Überreaktion der Medien auf Rezos Kritik: Macht euch locker
Deutschlands vielleicht bekanntester YouTuber blättert in Zeitungen und macht sich lustig. Das ist kein Drama – außer Journalisten machen eins draus.
Der YouTuber Rezo hat als Gast in einem Video auf dem YouTube-Kanal „Space Frogs“ über Journalisten gelästert. Anekdotenhaft erzählte er von seinen Erfahrungen mit der Printmedienwelt. So beschwerte er sich etwa über einen unangemeldeten Besuch von Bild-Journalisten. Er kritisierte auch, dass die FAZ ihn um eine Stellungnahme zur Flugzeugnutzung von Menschen gebeten habe, die in einem seiner Videos zu sehen gewesen seien. Aus Rezos Sicht war es die „unnötigste Mail, die ich seit Langem erhalten habe“.
Rezo war kurz vor der Europawahl mit seinem Video „Die Zerstörung der CDU“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Damals rechnete er in rund einer Stunde mit den Unionsparteien ab. So warf er ihnen vor, nichts gegen Ungleichheit oder Klimawandel zu tun. Das Video wurde viele Millionen Mal geklickt, während die CDU tagelang über eine angemessene Reaktion mit sich und dem Internet haderte – ein ziemliches Versagen. Trotzdem ist es kein Grund, nervös zu werden, wenn Rezo nun ein wenig über Teile der Medienbranche lästert.
In seinem Klickmonster „Die Zerstörung der CDU“ hatte Rezo ein lange vorbereitetes Skript, Argumente und einen Quellenkatalog. Dagegen setzt das aktuelle Video auf Spontanität. Rezo hat es nicht „wieder getan“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland), sich nicht die Medien „vorgenommen“ (dpa) und schon gar nicht „zerlegt“ (Watson). Dass Rezo nicht erneut wochenlang recherchiert hat, merkt man.
Stattdessen blättert er mit seinem Gastgeber ein bisschen durch Bild und BZ und ist dabei ein wenig fassungslos über Boulevardthemen, wie das Essen bei der Hochzeit von Heidi Klum und Tom Kaulitz. Oder darüber, dass Printzeitungen tatsächlich noch das lineare Fernsehprogramm drucken. „Ey, wer liest das?“, fragt er an einer Stelle. Dass Rezo selbst nicht besonders oft eine Zeitung in die Hand nimmt, macht er laufend deutlich. „Journalisten sind teilweise so dumm“, findet Rezo. Und kurz darauf: „Es gibt auch gute Journalisten.“ Huiuiui, da wurde aber gegeben. So richtig in die Fresse.
Eine Panikreaktion ersetzt die andere
Dass man nach dem gescheiterten Umgang mit Rezos Video über die CDU genau überlegt, ob und wie man auf öffentliche Äußerungen von Rezo reagiert, ist verständlich. Doch manche Reaktionen wirken schlicht unbeholfen. Etwa die des Deutschen Journalisten-Verbands. Der sprang für die Branche mit einer Pressemitteilung in die Bresche und kritisierte das Video als „billige Stimmungsmache“ und „pauschale Diffamierung“.
„Es ist billig, einerseits die Recherchen von Journalisten für das Anti-CDU-Video intensiv zu nutzen, und wenige Wochen später der gesamten Berufsgruppe kollektive Hirnschäden anzudichten“, teilte der DJV-Vorsitzende Frank Überall mit. Eine Stunde später schickt der DJV einen einzigen Satz an seinen Presseverteiler: „Der Deutsche Journalisten-Verband zieht die Pressemitteilung zum Rezo-Video vom 20. August 2019 zurück.“ Auf Twitter teilt der Verband mit, dass es intern unterschiedliche Auffassungen gebe. Eine Panikreaktion ersetzt die andere. Das ist dem Gegenstand einfach nicht angemessen.
Es ist tragisch, dass der DJV so unsouverän mit Medienkritik umgeht. In Zeiten, in denen der Begriff „Lügenpresse“ vielen leicht über die Lippen geht und Journalisten oft mit pauschalen Vorurteilen zu kämpfen haben, sollte man wissen, wie man selbstbewusst mit Kritik umgeht. Rezo reiht sich nicht in den Mob ein, in dem alle Medien pauschal gehasst werden. Er sagt, was er schlecht findet, und das auf seine lockere YouTuber-Art mit einer Sprache für sein junges Publikum. Das ist doch ganz erfrischend. Rezos Meinungen kann man teilen oder eben nicht. Aushalten aber sollte man sie können. Und nicht in Panik verfallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“