Trump verbietet Worte: Buchstäblich ungerecht
In den USA findet eine systematische Ausradierung von Stimmen statt, die dem weißen, männlichen Gesellschaftsnarrativ widersprechen.

D ie fetten Jahre sind vorbei, in den USA herrscht nun Maga-Sucht. Denn die Umsetzung des Mantras „Make America Great Again“ lässt Abermillionen Menschen in den Vereinigten Staaten den Gürtel enger schnallen. Der zum Wundermittel aufgebauschte Wahlspruch entpuppt sich als Armutszeugnis, hinter ihm verbirgt sich eine knallharte Austeritätspolitik, die nun, mehr als je zuvor, eine systematische Umverteilung des Wohlstands von unten nach oben fördert.
Doch nicht nur Programme und Mittel werden gestrichen, sondern auch Wörter. Selbst der in elf Meter großen Buchstaben verfasste Schriftzug „Black Lives Matter Plaza“ in Washington wird gerade entfernt. Es klingt wie ein Orwell'scher Albtraum, ist aber Realität. In den USA vollzieht sich eine sprachliche Säuberung.
Sie erfolgt auf Anordnung von Donald Trump, der mit einem Fingerschnipser den Golf von Mexiko in den Golf von Amerika verwandeln kann. Wie die New York Times recherchiert hat, wurden seit Trumps Amtsantritt mehr als 200 Begriffe aus dem Vokabular der Bundesbehörden verbannt. Dazu zählen die englischen Wörter für „Klimawandel“, „Rassismus“, „Vielfalt“ und gar „Frau“. Die Begründung? Man wolle dazu beitragen, eine neutralere und unvoreingenommene Kommunikation auf amtlicher Ebene zu gewährleisten.
Offiziell handelte es sich dabei nicht um ein juristisches Verbot. Durch die Androhung von Budgetkürzungen etabliert sich jedoch eine Atmosphäre der Angst und Selbstzensur. Dieser Stil der Machtausübung, andere Menschen in Unsicherheit und Ergebenheit zu stürzen, ist nicht nur das Markenzeichen von Donald Trump. Er entspricht auch dem von der Heritage Foundation entworfenen Project 2025. Enge Verbindungen dazu hat ebenfalls US-Vizepräsident J. D. Vance, der übrigens auch als Experte für gewaltfreie Kommunikation und ukrainische Herrenmode in Erscheinung tritt.
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Sogar die Art und Weise, mit der Elon Musk etlichen Bundesbehörden den Geldhahn zudreht, entspricht penibel dem Drehbuch der erzkonservativen Denkfabrik. Es ist übrigens Musk, der im Podcast von Joe Rogan beteuerte: „Die grundlegende Schwäche der westlichen Zivilisation ist Empathie.“
Trump, Vance, Musk – allesamt weiße Alphamännchen. Gerade diese Konstellation verdeutlicht, was an der sprachlichen Säuberung so beunruhigend ist: Sie verkörpert die Angst der maskulinen, weißen Dominanzgesellschaft davor, ihre Privilegien zu verlieren. Im Angesicht des demografischen Wandels setzt das Patriarchat lieber auf Demagogie als auf Diversity, um seine bröckelnde Hierarchie weiterhin aufrechtzuerhalten.
So werden marginalisierte Menschen de facto mundtot gemacht. Ihre Geschichten und ihre Kämpfe über Jahrhunderte hinweg, ihre Bedürfnisse, ihre schiere Existenz – alles soll aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt werden. Eine subtile, jedoch sinistere Art der Ausgrenzung, die ganze Bevölkerungsgruppen in die Unsichtbarkeit zwingt. Ethnische Minderheiten, alleinerziehende Mütter, kinderlose Frauen, Queere jeglicher Couleur, Menschen mit seelischer Erkrankung oder körperlicher Behinderung und viele mehr.
Neulich wurde sogar das Erbe der stolzen Tuskegee Airmen kurzzeitig aus dem militärhistorischen Unterricht gestrichen. Schwarze US-Kampfpiloten, die herausragende Einsätze gegen Hitlers Luftwaffe flogen – einfach gelöscht. Mein afroamerikanischer Vater diente unter Beschuss im Zweiten Weltkrieg als Angehöriger der US Air Force, und auch ich bin US-Militärveteranin. So stieß mir diese Streichung besonders übel auf.
Mittlerweile machte Trump dort eine Kehrtwendung und suggerierte, jemand habe aus vorauseilendem Gehorsam gehandelt. Wie dem auch sei, ein gefährlicher Geschichtsrevisionismus ist längst im Gange.
Bereits 2021 in Southlake, Texas, regte eine Schulbezirksleiterin an, Bücher über den Holocaust mit Büchern „auszubalancieren“, die die Schoah leugnen. Aktuell in Florida verharmlosen Schulbücher die Sklaverei, indem sie die Versklavten als Schwarze Immigranten bezeichnen. Beide Bundesstaaten sind seit mehr als zwei Jahrzehnten in republikanischer Hand, und zwar mit starker rechtsnational-evangelikaler Prägung.
Indem das weiße Patriarchat krampfhaft versucht, seine Deutung der Wirklichkeit zu verteidigen, bestätigt es genau die Kritik, die es so vehement zurückweist: die Kritik an seiner exklusiven und unterdrückenden Natur.
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