UN-Klimaziele vor dem Scheitern: Richtung 2,7 Grad Erderwärmung

Alarm bei der UNO: Die Klimapolitik ist weit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt. Die G20 könnten viel bewirken, sind aber zu langsam.

Vogel fliegt über brennenden Wald im Amazonasgebiet

Der Wald im Amazonas brennt weiter, die Klimaziele werden verfehlt Foto: Bruno Kelly/reuters

BERLIN taz | Wenn am Montag in New York die diesjährige Vollversammlung der Vereinten Nationen beginnt, haben die Staaten der Welt ihr aktuelles Versagen in der Klimapolitik schwarz auf weiß: Anstatt die klimaschädlichen Treibhausgase bis 2030 zu reduzieren, führt die momentane Politik der UN-Staaten zu einer Zunahme der Emissionen um 16 Prozent.

Das wiederum verursacht bis 2100 eine Erderwärmung von 2,7 Grad Celsius – weit mehr als die „deutlich unter 2 Grad“, die dieselben Staaten 2015 im Pariser Abkommen beschlossen haben. Das sind die Kernaussagen des „NDC-Berichts“, den das Klimasekretariat UNFCCC am Wochenende vorgestellt hat. „Der Bericht zeigt, dass die Welt auf einem katastrophalen Weg zu 2,7 Grad Erwärmung ist“, warnte UN-Generalsekretär Antonio Guterres. „Das ist der Bruch des Versprechens von 1,5 Grad aus dem Pariser Abkommen.“

2015 hatten 191 Unterzeichner gelobt, alle fünf Jahre neue und verbesserte nationale Klimapläne (NDC) vorzustellen. Bisher haben das nur 113 Länder getan – für die Chefin des UN-Klimaprogramms UNFCCC, Patricia Espinosa, immerhin ein „Hoffnungsschimmer“. Denn rechnet man diese Zahlen zusammen, kommt man für 2030 auf eine Reduktion von 12 Prozent der Emissionen durch diese Staaten.

Doch das ist weit entfernt von den minus 45 Prozent, die 2030 gegenüber 2010 nach Berechnungen des UN-Klimarats IPCC weltweit nötig sind, um das 1,5-Grad-Ziel zu halten. Das ist für Espinosa dann auch „ernüchternd“, erklärte sie vor JournalistInnen: „Obwohl manche Nationen Fortschritte machen, gehen die NDC insgesamt in die falsche Richtung.“

Katastrophen als Folge

Bei der UN-Generalversammlung wird das Klima auf der Tagesordnung stehen. Doch das Pariser Abkommen sieht kaum Folgen für die Länder vor, die ihren Pflichten zu ehrgeizigen NDC-Plänen nicht nachkommen. „Die schwerste Konsequenz daraus, das Abkommen nicht zu erfüllen, sind Katastrophen, wie wir sie gerade überall gesehen haben“, meinte Espinosa.

Selbst im besten Fall liegen nach den bisherigen Planungen die weltweiten Emissionen 2030 um 20 bis 23 Milliarden Tonnen CO2 (Deutschland: etwa 0,8 Milliarden Tonnen pro Jahr) zu hoch, um die Erwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Das ergibt eine aktuelle Detailanalyse der vorgelegten NDC-Pläne durch die Thinktanks Climate Analytics und New Climate Institute: Es gebe „ein paar einsame Vorreiter, aber die Ziele und Aktionen der meisten Regierungen bleiben höchst oder deutlich ungenügend“, heißt es.

Zu den Musterschülern gehören Gambia, Costa Rica, Kenia, Äthiopien und Nepal, dazu auch Großbritannien. Deutschland, Norwegen und die EU kommen nahe an ein „fast ausreichend“ heran – es fehlen ein schnelleres Kohle-Aus und mehr Finanzhilfen für die armen Staaten. Diese sollten laut Pariser Abkommen ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar betragen, lagen aber 2019 nach Schätzungen der OECD nur bei etwa 80 Milliarden.

Die Thinktank-Analyse erkennt an, dass die EU und die USA ihre Ziele angehoben haben und 70 Länder bis 2050 klimaneutral sein wollen. Doch diese Ziele seien zu vage, es fehle ein Pfad zur Emissionssenkung, schreiben die Experten: „Das wichtigste Datum ist 2030, wo die globalen Emissionen um 50 Prozent gekappt sein müssen“, warnt der Bericht, „aber die Regierungen sind nicht einmal nahe dran an diesem Ziel“.

Australien, Mexiko, Russland schneiden schlecht ab

Besonders schlecht schneiden die Regierungen von Australien, Mexiko, Russland, Indonesien, Vietnam, Brasilien, Neuseeland, Singapur und der Schweiz ab, die die „gleichen oder schwächere Klimapläne als 2015 vorgelegt haben“.

Dabei könnten gerade viele dieser Länder einen großen Unterschied machen, findet eine andere Analyse der Denkfabriken World Ressource Institute und Climate Analytics: Sie sind zum großen Teil G20-Staaten, die weltweit für 75 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Mit ehrgeizigen Klimazielen könnten sie die Erderhitzung noch auf 1,7 Grad bis 2100 begrenzen, ergibt die Untersuchung.

Ihre jetzige Politik verurteile die Welt allerdings zu 2,4 Grad mehr, und auch die bislang angekündigten Verbesserung brächten das nur auf 2,1 Grad. „Die G20 sind verantwortich für die überweigende Mehrheit der CO2-Emissionen, wir brauchen die gemeinsame Anstrengung der reichsten Länder, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, sagte Bill Hare von Climate Analytics.

„Handeln oder Nichthandeln der G20-Länder wird hauptsächlich darüber entscheiden, ob wir die gefährlichsten und teuersten Folgen des Klimawandels verhindern können“, meinte Helen Mountford vom WRI. Ende Oktober wird das offensichtlich: Auf das G20-Treffen in Rom folgt gleich am nächsten Tag der Klimagipfel in Glasgow.

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