Tod des Models Kasia Lenhardt: Jedes Detail ein Text
Das Model Kasia Lenhardt ist gestorben. Der Umgang mit ihr sagt viel über frauenfeindliche Narrative in Boulevard- und sozialen Medien.
Kasia Lenhardt, Model und ehemalige Teilnehmerin der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“, ist am Dienstag im Alter von 25 verstorben. Ihr Management bestätigte den Todesfall. Die Berliner Polizei hatte zuvor mitgeteilt, dass sie einen Einsatz „wegen des Verdachts eines Suizids“ hatten. Eine leblose Person wurde aufgefunden, Hinweise auf ein Fremdverschulden soll es nicht geben. Mehr Fakten zu Lenhardts Tod gibt es momentan nicht.
In der Regel berichtet die taz nicht über (mutmaßliche) Suizide, auch dann nicht, wenn es sich um Prominente handelt. Wir tun das aus Respekt vor den Angehörigen, aber auch um den Werther-Effekt zu verhindern. Dieser beschreibt den Umstand, dass nach Medienberichten über Suizide die Suizidrate in der Bevölkerung ansteigt. Hinzu kommt, dass wir nicht zu Spekulationen beitragen wollen.
Dass an dieser Stelle nun trotzdem über Lenhardt geschrieben wird, liegt an dem, was vor ihrem Tod geschehen ist. Nachdem Lenhardt 2012 im Finale von GNTM stand, wurde es medial erst einmal ruhig um das Model. In den vergangenen Wochen wurde wieder verstärkt über sie berichtet, Grund dafür war ihre Beziehung mit dem FC-Bayern-Spieler Jérôme Boateng.
Anfang Februar veröffentlichten die beiden auf ihren jeweiligen Instagram-Accounts, dass ihre Beziehung nach 15 Monaten beendet sei. Der Profifußballer Boateng wandte sich daraufhin an die Bild-Zeitung, um die Geschichte aus seiner Sicht zu erzählen. In einem Interview erhebt er schwere Vorwürfe: „Kasia wurde meine Freundin, indem sie die Beziehung zu meiner Ex-Freundin Rebecca und meiner Familie zerstörte und mich erpresste.“
Das Narrativ der „Familienzerstörerin“
Von dieser Aussage ausgelöst verbreitete sich das Narrativ, Lenhardt sei die „Familienzerstörerin“: Sie soll nicht nur schuld am Ende der Beziehung zwischen Boateng und seiner vorherigen Freundin gewesen sein, sondern auch das Leben der Ex-Freundin zerstört und Boatengs Karriere mit Lügen sabotiert haben. Alles für „den Fame“.
Unabhängig davon, dass die Öffentlichkeit nicht weiß, was zwischen den beiden passiert ist, ist das Narrativ der „Familienzerstörerin“ ein frauenfeindliches. Eines, das oft auftaucht, wenn ein prominenter Mann eine Affäre mit einer Frau eingeht. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist Monica Lewinsky. Nach ihrer Affäre mit Bill Clinton musste sie sich jahrelangen Hass und Hohn gefallen lassen, passenderweise hat sich für die Geschehnisse vor über 20 Jahren der Name der „Monica-Lewinsky-Affäre“ durchgesetzt.
Hassnachrichten, Drohungen, Beschuldigungen
Vergleichbares ist auch Lenhardt vor ihrem Tod passiert: In sozialen Medien wurde ihr Account mit öffentlich lesbaren Hassnachrichten, Beschuldigungen und Drohungen geflutet. Vieles davon von Boateng-Fans, die den Fußballprofi verteidigen wollten.
Angeheizt wurde das Cybermobbing durch täglich erscheinende Texte in der Bild und anderen Boulevardmedien, die jedes Detail der „Schlammschlacht“ veröffentlichten. Dazu gehören angebliche private Sprachnachrichten von Lenhardt an Boatengs vorherige Ex-Freundin, ein Interview mit ebendieser oder eine ehemalige Freundin Lenhardts, die „auspackte“. Jedes Detail über den Streit und Lenhardt selbst, wie ihre Tätowierungen, ihr Auftritt bei Instagram oder ihr Aussehen, war den Boulevardmedien einen Text wert.
20 Texte des Portals Promiflash in zwei Tagen
Auch nach Lenhardts Tod hört das nicht auf. Das Portal Promiflash hat in den vergangenen zwei Tagen knapp 20 Texte zu Lenhardt veröffentlicht, im Netz gehen die Spekulationen weiter, ebenso das Victimblaming. Doch es melden sich auch viele Instagram-Nutzer:innen und Prominente zu Wort, die den Angehörigen ihr Beileid aussprechen und den Umgang mit Lenhardt kritisieren. Eine von ihnen ist die Influencerin Cathy Hummels, die ihre eigenen negativen Erfahrungen als „Spielerfrau“ thematisiert.
Welche Rolle das Mobbing und die Berichterstattung für den Tod Lenhardts gespielt haben, lässt sich nicht feststellen.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111 oder 08 00/111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion