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Studie zu Social Media im WahlkampfAfD doch Amateure

Ann-Kathrin Leclere
Kommentar von Ann-Kathrin Leclere

Der AfD-Erfolg bei jungen Menschen wurde oft mit TikTok erklärt. Doch ging die AfD auf Social Media wirklich strategisch vor? Eine Studie stellt das infrage.

Videos von Alice Weidel werden zwar vielfach geteilt, aber steckt wirklich eine gute Tiktok-Strategie dahinter? Foto: imago, Montage: taz

W as macht unsere Jugend rechts?, fragten sich viele schockiert nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Zur Erinnerung: Vor allem bei Jung­wäh­le­r*in­nen punktete die AfD.

Ein Sündenbock war für Jour­na­lis­t*in­nen schnell gefunden: Social Media. Oft wurde getitelt, die AfD habe die sozialen Medien perfekt genutzt, die Mechanismen der Plattformen verstanden und mithilfe von TikTok, YouTube und Co. gezielt junge Menschen für sich begeistert. Doch eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung (OBS) zeigt, dass der Einfluss der AfD auf Social Media womöglich überschätzt wurde – und dass Medien diesen Einfluss unfreiwillig verstärkt haben.

Die Studienautoren analysierten das digitale Auftreten der AfD in den Wahlkämpfen von Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Sie suchten nach wichtigen Ak­teu­r*in­nen und wie die kommunizierten. Sie wollten dabei die These untersuchen, dass die Strategien der AfD auf Social Media zum Wahlerfolg beigetragen haben.

Überraschung: So einheitlich und strategisch war der Wahlkampf der AfD online nicht. In den Bundesländern finden die Autoren Unterschiede. In Brandenburg etwa investierte die AfD am meisten in ihren digitalen Wahlkampf und setzte auf eine Vernetzung mit extrem rechten Akteurinnen. TikTok wurde hier im Vergleich deutlich strategischer eingesetzt, um junge Menschen zu erreichen. Ähnlich wie schon beim Europawahlkampf des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah, der selbst als eine Art Influencer auftrat und sich mit direkten Ansprachen zu emotionalen, lebensnahen Themen an seine Fol­lo­wer*­in­nen wandte.

In Sachsen eher blass

In Thüringen wurde im digitalen Wahlkampf stark auf den Spitzenkandidaten Björn Höcke fokussiert, ohne dabei jedoch nennenswerte Reichweiten zu erzielen. In Sachsen, wo die AfD mit der rechten Gruppierung „Freie Sachsen“ um Aufmerksamkeit konkurrieren musste, blieb der digitale Wahlkampf im Vergleich eher blass.

Vor allem auf TikTok, das besonders junge Nut­ze­r*in­nen anzieht, gelang es der AfD nur vereinzelt, nennenswerte Reichweiten zu erzielen. Die Inhalte der Partei waren oft schlecht an die Dynamiken der Plattform angepasst. Das zeigte sich etwa am Account der Thüringer AfD-Politikerin Barbara Geithner, der im Wahlkampf für viel Wirbel gesorgt hat – allerdings eher bei Älteren gut ankam. Während die AfD also technisch durchaus präsent ist, fehlten die guten Ideen.

Die digitale Wirkung der AfD habe etwas anderes verstärkt, so ein Ergebnis. Nämlich, dass Medien über AfD-Provokationen berichten. Die Partei sei sich bewusst, dass ihre radikalen Aussagen häufig durch Berichte eine zusätzliche Reichweite erfahren.

Beispiele sind etwa der Einsatz rassistischer Lieder auf AfD-Partys, der nicht nur das Publikum vor Ort ansprechen, sondern vor allem Berichterstattung provozieren sollte. Oder nach dem Anschlag in Solingen die Forderung, die Bewegungsfreiheit von Geflüchteten einzuschränken.

Mediale Verstärkung

Solche Aussagen sind darauf ausgelegt, dass sie von Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen aufgegriffen und unfreiwillig verstärkt werden. Durch den kalkulierten Einsatz medialer Verstärkung wirkt die AfD stärker, als ihre eigentliche Social-Media-Performance ist.

Das ist hochproblematisch. Denn während die Inhalte der AfD in vielen Fällen nach „innen“ wirken, also AfDler und weitere rechtsextreme Kanäle die Inhalte teilen, wirkt die mediale Resonanz nach außen, in die Zivilgesellschaft. Die reale Gefahr der rechten Social-Media-Strategien zeigt sich beispielsweise, wenn sich zunehmend engagierte Menschen aus der Öffentlichkeit zurückziehen, weil sie Hass und Angriffen ausgesetzt sind. So etwa der sächsische CDU-Politiker Marco Wanderwitz, der sich aufgrund rechtsextremer Drohungen gezwungen sah, seine politische Arbeit niederzulegen.

Vor diesem Hintergrund sind sich die OBS-Autoren einig: Die Präsenz der AfD auf Social Media ist eine Gefahr für die Demokratie, doch ihre mediale Überhöhung verstärkt ihre Präsenz unnötig. Ein wichtiger Appell geht deshalb an Journalist*innen: Die Fehler in der Berichterstattung über die AfD dürfen nicht wiederholt werden.

Eher müssen die Mechanismen erkannt und sensibel hinterfragt werden. Dieser Verantwortung müssen sich Jour­na­lis­t*in­nen bewusst sein. Nur so kann wirklich glaubwürdig nach Gründen gesucht werden, warum junge Menschen nun rechts wählen und was und wie viel das alles mit TikTok zu tun hat.

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Ann-Kathrin Leclere
Aus Kassel, lange Zeit in Erfurt gelebt und Kommunikationswissenschaft studiert. Dort hat sie ein Lokalmagazin gegründet. Danach Masterstudium Journalismus in Leipzig. Bis Oktober 2023 Volontärin bei der taz. Jetzt Redakteurin für Medien (& manchmal Witziges).
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3 Kommentare

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  • Der Artikel erfasst sehr gut die Mitschuld der etablierten Medien am Aufstieg der AFD. Durch das ständige Aufgreifen deren Grenzüberschreitungen wurden viele faschistoiden Inhalte normalisiert und an den Deutschen gebracht. Wird man ja wohl noch sagen dürfen.

  • Das bestätigt leider meine schon länger gehegte Theorie, dass es die klassischen Medien selbst sind, die erheblich zu Fehlentwicklungen in der Gesellschaft beitragen - und zwar durch die Hervorhebung von Scheinmehrheiten.



    Die AfD hat es sehr gut verstanden, sich unter dem Deckmantel der Ausgewogenheit oft genug interviewen und einladen zu lassen.

    Und Frau Zarenknecht ist für mich ein Talkshow-Gewächs reinsten Wassers, das außerhalb dieses "Gewächshauses" ohne permanente Einladungen quasi verdursten würde auf der Suche nach Aufmerksamkeit.

    Vorschlag für Sofortmaßnahme: keine Einladungen mehr an Spitzenpolitiker in die Brüll- und Schrei-Talkshows, da sie sowieso schon genug Reichweite woanders bekommen. Warum dürfen sie ungestraft ihre Behauptungen und Lügen verteilen, für diese sie später dann noch nichtmal zur Rechenschaft gezogen werden?

    • @Macsico:

      Braucht es überhaupt "Brüll- und Schrei-Talkshows". Merzens und co sind da mit ihren Hassreden genauso dabei. ansonsten stimme ich ihnen voll zu.