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Streit um neue Castor-TransporteGrüner Minister zieht Notbremse

Erst in letzter Minute verhinderte NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer Vorarbeiten für Castor-Transporte. Dafür gab es Kritik von AKW-Gegner:innen.

Castor-Behälter im Zwischenlager Ahaus: AKW-Gegner*innen in NRW haben Angst, dass noch mehr dazu kommen werden Foto: Guido Kirchner/dpa

Bochum taz | Im Kampf gegen bis zu 152 hoch radioaktive Atommülltransporte mitten durch Nordrhein-Westfalen fordern Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen und Um­welt­schüt­ze­r:in­nen von den Grünen in Bund und Land ein schnelles, koordiniertes Vorgehen noch vor der Bundestagswahl. „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um diese unsinnigen und gefährlichen Transporte zu verhindern“, sagt die Vize-Vorsitzende des Umweltschutzverbands BUND, Kerstin Ciesla.

Schließlich führten die grünen Mi­nis­te­r:in­nen Mona Neubaur und Oliver Krischer nicht nur das für die Atomaufsicht zuständige NRW-Wirtschaftsministerium und das Landesverkehrsministerium, mahnt Ciesla. Mit dem Bruch der Ampel sei in Berlin jetzt auch das von ihrem Parteifreund Cem Özdemir geleitete Forschungsministerium in Händen der Anti-Atom-Partei. „Die Grünen haben es in der Hand: Jetzt wäre politisch alles möglich“, sagt die BUND-Landesvize.

Denn: Zusammen mit dem Finanzressort und dem Bundesumweltministerium der Grünen Steffi Lemke kontrollieren die Ministerien Neubaurs und Özdemirs die bundeseigene Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) – und die will rund 300.000 hoch radioaktive Brennelemente aus einem bereits 1988 stillgelegten Reaktor möglichst schnell in das mehr als 170 Kilometer entfernte Zwischenlager Ahaus schaffen lassen.

Wegen vermuteter Erdbebengefahr hatte das schon 2014 Nordrhein-Westfalens damaliger Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) angeordnet. Passiert ist dennoch erst einmal nichts – und 2022 kam das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) dann zu der Einschätzung: Die angebliche Erdbebengefahr besteht gar nicht. Die geplanten 152 hoch radioaktiven Einzel-Atommülltransporte mitten durch die Landeshauptstadt Düsseldorf und das westliche Ruhrgebiet sind damit nach Ansicht von Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen schlicht überflüssig.

Vorbereitungen sollten am Montag starten

Doch die JEN will die Transporte dennoch durchziehen. Schon ab diesem Montag wollte die vom jetzt grün geführten Bundesforschungsministerium und von Nordrhein-Westfalens grüner Vize-Ministerpräsidentin Neubaur geleiteten Wirtschaftsministerium als Atomaufsicht finanzierte Gesellschaft den Kreisverkehr einer Landesstraße in Richtung des Zwischenlagers Ahaus umbauen lassen, um nach eigener Aussage eine „effiziente und damit zügige Durchführung“ der Castortransporte möglich zu machen.

„Sehr enttäuscht“ von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer zeigten sich deshalb Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen wie etwa Hartmut Liebermann, Vorstand der Bürgerinitiative „Kein Atommüll“ in Ahaus. Schließlich hatte sich der aus Düren bei Jülich stammende Grüne in der Vergangenheit immer wieder gegen die Atommüll-Verlagerung positioniert – jetzt bereite ausgerechnet Krischers Ministerium „vorauseilend den Weg“, so deren Kritik. Für die politische Glaubwürdigkeit Krischers sei das „ein politischer Super-GAU“.

Am Donnerstag stellten Um­welt­schüt­ze­r:in­nen den Minister dann in Gronau, Standort von Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage (UAA) – und lösten in der Landeshauptstadt Düsseldorf offenbar hektische Betriebsamkeit aus: Während Stefan Hilbring, Sprecher der Stadt Ahaus, die im Streit um die Transporte im Dezember vor dem Oberverwaltungsgericht Münster eine Niederlage einstecken musste und jetzt eine Revision prüft, erklärte, zuständig für die Genehmigung der Bauarbeiten sei eine nachgeordnete Behörde der NRW-Verkehrsressorts, zog Krischer die Notbremse.

Noch keine Transportgenehmigung

Da für die Castortransporte noch keinerlei Transportgenehmigung des BASE vorliege, fehle „die Grundlage für die Umbaumaßnahme des Kreisverkehrs“ – und davon habe seine zuständige Behörde „die Baufirma in Kenntnis gesetzt“, so Krischers Ministerium am Freitagabend auf taz-Nachfrage. Vor Ort aber bleiben Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen skeptisch: Mit einer Mahnwache solle am Montagmorgen kontrolliert werden, „ob die Straßenbaumaßnahmen tatsächlich untersagt worden sind“, sagt Burkhard Helling von der BI Ahaus.

Allerdings zeigten die jetzt offenbar „hektisch untersagten“ Bauarbeiten exemplarisch: „Es gibt keine koordinierte Anti-Atom-Politik der Grünen – weder im Land noch im Bund“, kritisiert Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen. „Die Grünen“, glaubt Eickhoff wie die BUND-Landesvize Kerstin Ciesla, „könnten die widersinnigen und gefährlichen Atomtransporte mit ihrer Macht in Bund und Land verhindern – wenn sie wollen“.

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5 Kommentare

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  • Und was ist jetzt die Alternative? Den Atommüll dauerhaft in den stillgelegten AKWs liegenlassen? Oder hoffen, daß irgendwann Zeitreisen möglich werden, man ins 20. Jahrhundert zurückreisen und den damaligen Einstieg in die Kernkraft ungeschehen machen kann? Oder?

  • Die nicht vorhandene sicherheitsrelevante Erdbebengefahr verwundert schon ein wenig. Vor einer Woche gäbe es ein leichtes Erdbeben im von Jülich rund 30km entfernten Simpelveld (NL). Und 1992 ein relativ starkes Beben der Stärke 5,4 im rund 45km entfernten Roermond, welches selbst im deutlich weiter entfernten Köln noch Schäden am Dom verursacht hat.

  • Kein Castor nach Ahaus. Spahn wirkt so schon "verstrahlt".

    Doch mal auf die ernsthafte Ebene gehoben: Jetzt ist ja der Wasserhahn neuen Atommülls endlich zugedreht, jetzt könnten wir reden.



    Ist es nötig? Spart es Geld und Bewachungsaufwand? ... Auf der Ebene können wir jetzt reden, während früher Transporte immer unter dem Verdacht standen, Pro-Atom-Augenwische zu sein.



    Und eine saubere Argumentation, warum ein Transport nötig sein soll, können Grüne und andere verlangen. Na, dann mal los!

  • Tja, so macht man sich wichtige und zukunftsorientierte Bewegungen kurz vor einer sehr entscheidenden BTW zum Gegner. Aber es erstaunt mich nicht. Kirischer ist ein Opportunist und eher der Wirtschaft zugeneigt, als GRÜNEN Prinzipien. Wie kann man nur die eignene Basis, die eigenen Getreuen derart vor den Kopf stoßen....

  • Es ist unverantwortlich solche Transporte zu verhindern!