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Treibhausgasbilanz von TierenMöchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende

Vieh sei klimaneutral, behauptet Günther Felßner, CSU-Kandidat für das Amt des Bundesagrarministers. Experten widersprechen vehement.

Meinungsstark und faktenschwach aber ganz klar Möchtegern-Agrarminister Günther Felßner Foto: Dwi Anoraganingrum/imago

Der CSU-Kandidat für das Amt des Bundesagrarministers, Günther Felßner, hat Nutztiere entgegen der Auffassung von Experten als „klimaneutral“ bezeichnet. „Das Tier ist klimaneutral, weil es Biomasse frisst“, sagte Felßner am Donnerstag der taz. Denn die Pflanzen hätten ja vorher den Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden, den das Tier dann wieder abgibt.

„Ein Tier bringt nicht ein Kohlenstoffatom zusätzlich in die Atmosphäre, wenn es sich aus Biomasse ernährt“, so der CSU-Politiker, der auch Präsident des Bayerischen Bauernverbandes und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes ist.

Laut Umweltbundesamt verursachte die Landwirtschaft 2023 inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen 14 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Der Großteil hängt mit der Tierhaltung zusammen. Doch wenn Felßners Behauptungen korrekt wären, könnten diese Angaben falsch sowie die Forderungen nach Reduktion des Konsums von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Milch unnötig sein. Felßner will die Tierhaltung sogar noch stärken.

Sind Tiere also klimaneutral? „Natürlich nicht“, antwortet Friedhelm Taube, Agrarprofessor der Universität Kiel, der Mitglied im „Kompetenzteam“ der CDU im Landtagswahlkampf 2017 in Schleswig-Holstein war. „Wir haben einige Personen im öffentlichen Raum, die hier Märchen erzählen“, so der Wissenschaftler. Kühe etwa produzierten Methan, das zwar vergleichsweise schnell abgebaut werde, aber in dieser Zeit viel stärker zur Erderhitzung beitrage als Kohlendioxid (CO2).

Vieh produziert besonders klimaschädliches Gas

„Ein Tier bringt keinen neuen Kohlenstoff in den Kreislauf. Das ist richtig. Ein Tier wandelt ihn aber um in Methan“, ergänzte Patrick Müller, studierter Landwirt und Tierhaltungsexperte des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er verwies auf Angaben des Umweltbundesamtes, wonach Methan rund 28-mal klimaschädlicher als CO2 ist. „Selbst die klimafreundlichere Weidehaltung ist nicht klimaneutral“, so Müller. Außerdem schreibe sogar der Deutsche Bauernverband, dass es „einen Abkühlungseffekt“ für das Klima gäbe, wenn der Methanausstoß stark reduziert würde.

Felßner räumte ein, dass die aktuelle Tierhaltung das Klima belaste, auch wenn das für das Vieh selbst seiner Meinung nach nicht gilt. „Wenn ich mit einem Traktor, der mit Diesel fährt, das Futter zu dem Tier fahre, dann habe ich natürlich schon einen fossilen Anteil in der Tierhaltung“, nannte er als Beispiel. Aber wenn man den Traktor mit Biokraftstoff betreibe und etwa Melkanlagen mit Solar- oder Windstrom, dann könne auch die Tierhaltung „ganz schnell klimaneutral“ werden.

Doch Biokraftstoffe würden fast nichts zu einer Verbesserung beitragen, sagte Müller dazu. Und: „Die Düngung ist noch viel wichtiger als der Diesel.“ Der Dünger für den Futteranbau emittiere Lachgas und bei der Produktion von Stickstoffdünger etwa werde viel Energie benötigt, für die CO2 freigesetzt werde.

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18 Kommentare

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  • Die Kommentare hier verteufeln den Politiker an sich. Dabei hat er bzgl Kohlenstoff recht. Anderseits ist so ein Halbrichtig besonders vertrackt. Den Effekt durch Methan hat er eben nicht richtig benannt.

    Dann muss man genau damit argumentieren und nicht andere Nebelkerzen zünden. Apropo, bei Umweltbundesamt steht nicht 14%, sondern: "Im Jahr 2023 war die deutsche Landwirtschaft [..] somit insgesamt [..] 7,7 % der gesamten ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen (THG-Emissionen) des Jahres..."

    • @fly:

      Die 7,7 % wären als Anteil zu klein um die Landwirtschaft zu verurteilen, darum nutzt man hier die Taschenspielertricks und rechnet die Emissionen aus Böden und von Verkehr dazu, weil es muss ja eine große Zahl entstehen. Traue keiner Statistik ...

  • Für seine Sachkenntnis haben wohl Rukwied und Klöckner zusammengelegt.

  • Noch so ein Populist und Lobbyist von der CSU aus Bayern.

  • Auch das werden wieder viele Mitbürger*innen glauben, weil sie keine Ahnung haben (wollen). Ist halt komplexer als nur „richtig“ tanken. Wennschon der Bauernpräsident nicht weiter nachdenken kann, was soll man da vom Stadtsöder erwarten?

    • @vieldenker:

      Der Bauernpräsident kann nachdenken. Allerdings in eine ganz andere Richtung.

      Er betreibt Lobbyarbeit für die Großagrarier und die Konzerne.

      Und damit ihm keiner Widerspricht, schickt er mit populistischen Statements das mit Traktoren bewaffnete Bauernvolk auf die Straßen.

      Unterstützt wird er von vielen CSU/CDU-Politikern.

  • Hier der Versuch, die Argumente von Herrn Müller vom BUND und Herrn Felssner von der CSU in erster ingenieurmässiger Näherung nüchtern gegenüberzustellen: beide Protagonisten sind sich zunächst einig, dass eine Kuh keinesfalls die Kontinuitätsgleichung ausser Kraft setzen kann, trotz Wiederkäuermagen gilt der Satz der Masseerhaltung und die Anzahl der C-Atome ändert sich nicht. Weiterhin lernt man bei Lektüre des Artikels, dass CH4 etwa 28 mal klimaschädlicher ist als CO2. Ruft man sich zusätzlich in Erinnerung, dass die Dimension einer Wirkung in der Physik definiert ist als Produkt aus Energie mal Zeit, so kann man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass das erheblich klimaschädlichere CH4, welches erheblich kürzer in der Atmosphäre verweilt als das weniger klimaschädliche CO2, das dafür erheblich länger verweilt, eine durchaus ähnliche Wirkung auf das Klima ausübt. So gesehen liegen die Positionen von Herrn Müller und Herrn Felssner gar nicht weit auseinander.

    • @Magic Theo:

      Das ist vielleicht für Experten verständlich oder zumindest von Belang - ganz sicher aber nicht für einen polemischen CSU Ideologen der seine Karriere im Blick hat - un nur die.

    • @Magic Theo:

      doch, sehr weit. Das Methan ist 28 mal klimaschädlicher.



      Es verschwindet aus der Atmosphäre: Damit ist doch sicher gemeint, dass es zu CO2 und Wasser reagiert. Nun ist es als CO2 in der Atmosphäre und bleibt dort bis eine Pflanze seiner annimmt. CO2 steigt aber ständig an, immer weniger Pflanzen nehmen sich seiner an (vorindustriell: 280 ppm, in der Schule habe ich gelernt 320 ppm, nun sind es schon über 400 ppm, in der Nähe von Großstädten natürlich mehr) Bei 800 ppm öffnen wir dann das Fenster. Hinzu kommen Lachgas .... siehe Artikel

      • @Kurt77:

        Danke, Kurt.



        Um noch zu ergänzen: am besten binden wir so viel C, wie das der Planet über Äonen schon zufällig tat und uns lebensfähige Temperaturen bescherte, und nicht in Methan oder CO2, sondern in Kohlenstoffverbindungen im Boden - noch deutlicher: Kohle, Gas, Boden auch diesbezüglich ungestört lassen, statt sich mit pseudophysikalischen Sätzen es schönzureden. ; )

      • @Kurt77:

        Ehrlich gesagt bin ich in meiner Bilanz nicht davon ausgegangen, dass das Methan in der Atmosphäre verbrannt bzw. oxidiert und zu CO2 umgesetzt wird. Vielmehr hatte ich mir vorgestellt, dass in der Troposphäre vorkommende Hydroxyl-Radikale OH das CH4 zersetzen, meine Gleichung lautet daher:

        OH + CH4 => CH3 + H2O

        Damit würde ich Wasserdampf sowie eine Methylgruppe erhalten, aber kein CO2.

  • Tatsächlich ist der Stickstoff ein Problem, ob als Lachgas oder Ammoniak, die Nitratbelastungen verlangen wie die Phosphateinträge nach Gegenmaßnahmen.



    Bei mpg.de



    "Als wichtigste Ursache für die Luftbelastung, speziell in weiten Teilen Europas, haben die Wissenschaftler die Freisetzung von Ammoniak aus Viehzucht und Düngung identifiziert. Zwar ist der im Ammonium enthaltene Stickstoff ein wichtiger Nährstoff für Pflanzen. Ammoniak entweicht durch die Zersetzung von Gülle und durch die Düngung von Nutzpflanzen jedoch in die Atmosphäre und reagiert dort mit anderen anorganischen Stoffen, wie Schwefel- und Salpetersäure zu Ammoniumsulfat und Nitratsalzen. Hieraus wiederum entstehen Feinstaubpartikel."



    /



    Eine Buch-Autorin und Expertin als Biologin weiß mehr:



    "Kerstin Hoppenhaus und ihre ungewöhnlichen Protagonisten



    Die Autorin und Biologin hat am Donnerstagabend in Göttingen den NDR Kultur Sachbuchpreis 2024 für ihr Buch "Die Salze der Erde" bekommen."



    Bei ndr.de

  • Der kann ja Landwirtschaftsminister bei Trump werden. Da passte er gut ins Kabinett mit den anderen inkompetenten Politiker-Darstellern ...

    • @Christian Lange:

      Wieso Trump? Wir können da locker mithalten. Klöckner, Spahn, Scheuer, Friedrich, Altmaier, vonderLeyen, Dobrindt, Lindner... Alles ausgewiesene Experten. Halt nicht für ihre Aufgabe.

  • Oh nein!!!! Nicht solche Spinner auch in unserer Regierung! Es reicht aus, wenn die in den USA und anderen rechtsextremen Regimen ihr Unwesen treiben. Die gefährden den gesamten Planeten. Wir brauchen die nicht, wir wollen sie nicht.

  • Hat er halt Kohlenstoffneutral (was stimmt) und Klimaneutral (nee, sicher nicht) verwechselt. Linke Wortklauberei, aus seiner Sicht, vermute ich mal.

  • Das schon mal ein Ausblick, was uns mit der Union in der Bundesregierung erwartet. Gegen den war Nestlé Klöckner fast schon harmlos.

  • Ist das jetzt das Bayern-Abitur schuld oder wollte sich jemand nicht auf den Stand bringen oder ist sogar Absicht im Spiel?



    Wenn es denn ein Bayer sein soll, dann lieber jemand wie Anton Hofreiter.