Umfrage zu Geflüchteten in Polen: Zu Tisch bitte!

An Weihnachten steht stets ein extra Gedeck bereit für Gäste. Doch ausgerechnet bei praktizierenden Ka­tho­li­k*in­nen hört da die Nächstenliebe auf.

Zwei Frauen in Arbeitskleidung stehen in einer Großküche und befüllen Einmachgläser.

Lilla Swierblewska kocht für die Geflüchteten an der polnisch-belarussischen Grenze Foto: Lukasz Glowala/reuters

WARSCHAU taz | Zu den wichtigsten Weihnachtstraditionen Polens gehört das „Gedeck für den unerwarteten Gast“ am reich bestückten Festtagstisch. Viele katholische Familien laden am Weihnachtsabend eine Person ein, die sonst wohl allein zu Hause säße.

Doch in diesem Jahr ist alles anders: Seit Oktober versuchen Flüchtende aus dem Nahen und Mittleren Osten über die polnisch-belarussischen Grenze nach Europa zu kommen und hier einen Asylantrag zu stellen. Oft irren sie tagelang durch Wald- und Sumpfgebiete, werden von belarussischen und polnischen Sicherheitskräften hin und her über die Grenze gejagt. „Würden Sie einen solchen Flüchtling an ihren Weihnachtstisch einladen?“, fragte nun das Umfrageinstitut IBRIS Gläubige und Ungläubige in Polen.

Das überraschende Ergebnis: ausgerechnet die Gruppe, die zwar an den Weihnachtstraditionen fest hält, aber von Religion und Kirche nichts mehr wissen will, zeigt am meisten Nächstenliebe. Rund 70 Prozent der Ungläubigen würden die zwölf Weihnachtsgerichte gerne mit einem oder einer Geflüchteten teilen.

Am anderen Ende der Skala stehen die – nach eigenen Angaben – gläubigen und regelmäßig praktizierenden Ka­tho­li­k:in­nen mit gerade mal 45 Prozent. Die Mehrheit von ihnen, knapp 50 Prozent, würde die Geflüchteten auch an Weihnachten nicht an den gedeckten Tisch bitten.

Papst-Worte bleiben ungehört

Die Umfrage, die für die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita durchgeführt wurde und an der über 1.100 Personen teilnahmen, zeigt auch, wie wenig die Worte von Papst Franziskus bei den Gläubigen in Polen ankommen. Denn kurz vor Veröffentlichung der Umfrage hatte der Heilige Vater an Europa appelliert, den Geflüchteten gegenüber offen aufzutreten und es Kirchengemeinden zu erlauben, sich um die Hilfesuchenden zu kümmern. „Man muss nur ein bestimmtes Tor öffnen“, so der Papst, „die Herzenstür. Lasst uns dies an Weihnachten tun.“

Entlang der 400 Kilometer langen Grenze zwischen Belarus und Polen gibt es heute viele Gläubige, die nicht nur an Weihnachten an die frierenden Menschen aus Afghanistan, dem Iran und Irak, aus Syrien und Somalia denken. Sie haben schon vor Monaten Kontakt zu Hilfsorganisationen gesucht, die hinter der drei Kilometer breiten Sperrzone ihr Quartier aufgeschlagen haben.

Die Staatspropaganda von den angeblich islamistischen Terroristen und Vergewaltigern glaubt hier kaum noch jemand. Anders als im restlichen Polen werden an der polnisch-belarussischen Ostgrenze auch viele Tiefgläubige bereit sein, Geflüchtete an den gedeckten Tisch zu bitten. Das weihnachtliche „Gedeck für den unerwarteten Wanderer“ ist hier wieder gelebte Tradition.

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