese Frage geht wohl eher an @Hefra1957 als an Sie.

        • @Abdurchdiemitte:

          Wenn es dazu kommt, dass man seine eigene Familie aus politischen Gründen verraten soll, damit sie in den Knast wandert, haben wir ein System, das ich vollständig ablehne, egal wie die „Überschrift“ lautet, warum es richtig sein soll, so zu handeln.

          • @Dr. McSchreck:

            Finden Sie das auch, wenn Sie wüssten, einer Ihrer Familienangehörigen wäre an schlimmsten Menschheitsverbrechen beteiligt gewesen, wie etwa zu Zeiten des NS? Ich weiß, die Frage ist zunächst rein spekulativ/hypothetisch. Das bedeutet m.E. jedoch nicht, dass man sich damit nicht auseinandersetzen sollte.



            Ich persönlich wüsste übrigens auch nicht, wie ich mich in so einem Fall verhalten würde. Das Argument der Familienbande erscheint mir dabei aber nicht als das ausschlaggebende.

            • @Abdurchdiemitte:

              Beteiligung an einem Verbrechen ist etwas anderes als eine Meinung haben, die nicht erwünscht ist…selbst wenn ich sie selbst völlig daneben finde.

              Es geht mir auch nicht (nur) um Familie. Ich würde auch keinen engen Freund verraten aus politischen Gründen. Niemals darf Politik oder Meinung wichtiger sein als zwischenmenschliches Vertrauen.

              • @Dr. McSchreck:

                Ihrem letzten Satz kann ich zustimmen. Bedenken Sie nur, dass die AfD vor einiger Zeit eine Kampagne gefahren hat, in der Schüler aufgefordert wurden, Lehrer wegen kritischer AfD-Äußerungen auf sogenannten digitalen Meldeplattformen zu denunzieren (weil das angeblich gegen das politische Neutralitätsgebot an Schulen verstoße).



                www.gew.de/schule/...lattformen-der-afd



                Dass das absolut widerwärtig ist und nicht Maßstab unseres Handelns sein sollte, darüber sind wir uns wohl einig. Es weist allerdings auf die “asymmetrische Kriegsführung” hin, die hier von rechter Seite betrieben wird und die z.T. den Erfolg der AfD erklärt.



                Demokratie darf nicht wehrlos werden.

                • @Abdurchdiemitte:

                  Solche Pranger lehne ich von allen Seiten ab - und mit der AfD sympathisiere ich gewiss nicht. Würde aber jemand aus meiner Familie sich dieser Partei annähern, würde ich es mit Argumenten versuchen und nicht den Kontakt abbrechen.

  • Ich glaube es gibt auch den Aspekt des Zusammenhalts:



    dort im Rechtspopulismus ist Zusammenhalt nur völkisch denkbar - und allgemein in Regionen/ politischen Kulturen, in denen keine öffentlich-rechtliche Pluralismus-Ordnung bekannt ist. Der "Volksstamm". Die AfDler rufen ja ständig "Wir sind das Volk".



    Pluralismus würde den Zusammenhalt zersetzen.

    • 6G
      665119 (Profil gelöscht)
      @Land of plenty:

      Wie wird Zusammenhalt eigentlich im linksliberalen juste millieu gedacht? Mit wem hält man da zusammen?

      • @665119 (Profil gelöscht):

        Ist doch offensichtlich: Man bildet unzählige Splittergruppen, um sich dann gegenseitig (und zusätzlich auch dem ungebildeten Durchschnittsbürger) übers Maul zu fahren. Das erzeugt einen starken Zusammenhalt, den zum Prügeln gehören schließlich mindestens zwei. (Vorsicht, Beitrag könnte Ironie enthalten!)

  • Vielen Leuten geht es aber nicht gut. Sie können vom Lohn und der Rente nicht leben.



    Denen es gut geht, wollen diesen Status halten und nicht soviele "Fremde" im Land haben. Schweden zum Beispiel mit der hohen Kriminalität.



    Solange das nicht zur Kenntnis genommen wird, wächst die braune Blase, überall.

    Da liegt Ihr Artikel völlig daneben.

    • @H.L:

      Und dieser imaginierte Zusammenhang zwischen gefühlter Statusbedrohung und "dem Fremden" ist und bleibt imaginiert und das kann zwar zur Kenntnis genommen werden, allerdings ist die Lösung eben nicht, darauf mit ebenso irrationalem politischem Handeln zu reagieren. Wenn gerade keine Geflüchteten zur Hand sind, die als Sündenbock dienen können, nimmt man halt andere vermeintlich homogene und bedrohliche "Fremde", im Zweifel Juden - Antisemitismus als Herzstück jeder menschenfeindlichen Verschwörungstheorie...

  • "Heilung ist nur möglich durch den schwierigen Weg zurück zu den Ursachen."

    Das ist zwar richtig, aber hat ein großes Problem: die Betroffenen sind meist weder fähig noch gewillt, die Ursachen zu erkennen. Stattdessen werden irgendwelche Sündenböcke gesucht.

    Schön wäre es, wenn wir die Ressourcen für eine individuelle Gesprächstherapie für jeden Hutbürger hätten. Haben wir aber nicht, und kriegen sie auch nicht zusammen - oder wenn doch, dann um den Preis, dass *Andere* - dass weniger gescheiterte Existenzen - auf die nicht weniger nötige Fürsorge verzichten müssen.

    Was also tun?

  • "Gerade mal ein Lebensalter nach Auschwitz."

    Unterschätzter Punkt. Es gibt so gut wie keine Menschen mehr, die aus eigener Erfahrung sehen können, wo Analogien zu den Jahren 1925-32 sind, und wo nicht, und darüber öffentlich Zeugnis ablegen.

  • O.K. Biedermann und die Brandstifter ist kein Erklärungsmuster mehr.

    Auch der narzistische gekränkte Schwachmat reicht dann nicht mehr als Herleitung. Oder doch?

    Waren die deutsche Nazis vor allem deswegen gekränkt, weil ein von ihren geistigen Vätern ohne Not losgetretener Weltkrieg "verloren" ging und die "Sieger" sich für die "Schmach" des Spiegelsaals von 1870/71 revanchierten. Dann ist es wohl so, dass das liberale Versprechen von Golf, Banane und Urlaub auf Male einerseits und das verlorene Überlegenheitsbewustsein der Wirtschaftswundersiegerweltmeister verloren ging bzw. als leer empfunden wird (was es immer war).

    Paranoid? Aber vielleicht das:



    "Narzisstische Kränkung bezeichnet sowohl ein spezifisches Verhalten, mit dem eine Kränkung zugefügt, als auch ein Erleben, mit dem sie empfunden wird. Von dem kränkenden Geschehen können sowohl einzelne Personen als auch Gruppen oder Staaten betroffen sein" (Quelle Wikipedia).

    Was also tun, wenn das herrschende politischen und wirtschaftliche System kränkt, immer?

    • @oldleft:

      Die Diagnose haben sie ja bereits gestellt. Wenn man nun noch die Bedrohung der Demokratie als manifeste Fremdgefährdung konstatiert, sollte man die doch allesamt unter Vormundschaft stellen und in die Psychiatrie einweisen können. Alternativ könnte man natürlich auch mal darüber nachdenken warum psychopathologische Zuschreibungen im politischen Diskurs eine eher schlechte Idee sind. Zumal - und da würde ich hier auch den von mir allgemein sehr geschätzten Georg Seeßlen kritisieren - die Argumentation entlang der Kategorien von krank/gesund, auf individueller wie kollektiver Ebene eben auch immer ein zentrales Momentum faschistischer Ideologie war, die all ihre Verbrechen im vorgeblichen Dienst der Heilung von 'Volkskörper' und 'Rasse' beging. Das allein wäre schon mehr als genug Grund von derlei Kategorien im antifaschistischen Diskurs Abstand zu nehmen, problematisch darüber hinaus ist ebenfalls der Umstand, dass ein als irgendwie 'gesund'/'normal' definierter Zustand eine diskursive Schließung impliziert die zwangsläufig im Widerspruch zu einer offenen und liberalen Gesellschaft steht.

      • @Ingo Bernable:

        Ich komme, wenn ich das hier richtig verstehe, auf ein ganz anderes Ergebnis. Foucault hat m.M.n. sehr gut gezeigt, wie der sog. Wahnsinn benutzt wurde um Menschen aus dem Diskurs auszuschließen. Frauen waren hysterisch und wurden ignoriert, Männer und Frauen waren Schwachsinnig und institutionalisiert und weggesperrt. Im Laufe der Zeit hat man dann angefangen ihnen zuzuhören. M. M.n. hat sich das durch social Media noch weiter entwickelt. Simple betrachtet: "Früher" war der Typ, der im Dorf 'Schwachsinn' redet meist isoliert. Man wusste dass man Peter nicht so ernst nehmen konnte etc. Heutzutage findet Peter im Internet eine ganze Gruppe anderer, die die gleiche Realität sehen und artikulieren wie er. Er findet seinen eigenen Diskurs und wird erhört. Und durch das Zusammenfinden von einer großen Masse entwickelt sich langsam aber stetig ein alternativer Diskurs. Wenn man sich dann noch anschaut was Foucault als anderen, eigentlich hauptsächlichen Ausschlagpunkt für die Dynamik des Diskurses formuliert hat, nämlich der Wille nach Wahrheit, dann erscheint die Art und Weise wie die beiden Diskurse funktionieren und auch die Unvereinbarkeit der beiden als logische Konsequenz. Trump, Höcke und Co. mit ihren Verschwörungen, "jüdische Weltraumlaser", "Implantationen von Chips durch Impfung", "Bevölkerungsaustausch" und was nicht noch alles, haben heute alle einen festen Platz im Diskurs. Selbst wenn man sie als Geisteskrank bezeichnet, ihre Diskurs Teilnahme ist davon unberührt.

        • @curiouscat:

          Nun ja, sicher kann man konstatieren, dass es mit dem 'Wille zum Wissen' innerhalb dieser post-faktischen Blasen nicht gerade zum Besten bestellt ist. Ich bleibe dennoch der Meinung, dass die Argumentation entlang von - wie auch immer definierten - Grenzen dessen was als normal/gesund zu betrachten sei kein Modus ist den man sich als Anhänger*in einer liberal-pluralistischen Gesellschaft zu Eigen machen sollte.

        • @curiouscat:

          Ich finde, Sie liefern einen ganz brauchbaren, plausiblen Erklärungsansatz. Er ließe sich noch durch weitere soziologische/sozialpsychologische Ansätze ergänzen.



          Beispielsweise die Metapher vom “rabbit hole” (nicht die US-Serie), in der die User sich immer weiter in die Scheinrealitäten und Filterblasen des Internets verstricken. Da es sich jedoch um einen engen und weit verzweigten Kaninchenbau handelt, ist es letztlich unmöglich, zur Wahrheit des Tageslichts zurückzukehren. Eine Sackgasse ohne Ausweg, in die man sich nur immer tiefer in die Pseudorealität der Vorurteile und Verschwörungstheorien eingräbt.



          de.m.wikipedia.org/wiki/Rabbit_Hole#

      • @Ingo Bernable:

        Abgesehen von der Idee der Psychiatrisierung: Full Ack.



        Leider ist eine derartige Kategorisierung unabhängig von der vermutlich ehrbaren Motivation, der sie entstammt, notwendigerweise das, was sie kritisiert: faschistisch.



        Und deswegen selbstverständlich indiskutabel.

        • @Brobdignag:

          "Abgesehen von der Idee der Psychiatrisierung"



          Es ging dabei lediglich darum die logischen Konsequenzen des Vorstehenden zu demonstrieren und ich hielt es eigentlich für naheliegend, dass das von allein als offensichtlich so ungeeignet und inakzeptabel erscheinen müsste, dass verständlich wäre, dass das eben kein konkreter Lösungsvorschlag sein kann. Mir scheint ich habe mich mit dieser Einschätzung geirrt.

    • @oldleft:

      Die Nazis sind nicht nur in D aktiv

  • Sorry, aber ich verstehe den Text nicht. "Zurück zu den Ursachen" - wer soll zurück und was sind die Ursachen denn genau? Und welche Systeme, Semantiken, Erzählungen oder Bilder sollen welcher Wahrheit nicht gewachsen sein?? Und wieso soll Angst entstehen "durch die Unmöglichkeit, das zu erkennen, was einen bedroht"? Wenn ich Angst habe vor Hunden weiß ich doch wovor ich Angst habe??

  • EINE Ursache dieser Irrationalität ist die weit verbreitete Kultur der Gewalt und Missachtung gegen Kinder und ein komplett -mit Verlaub - dämlicher Begriff von Respekt in den patriarchalen Klassengesellschaften, ob nun mit oder ohne klerikale Herrschaftsschicht.



    Diese Kultur erzeugt Vergeltungswünsche und Respektforderungen, welche rassistisch und nationalistisch mobilisierbar sind. Dann fehlt nur noch eine Krise, und die Welle aus Dummheit und Gemeinheit kann ins Rollen kommen.

    • @aujau:

      Was macht sie so sicher, dass der Mensch überhaupt ein rationale Wesen sei?



      Vieles spricht dafür dass er statt von Vernunft von unbewussten Wünschen, Vorstellungen und Gefühlen gelenkt wird.

      MfG

      • @Timo Heuer:

        Ja , leider ist dem oft so. Besonders gefährlich ist, dass das Gegenstand von Manipulation werden kann.

  • Interessante Überlegungen. Aber: Gibt es einen (ggf. auch schwierigen) Weg zurück - und zurück wohin? Problematisch finde ich auch die – ziemlich vorbelasteten – Krankheits- und Heilungsmetaphern in gesellschaftspolitischen Analysen.

  • Es ist überaus wichtig die irrationalen Momente der faschistischen Bewegungen theoretisch zu durchdringen. Gerade dieser außerordentlich wichtige Aspekt wird im öffentlichen Diskurs vollkommen ausgeblendet. Ich kann da nur Adorno, Fromm und Löwenthal empfehlen, die haben leider nicht allzu viel an Aktualität eingebüßt.