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Triage von Corona-Kranken in ZittauEntscheidung über Leben und Tod

In einer Klinik im sächsischen Zittau ist der Ernstfall eingetreten. Es gibt nicht genügend Beatmungsgeräte für alle Covid-Patient:innen.

Was tun, wenn es nicht mehr genug Beatmungsgeräte gibt? Foto: Jens Büttner/dpa

Eigentlich sollte es am Dienstagabend nur eine Dialogrunde sein. Zum Austausch, zur Debatte, zur Information über das Pandemiegeschehen im sächsischen Landkreis Görlitz. Geladen waren verschiedene Gäste aus Zittau und dem Landkreis: Ein Citymanager, ein Journalist, der Oberbürgermeister von Zittau, das Gesundheitsamt. Und zwei Ärzte.

Einer von Ihnen, Mathias Mengel, ärztlicher Direktor des Klinikums Oberlausitzer Bergland, verkündete wie nebenbei die Meldung, vor der Expert:innen seit Monaten gewarnt hatten: Die Überlastung der Klinik in Zittau aufgrund des Coronavirus ist so hoch, dass eine Auswahl getroffen werden muss, wer beatmet wird und wer nicht.

Damit hat ein ärztlicher Direktor erstmals öffentlich bestätigt, dass das Konzept Triage in Deutschland im Umgang mit Coronakranken angewendet wird. Das Wort Triage ist aus dem Französischen abgeleitet und bedeutet Auswahl oder Sichtung. Es beschreibt die Einteilung von Patient:innen nach der Schwere ihrer Erkrankungen.

Im Ernstfall kann das schnell zum ethischen Dilemma werden – nämlich dann, wenn weniger Behandlungskapazitäten bereitstehen, als es Kranke gibt. Bereits im April dieses Jahres veröffentlichte der Ethikrat eine „Ad-hoc-Empfehlung“, in der der ethische Konflikt einer Triage-Situation verdeutlicht wurde: Sollte es dazu kommen, dass entschieden werden muss, wer behandelt wird und wer nicht, seien „tragische Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen“, so der Rat in seinem Papier. Das heißt: Wer Vorerkrankungen hat, wird im Ernstfall also nicht beatmet.

Entscheidungen hängen von den Krankenhäusern ab

Dieser Ernstfall ist nun in Zittau eingetreten: „Wir waren in den vergangenen Tagen schon mehrere Male in der Situation, dass wir entscheiden mussten, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht“, sagte Klinikdirektor Mengel dem Nachrichtenportal t-online. Es werde in erster Linie versucht, die Patient:innen in eine andere Klinik zu verlegen. Erst wenn dies nicht möglich sei, entscheide ein kleines Team kurzfristig. Eine solche Entscheidung könne aber auch bedeuten, dass es für nicht verlegungsfähige Patient:innen überhaupt keine Hilfe mehr gibt.

Für die taz war Mengel bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Das Klinikum äußerte sich lediglich in einer allgemeinen Presseerklärung. Darin heißt es, die intensivmedizinische Betreuung stoße „an die Grenzen des Leistbaren“. Alle Patient:innen erhielten die „bestmögliche Therapie“.

Doch bestmöglich heißt eben nicht gleich gerecht: Das zu knappe Personal kann die Menge der Kranken nicht mehr ausreichend versorgen.

Der Landkreis Görlitz gehört zu den derzeit am schlimmsten vom Virus betroffenen Gebieten. Der Personalnotstand verschärft die Lage noch, sogar positiv getestete Pflegekräfte werden eingesetzt. Auch die Bundeswehr wurde bereits zur Unterstützung herangezogen. Derzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Görlitz laut RKI bei 701,16 je 100.000 Einwohner:innen. 267 Corona-Patient:innen sind seit Beginn der Pandemie gestorben.

Doch wer entscheidet überhaupt darüber, ob ein:e Pa­tient:in beatmet wird oder nicht? Bereits Ende März veröffentlichte eine Expert:innen-Kommission von sieben medizinischen Fachgesellschaften eine Leitlinie mit klinisch-ethischen Handlungsempfehlungen im Falle einer Triage-Situation im Kontext der Corona­krise.

Ausbruch einer Überforderungssituation

Darin finden sich Kriterien zur Entscheidungsfindung und Prioritätensetzung, darunter Faktoren wie Komorbidität, Allgemeinzustand und andere medizinische Skalen. Bindend ist diese Leitlinie jedoch nicht. Es gibt keine Standardregeln, um diese Entscheidungen zu treffen – beispielsweise dazu, wie viele Ärzt:innen und wie viel ethisch geschultes Personal an dem Prozess beteiligt sein müssen. Die Entscheidungen hängen im Ernstfall von den jeweiligen Krankenhäusern ab. Auch ein Gesetz gibt es in Deutschland dazu nicht.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach lehnt es ab, das ethische Dilemma politisch zu regeln und eine Verordnung dafür im Bundestag zu diskutieren. „Die Entscheidungen zwischen lebenswertem und weniger lebenswertem Leben sind medizinethische Fragen, über die der Bundestag nicht entscheiden darf.“ Sollte es zu einer solchen Debatte kommen, werde die SPD-Fraktion dies nicht mittragen.

Für die kommenden Wochen erwartet er eine „schreckliche Situation“ auf den Intensivstationen. Denn: Alle Personen, bei denen das Virus in den kommenden Tagen ausbricht, sind bereits infiziert. Es stehe ein „dreiwöchiger Kampf gegen den Ausbruch einer Überforderungssituation“ bevor.

Der Politiker betonte jedoch auch, dass in Zittau eine Sondersituation eingetreten sei. Sachsen habe „sehr lange gezögert“, sich zu klaren Lockdown-Entscheidungen zu bekennen. Außerdem habe Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) immer wieder versucht, einen Kompromiss mit den „Querdenkern“ hinzukriegen. Kretschmer selbst hatte vor einigen Wochen gesagt, man habe das Virus „unterschätzt“. Am Mittwoch lobte er dann den „sächsischen Weg“.

Um die Situation noch abzuwenden, sagt Lauterbach, hätte es bereits früher einen harten Lockdown geben müssen. Er hoffe, dass durch die späten Maßnahmen nun dennoch verhindert werden könne, dass deutschlandweit Triage-Entscheidungen getroffen werden müssten. Dafür müsse die Ausgangssperre aber über den 10. Januar hinausgehen – damit die Neuinfektionen flächendeckend so weit sinken, dass die Intensivkapazitäten für alle reichen.

Korrektur (18.12.): In einer früheren Version des Artikels hatten wir behauptet, die Handlungsempfehlung aus dem März stamme von sieben medizinischen Fachangestellten. Gemeint waren allerdings sieben medizinische Fachgesellschaften.

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46 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Können die Patienten nicht ausgeflogen werden in andere Kliniken, in denen es noch ausreichend Beatmungsgeräte gibt? Oder ist es überall kritisch? Dann gute Nacht. Hatte Deutschland nicht während der 1. Welle Patienten aus europäischen Nachbarländern aufgenommen? Wie sieht es mit der Gegenseitigkeit aus?

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Wievielte Coronafälle gibt es eigentlich auf Helgoland? Ich glaube Helgoland hat die Corona-Pandemie schon besiegt.

  • Jeder, auch die Anti-Triagisten, und Moralisten, wird sich hüten, in der Öffentlichkeit eine Meinung kundzutun, wer bei Mangel an Beatmungsgeräten diese bevorzugt erhalten soll.

    Das wird stumpf und knallhart doch letztendlich den Ärzten überlassen.

    Die Kritikeusen werden aber sicherlich ein rechts- oder linkspopulistisches Süppchen daraus kochen.

  • Verdammte Kacke, ein Kreiskrankenhaus wird zum Spielball der Triage Debatte. Versorgt eure lokale Bevölkerung so gut ihr könnt. Damit hat die knapp bemessene Ärzteschaft in einem Kreiskrankenhaus ein hohes und ehrenwertes Ziel. Wer hat da noch Ressourcen eine Grundsatz Diskussion zu führen ? Jetzt sind die SZ und die taz am Ball....ich meine mit der Patienten Betreuung haben die Ärzteschaft/Pflegekräfte genug zu tun. Und überregionalen Aufmerksamkeit steht der Oberlausiter Klinik nicht.

  • "Alle Personen, bei denen das Virus in den kommenden Tagen ausbricht, sind bereits infiziert."

    Und in der Regel hier und jetzt bereits höchstinfektiös - und gemäß den aktuellen RKI-Kriterien ist von denen noch fast niemand getestet.

    In Neuseeland war vorgestern Covid Victory Day. Test- und Quarantänesystem stehen, um eingeschleppte Fälle abzufangen, bevor es zu Übertragungen im Inland kommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Land jemals einen größeren Ausbruch erleidet, liegt so nah an Null, wie das nur möglich ist.

    Jede Demokratie bekommt die Pandemie, die sie gewählt hat.

    • @Ajuga:

      Na ja, das ist ja wohl sehr schwer vergleichbar.



      Neuseeland hat eben auch keinerlei Landgrenze zu anderen Staaten. Schon mal gar keine offenen.



      Deutschland hat innerhalb eines Staatenverbundes (mit Freizügigkeitsregelung der meisten Nachbarstaaten) eine Landgrenze von 3700 km zu 9 Nachbarländern. Dass man das nicht so einfach ohne komplette Abschottung und Greenzsicherung kontrollieren kann, dürfte eigentlich klar sein.

    • @Ajuga:

      Und ich Depp dachte, es bräuchte dafür eine Diktatur ... ;-/

      • @Uranus:

        Nein, dafür braucht es keine Diktatur, ganz im Gegenteil, dafür braucht es eine entschlossene Exekutive und ein ebenso entschlossenes Parlament, das bereit ist auch ohne zu lange Diskussion das richtige zu tun zum Schutz der Bevölkerung, auch wenn es nicht populär und Mainstream ist.

  • Triage ist doch jetzt nicht neues, Sie rückt durch Corona nur deutlicher in den allgemeinen Fokus.

    Hat es die Mehrheit der deutschen jemals interessiert unter welchen Arbeitsbedingungen Ärzte und Pflegende ihren Job verrichten?

    Angesichts der Vulnerabilität des eigenen Daseins, ausgelöst durch die jetzige Krise, beginnt man den Wahnsinn zu begreifen, der sich tagtäglich in deutschen Krankenhäusern abspielt- auch ohne Sars-Cov-2.

    Verdi und wissenschaftliche Mitarbeiter in der Pflege reden sich seit Jahrzehnten den Mund fusselig, dass sich die Bedingungen im Pflegeberuf ändern müssen, dass Pflege besser bezahlt werden muss, dass zukünftig mit einem veritabelen Pflegenotstand zu rechnen ist, solange Facharbeiter in der Pflege weniger verdienen, als Facharbeiter bei BMW.

    Schluss! Aus!



    Bezahlt Pflegende besser und ihr werdet künftige Krisen ohne Personalproblem in den Griff bekommen.

    • @CO2- Narkose:

      Alles super - bessere Bezahlung ist immer gut. Nur muss es halt auch jemand bezahlen, und wer genau soll das sein in einer Gesellschaft mit immer mehr Rentnern und immer weniger Beitragszahlern? Wenn man Pfleger mit BMW-Angestellten vergleicht, dann muss man das Krankenhaus mit BMW vergleichen - rein profitorientiert und börsennotiert, mit Arbeitsplatzverlagerungen, Automatisierung und Rationalisierung.



      Wenn man ehrlich ist, dann ist der Pflegenotstand vor allem eines: Ein gutes Argument für gezielte und kontrollierte Einwanderung.

      Was nutzt ein spitzenverdienender Pfleger der Gesellschaft, wenn ihn sich keiner mehr leisten kann, oder nur noch sehr reiche Menschen? Die Wahrheit ist: Pflegeberufe werden nie zu denen gehören, in denen Spitzenlöhne erzielt werden, bestenfalls kann es eine moderate Aufwertung geben.

      Was ein überteuertes, nach Unternehmensart organisiertes Gesundheitssystem nicht leistet, ist genau das, was man in den USA sieht, nur dass auch dort nicht die Pfleger reich sind, sondern nur deren Unternehmen. Am Ende wird das eine Klassenmedizin - die Armen haben dann keine schlechte Pflege und Versorgung mehr, sondern gar keine.

      • @hup:

        Alles richtig. Bin ganz bei ihnen.

        Dann wird sich diese Gesellschaft damit abfinden müssen, dass wir uns durch diese und kommende Krisen hindurchwurschteln. Denn mit jetzigen Löhnen wird man das Fachpersonal von morgen nicht rekrutieren können.

  • Klingt doch toll: Arbeiten, shoppen bis die Triage, äh, die*der Ärzt*in kommt. ;-(

    • @Uranus:

      "Bereits im April dieses Jahres veröffentlichte der Ethikrat eine „Ad-hoc-Empfehlung“, in der der ethische Konflikt einer Triage-Situation verdeutlicht wurde: Sollte es dazu kommen, dass entschieden werden muss, wer behandelt wird und wer nicht, seien „tragische Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen“, so der Rat in seinem Papier. Das heißt: Wer Vorerkrankungen hat, wird im Ernstfall also nicht beatmet."



      An diesem Punkte zeigt sich der Sozialdarwinismus dieser Gesellschaft: Gesundheitssystem neoliberalisiert und nun mögen quasi doch bitte die Menschen, die seit eh an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden, doch bitte noch auf ihr Behandlungsrecht verzichten - Alte, Kranke, Behinderte.

      • @Uranus:

        "Gesundheitssystem neoliberalisiert "

        Können Sie das irgendwie durch eine Statistik belegen. Alle Kennzahlen (Anzahl Pflegepersonal, Ausgaben, Kosten des Gesundheitswesen, ...) steigen Jahr für Jahr. Ihre Kritik entbehrt doch jeglicher Grundlage.

      • @Uranus:

        Nein, nicht Sozialdarwinismus.



        Da zeigt sich der Mut, unbequeme Entscheidungen zu treffen.



        Wenn sich jemand entscheiden muss zwischen dem Kind und dem Opa, wer würde dem Opa das Leben schenken? Und welcher Opa würde damit leben wollen?



        Sich nicht zu entscheiden, kostet beide Leben - das lässt sich aber leichter verstecken - einfach erst den Alten anschließen (leider zu kurz), dann den Jungen (leider zu spät). Aber man hat’s ja versucht - und beide waren am Gerät... Wer will da meckern?

        • @mensch meier:

          Wie ist es denn in die Situation gekommen, oder besser: wie wurde die Situation geschaffen, in der - um Ihre Worte zu verwenden - "sich der Mut zeigt, unbequeme Entscheidungen zu treffen"? Welche Interessen werden berücksichtigt und welche nicht/weniger?

          • @Uranus:

            Nun, wir sind so in die Situation gekommen, dass genügend D*ppen, Selbstoptimierer und Egoisten sich nicht an die notwendigen Hygienestandards in einer Epidemie halten wollen. Die Lösung ist nicht „immer mehr Krankenhauskapazität“, sondern mehr Maske, mehr Abstand, mehr Impfbereitschaft. Das ist um Größenordnungen einfacher, als massenhaftes Fehlverhalten auf der Intensivstation zu kompensieren.

            • @hup:

              Sicherlich ist das Verhalten einige Menschen unsolidarisch und rücksichtslos, was da auch mit reinspielt. Es geht doch aber nicht nur um individuelles Verhalten sondern um Strukturen und Politik, wie z.B.: Später Lockdown in 2.Welle, kostenlose Verteilung von FFP2-Masken erst am Höhepunkt der 2. Welle (und wie ist aktuell die Maskenversorgung für ärmere Menschen?), teils geringer Schutz zur Risikogruppe zu zählenden Arbeitnehmer*innen, pauschale 60% Kurzarbeiteinkommen & Mietenhöhenproblematik u.ä. sorgt für finanzielle Probleme bei Niedriglohnarbeitenden und Zwang zur Arbeit, nicht umgesetzte Maskenpflicht in der Bahn ... und dann kommt hinzu, dass es seit vielen Jahren im Gesundheitssystem Personalmangel gibt. Zusammengenommen führt das zu hohen Infektions- und Behandlungaufkommen, was Leben und Gesundheit von Menschen mit Vorerkrankungen bedroht und im Behandlungskontext massiv benachteiligt.

  • Ein weiterer Punkt, wo man Medien wie die Süddeutsche leider hart kritisieren muss, weil ein extrem unvollständiges Bild vermittelt wird:

    Es stimmt zwar, dass sich seit Mitte November der Anstieg der Infektionszahlen verlangsamt hat bzw in Teilen sogar stagniert. Dafür aber ist, wie Pavel Meyer in seinem Twitter-Feed analysisert, einerseits die Zahl der Tests zurück gegangen (was daran liegt, dass die Kriterien für Kontaktpersonen ersten Grades, bei denen Tests durchgeführt werden, erheblich eingeengt wurden), und zweitens ist die Zahl der positiven Tests von einer viel geringeren Rate im Sommer auf bis rund 10% gestiegen (was ein horrend hoher Wert ist).

    twitter.com/pavel23

    Aus diesem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass die stagnierenden Zahlen alles andere als eine gute Nachricht sind - wir haben sehr wahrscheinlich unterm Radar in Wirklichkeit einen erheblichen weiteren Anstieg.

  • Worauf ich hinaus will mit den Zitaten zur Bettensituation / extremen Mangeln an Pflegepersonal (der in der taz ja auch schon an Beispielen thematisiert wurde), ich denke da wird von einer ganzen Reihe von Medien massiv weich gespült und verharmlost.

    Wem soll das nützen? Der Wirtschaft? Wie in den USA bei Trump?

    Oder sind das wirklich nur rare Einzelfälle?

    Es gibt meinem Eindruck nach viel zu sehr die Tendenz, dass die Politik den Leuten allgemein sagt was sie hören wollen, und was Interessengruppen wie z.B. dem Einzelhandel oder der fabrizierenden Industrie gerne haben möchten. So kommen Einschätzungen zustande wie dass die Ubertragung durch Schulkinder nicht wesentlich ist, was immer noch eine Einschätzung zu sein scheint die weniger auf harten Tatsachen und Belegen beruht, sondern wie man es bequemerweise am liebsten haben möchte, weil es billiger ist und sinnvolle und solidarische, aber drastische Schritte wie eine Finanzierung elterlicher Betreuung durch gesetzlichen Zusatzurlaub vermeidet. Das könnte ein sehr schwerer Fehler werden.

    Den nächsten Fehler sind wir vielleicht schon dabei zu machen - es gibt wenig Anzeichen dafür, dass eine Aufrechterhaltung der Normalität bei den Weihnachtsfeiern angemessen ist und uns nicht sehr. sehr teuer zu stehen kommt. Zwar werden wir nicht so große Superspreader-Events haben wie im Heinsberger Karneval oder in Ischgl, aber es braucht nicht viel mathematisches Verständnis dass es statt dessen bei vielleicht 10,000,000 Familientreffen über Weihnachten, und einer Quote von nur 0.1% unwissenden Infizierten (100 von 100,000) wir dann 10,000 kleinere Ausbrüche haben - mit Beteiligten, die in alle Richtungen abreisen.

    Und keine Kapazität, nicht annähernd, um diese alle zu verfolgen.

  • Die Berichte über Triage in Zittau sind ein gutes Beispiel, wie unterschiedlich verschiedene Medien über Corona berichten. Zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung.

    Da wird vom Träger der Zittauer Klinik das Dementi berichtet, es seien genug Beatmungsgeräte und Intensivbetten vorhanden.

    Nun, da gibt es etwa diese beiden Möglichkeiten:

    1) entweder die taz berichtet da über etwas was es nicht gibt

    oder

    2) Einer von folgenden beiden, der ärztliche Direktor Matthias Mendel. oder der Vertreter des Trägers lügen. Interessant ist hier, dass Mendel meinte, Ärzte müssten entscheiden, wem sie Sauerstoff geben, was m.W. per Kanüle erfolgen kann während der Träger von Beatmungsgeräten sprach, also Maschinen die mit einer Intubierung bei lebensbedrohlichen Zuständen eingesetzt werden. Wenn das Dementi des Trägers allein auf dieser subtilen Unterscheidung ohne präzise Erklärung des Unterschieds beruhen sollte, fände ich die Schwelle zur bewussten Irreführung deutlich überschritten. Es wäre nett, wenn die taz da mal ein wenig nach bohrt.

    Zu der Formulierung "es gebe genug Intensivbetten", die in der Süddeutschen schon mehrmals wiederholt wurde, da kann man berechtigte Zweifel haben, etwa wenn man sich Berichte wie folgende anschaut (aus dem Felix von Leitner Blog):

    blog.fefe.de/?ts=a1406877

    blog.fefe.de/?ts=a1408637

    Oder das folgende Interview im Focus mit dem Pfleger Ricardo Lange:

    www.focus.de/gesun...n_id_12682621.html

    Weiter, in der Süddeutschen war vor kurzem ein Interview mit dem Vorstand der Helios-Kliniken, der ebenfalls meinte, es gäbe genug Betten.

    www.sueddeutsche.d...1-201214-99-681764

    Schon am folgenden Tag gab es aber einen Bericht in der SZ, dass es auch bei Helios erheblichen Personalmangel gebe.

    • @jox:

      Nur um es klarzustellen, es ist einerseits die Rede von der Zahl der Intensivbetten (was ja auch die Afd gefordert hat, stärker zum Maßstab zu machen). Die Kliniken bekommen für gemeldete Betten Geld, haben also einen Anreiz mehr Betten auszuweisen. Der Pferdefuss ist aber, dass es nicht an den Betten sondern am Pflegepersonal fehlt, für das nicht genug Geld da ist (und wo die Arbeitsbedingungen wenig Anreiz geben, im Beruf zu bleiben). Also gibt es vielleicht zwar genug Betten, aber bei weitem nicht genug qualifizierte Pflegende (die Ausbildung in der Intensivpflege braucht Jahre)

      • @jox:

        Ich brings mal auf den Punkt:

        "Triage in Zittau" bedeutet konkret Folgendes:



        Die Patient*innen der "dritten Katzegorie" werden in eins der zahlreich vorhandenen leeren Intensivbetten mit einem nagelneuen und ausgeschalteten Beatmungsgerät daneben gelegt, und wenn sie tot sind, kommt jemand vom Pflegepersonal - sobald da wer Zeit hat - und fährt sie in die Leichenhalle.

        Übrigens, wenn wir von "TGrtiage" reden, ist das keine Entweder-Oder-Entscheidung. Im Süden und Osten Deutschlands ist die Situation so, dass je nach Krankenstand des Pflegepersonals (der ja täglich wechselt) seit letzter Woche immer öfter eine Ad-Hoc-Triage durchgeführt wird. Das ist dann natürlich keine "offizielle" Triage-Entscheidung, die in den Medien berichtet wird, sondern das, was passiert, wenn die Ressourcen am Limit sind.

        • @Ajuga:

          Wenn nicht offiziell, woher bitte stammt dann dein Geheimwissen über die längst und immer häufiger durchgeführte Triage in Süd- und Ostdeutschlands, also in der Hälfte der Bundesrepublik? Die "Ortsangabe" ist wahrscheinlich absichtlich so wage gewählt, ne wahr?

  • Und wie viele Patienten überleben von denen, die eine Beatmung zwingend benötigen aber mangels Ressourcen nicht bekommen?



    Auf den Link bin ich gespannt.

    • @Lex:

      Darauf wird es nie eine Antwort geben, weil kein Arzt das Ticket verteilt „Tod mangels Material“



      Stattdessen wird es stets medizinische Gründe gegen die (nicht verfügbare) Therapie geben. Vielleicht würde sich das bei detaillierter Unterstützung als Irrtum herausstellen, aber Fehler passieren...



      Das ist auch gesünder für die Angehörigen.

    • @Lex:

      Es gibt unter diesem Link:

      www.worldometers.i...s/country/germany/

      unter der Überschrift "Outcome of Cases (Recovery or Death) in Germany" eine Grafik, welche die Quote der Überlebenden zeigt. Man sieht, dass die Rate der Überlebenden zwischen dem 10. Mai und dem 23. März drastisch einbracht.

      Es mag eine Menge weitere statistische Effekte gevben, etwa eine verringerte Abdeckung bei Tests, aber dies deutet darauf hin, dass die Beatmung in sehr vielen Fällen tatsächlich lebensnotwendig ist. Und dass wir uns in der Konsequenz einstellen können auf eine noch sehr viel weiter steigende Zahl von Toten. Aus der Zahl der positiv Getesteten sind bereits über 50,000 Tote in Deutschland plausibel.

      Aber dafür hat man ja dem Einzelhandel und den Biergärten geholfen.

    • @Lex:

      Anmerkung: die Frage geht an den Kommentar von Maerz001.

  • Die Triage begann im Frühjahr als beschlossen wurde, die Beatmungsgeräte nicht mit Länder nahezu ohne Geräte zu teilen.

  • Wer einen Bankkaufmann zum Gesundheitsminister macht, wird lernen müssen, dass man Geld nicht atmen kann ...

  • Wenn es in Sachsen derart eng wird, warum verlegen die nicht einige Patienten in andere Bundesländer, zB nach MV oder SH ?

    • @stadtlandmensch:

      Die fraglichen Leute sollen nicht transportfähig gewesen sein.



      Hab ich aus einem anderen Artikel darüber. N-TV womöglich.

  • Als ob der ernst der Lage nicht groß genug ist, beginnen die Desinformationskampagnen.



    Gerade sehe und lese ich das Klinikum sagt, das zu keinem Zeitpunkt nicht oder nicht mehr beatmet wurde.



    Es wäre ein Hilferuf.(CDU-SPD)



    Die Klinik muß um ihren Ruf kämpfen denn es wird auch die Zeit danach kommen.



    Die führenden Politiker in Sachsen sind überfordert.



    Hängen bleibt es wiederan den Schwestern, Pflegern u. Ärzten.



    Die Triage-Situation ist für die Menschen die entscheiden müssen sehr belastend. Ich frage mich auch in Hinblick auf die Angehörigen wie so was abläuft. Also der Angehörige weiß der Arzt*in hat die Entscheidung gefällt. Geht der oder die dann in ein Triageschutzprogramm!?



    Ein Gesetz gibt es auch nicht.

    • @Ringelnatz1:

      "Desinformationskampagnen"



      Wer derart heftige Vorwürfe erhebt sollte mE schon Belege oder wenigstens Hinweise für ein zielgerichtetes und koordiniertes Vorgehen bestimmbarer Akteure das eben Definitionsmerkmal einer Kampagne ist anführen können.



      "Geht der oder die dann in ein Triageschutzprogramm!?"



      Warum sollten sie. In Extremsituationen mit begrenzten Ressourcen ist das das "normale" Vorgehen und auch im Klinikalltag gibt es ja Situationen in denen Menschen nicht mehr zu retten sind, ohne dass das dazu führt das die Verwandtschaft sich dadurch zur Blutrache veranlasst sieht.



      "Ein Gesetz gibt es auch nicht."



      Hier stimme ich Lauterbach zu, das kann und sollte man nicht per Gesetz regelen, will man nicht Gefahr laufen, dass Ärzte sich letztlich für Entscheidungen die im konkreten Kontext nach allen menschlichen und ethischen Maßstäben richtig waren vor Gericht verantworten müssen. So bleibt die Aussage 'Wir haben alles getan was möglich war' ja immer noch richtig, eine gesetzliche Regelung könnte dies in ein Szenario verkehren in dem eine Behandlung uU möglich und sinnvoll, aber in Randfällen nicht mehr erlaubt wäre. Ein Vorgehen also, dass aus ethischer Sicht wie für Angehörige ungleich schlimmer wäre.

      • @Ingo Bernable:

        MP Kretschmer hat in seinen Aussagen in den letzten Monaten soviel Pirouetten geschlagen, das ein Merkmal der DI, die Verwirrung, hier in Frage kommt.

        Kleines Dorf.



        Jeder kennt jeden. Zwei Menschen in Klinik. Ein Älterer*in ein etwas Jüngerer*in.



        Entscheidung.



        Der Jüngere*in darf weiter leben.

        Darauf bezog sich die "Blutrache"!

      • @Ingo Bernable:

        > Hier stimme ich Lauterbach zu, das kann und sollte man nicht per Gesetz regelen, will man nicht Gefahr laufen, dass Ärzte sich letztlich für Entscheidungen die im konkreten Kontext nach allen menschlichen und ethischen Maßstäben richtig waren vor Gericht verantworten müssen.

        Das per Gesetz zu regeln, hat schon den logischen Fehler, dass diese Notsituation mit zu geringem Pflegepersonal die Folge von langfristigen Fehlentscheidungen der Politik ist. Die einzige menschenwürdige Alternative ist, dafür zu sorgen dass Ärzte und Pfleger:innen solche zutiefst traumatisierenden Entscheidungen nicht treffen müssen. Das Ergibt sich meiner Meinung nach schon aus Paragraph 1 GG, dem Schutz der Menschenwürde.

        Es wird immer Situationen geben die Notfälle sind und wo mensch nur nach bestem Gewissen und im Rahmen des Möglichen handeln kann, im Sinne des geringsten Übels. Sowas lässt sich aber nicht planen. Wenn es erwartbar auftritt, hat ein gesundheitsmoinister / eine Regierung (oder eine ganze Generation von Regierungen) den Job nicht gemacht.

  • Bei der Triage-Entscheidung geht es nicht darum, wer eine rare Therapie erhält sondern darum, wie die vorhandene Therapiemöglichkeit die bestmögliche Wirkung erzeugt.



    Mann blickt allein aus Sicht der Therapie. Fragt sich also, bei wem die Beatmung die beste Wirkung erzielen kann oder in welchem körperlichen Zustand ein Spenderorgan die längste Überlebenszeit hat.



    Wenn wir diesen Blickwinkel einnehmen, können wir m.E. wesentlich unaufgeregter über solche Entscheidungen sprechen, weil dies bedeutet, dass keinerlei "Wertung" über die empfangende Person getroffen wird.



    Natürlich wünschen wir uns alle, dass solche Entscheidungen nicht getroffen werden müssen. Wenn sie aber getroffen werden müssen, richten sie eben nicht gegen jemanden, der Vorerkrankungen hat. Sondern einzig und allein danach, wie die Therapie am sinnvollsten eingesetzt werden kann.



    Diesen Grundsatz finde ich hier im Artikel leider nicht ausreichend ausgeführt. Es wird stattdessen direkt suggeriert, das jemand mit einer Vorerkrankung "aussortiert" wird. Was im Übrigen nur dann eine praktische Wirkung entfaltet, wenn diese Vorerkrankungen Einfluss auf den Erfolg der Therapie hat.

    • @Life is Life:

      Ich würde mal gerne hören wie Sie schreiben wenn Sie die Freude hatten eine solche Entscheidung zu treffen.



      Es muss alles getan werden damit kein Arzt jemals eine solche Entscheidung treffen muss. Das ist der Sinn aller Shutdowns und Massnahmen die wir bisher getroffen haben. Und mich macht das wütend dass sich so viele Menschen darum nicht scheren.

      • @Opossum:

        Ärzte treffen jede Stunde die Entscheidung, sich mit einem schwierigen Fall mehr oder weniger zu beschäftigen.



        Bei mehreren kritischen Patienten kann allein die Entscheidung wie lange man über wen überlegt, bei schwierigen Situationen über Leben und Tod entscheiden.



        Damit muss man Leben lernen, oder aufgeben und niemandem mehr helfen...



        Die meisten Leute denken nie darüber nach und skandalisieren das normale, weil sie zufällig damit in Kontakt kommen und nicht mit moralischen Dilemmata umgehen können. Und Gott bewahre uns vor einer politischen Entscheidung über so ein Thema! Schon die Leitlinien zur Impfung sind ein abenteuerlicher Missgriff...

    • @Life is Life:

      Es geht nicht darum wer eine rare Therapie erhält, man fragt sich aber bei wem die beste Wirkung erzielt werden kann? Chapeau! Weil life is life.

      • @Lex:

        Meinung ist nett, Sachbeitrag wäre Interessant.

    • @Life is Life:

      Der Kommentar liefert eine wertvolle Richtigstellung der Aufgabe.



      Und gleichzeitig zeigt er auch, dass solche Entscheidungen kontinuierlich und jederzeit in der Medizin getroffen werden: bestmögliche Wirkung vorhandener Therapien!



      das bezieht schließlich auch Kosten mit ein, und die Grenzen der jeweiligen Krankenkassen, sowie stets auch die vorhandene Ausstattung und Medikamente, ja sogar die Frage, auf welche Patienten die größte medizinische Kompetenz verteilt wird, da auch gute Ärzte nicht beliebig viel Zeit haben.



      Leider ist diese Sichtweise derart skandalfrei, dass es für die Medien völlig uninteressant wirkt.

      • @mensch meier:

        Die einzig wertvolle Richtigstellung ist die: Sie sind auf dem Holzweg der verdrehten Fakten.

        • @Lex:

          Wie entscheiden Sie?