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Streit um Oben-Ohne-Baden in BerlinGleiches Recht für alle Brüste

Anna Klöpper
Kommentar von Anna Klöpper

Der Bezirk Treptow-Köpenick erlaubt auf seinem Wasserspielplatz künftig nackte Frauenbrüste. Gut so: Regeln sind dafür da, dass man sie hinterfragt.

Teil­neh­me­r*in­nen einer Fahrraddemo in Reaktion auf den Polizeieinsatz an der „Plansche“ im Sommer 2021 Foto: picture alliance/dpa | Christophe Gateau

B ei manchen Debatten weiß man ja gar nicht, wie dringend man sie führen muss, bis sie tatsächlich jemand ernsthaft anstößt. Zum Beispiel die Frage, wo frau ihre Brüste in der Öffentlichkeit entblößen darf.

Der Bezirk Treptow-Köpenick hat das jetzt offiziell auf dem bezirkseigenen Wasserspielplatz „Plansche“ im Plänterwald erlaubt – beziehungsweise die Bekleidungsordnung entsprechend geändert. „Die Badebekleidung muss die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken. Dies gilt für alle Geschlechter“, heißt es jetzt auf der Website des Bezirksamts.

Es reicht also künftig, wenn man sich in Badehose auf die Wiese legt: Die Brust darf raus, egal ob man eine Frau ist oder ein Mann oder sich keinem der beiden Geschlechter zuordnet. Erkämpft hat diesen Passus in der Kleiderordnung eine Berlinerin, die sich im vergangenen Jahr „oben ohne“ auf der Liegewiese der „Plansche“ gesonnt hatte, während ihr Sohn dort spielte.

Der Aufforderung eines Security-Diensts, sich obenrum etwas anzuziehen, widersetzte sich die Frau: Männer dürften schließlich auch ihr Shirt ausziehen, sie werde also als Frau wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Die herbeigerufenen Po­li­zis­t*in­nen erteilten ihr einen Platzverweis – mit Verweis auf die nun mal herrschende Zucht und (Kleider-)Ordnung.

Die Frauenbrust wird sexualisiert, die Männerbrust nicht.

Die Frau reichte daraufhin Klage gegen den Bezirk nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz ein, das die Diskriminierung durch Behörden verbietet. Das Verfahren läuft noch. Trotzdem reagiert der Bezirk bereits.

Haben wir nicht wichtigere Kämpfe zu kämpfen, wenn es um Gleichberechtigung geht?, kann man jetzt fragen. Ist es nicht viel entscheidender, dass Männer endlich mehr Elternzeit nehmen oder selbstverständlich halbtags arbeiten, damit die Frau den Vollzeitjob machen kann – wofür sich freilich auch erst mal die berühmte „Lohnlücke“ zwischen Männern und Frauen ein Stückchen schließen müsste.

Warum nervt die Frau uns also mit ihren Brüsten? Es gibt doch FKK-Bereiche, soll sie doch da ihren BH ausziehen, warum denn ausgerechnet auf einem Wasserspielplatz. Muss man denn ausgerechnet hier aus Prinzip das große Fass Gleichberechtigung aufmachen?

Potenziell anstößig

Ja, das muss man. Weil die Kleiderordnung, wie sie zuvor Bestand hatte – die BH-Pflicht für die weibliche Brust – viel darüber aussagt, was wir gesellschaftlich an welchen Orten als „akzeptiert“ betrachten, als „angemessen“, und was nicht. Die Vorstellung, dass Frauen ihre Brüste in der Öffentlichkeit bedecken müssen, sagt letztlich vor allem etwas darüber aus, wie wir die weibliche Brust wahrnehmen: nämlich als potenziell anstößig, die „öffentliche Ordnung“ gefährdend. Die Frauenbrust wird sexualisiert, die Männerbrust nicht.

Was wiegt schwerer: Dass sich Menschen gestört fühlen könnten von nackten weiblichen Brüsten oder aber der individuelle Anspruch auf Gleichberechtigung der Geschlechter nach dem Antidiskriminierungsgesetz? Es wird interessant sein, wie das Gericht über die Klage der Frau entscheidet.

Sollte die Frau die von ihr eingeklagte Entschädigung zugesprochen bekommen, werden sicher einige fragen: Wo ist denn die Grenze, sollen Frauen etwa auch oberkörperfrei zum einkaufen gehen dürfen? Mal abgesehen davon, dass vermutlich gar nicht mal so viele dieses dringende Bedürfnis verspüren dürften (bei den Männern hält sich das ja auch in Grenzen): Ja, auch das wäre dann letztlich eine gesellschaftliche und vielleicht auch juristische Aushandlungssache.

Das Moralempfinden, was Menschen in einer Gesellschaft als anstößig empfinden, ändert sich. Und deshalb sind Regeln und Ordnungen, die aus diesen Moralvorstellungen irgendwann mal erwachsen sind, nicht per se dafür da, dass man sie befolgt – sondern von Zeit zu Zeit mal in Frage stellt. Denn vielleicht muss sie ja ändern.

In den meisten Schwimmbädern bleibt oben ohne verboten

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat das, wenn auch mit etwas Verspätung, im Fall der „Plansche“ erkannt. Vielleicht ja ein gutes Vorbild für andere Orte in Berlin: Die Kleiderordnung der Berliner Bäderbetriebe erlaubt Frauen das oberkörperfreie Schwimmen nicht. Noch nicht. Andere Städte, und auch einzelne privat betriebene Strandbäder in Berlin, sind da schon weiter: In Göttingen zum Beispiel ist das Schwimmen oben ohne auch für Frauen seit kurzem erlaubt. Im Strandbad Jungfernheide bereits seit drei Jahren ebenso. Die Zahl der Beschwerden seither, hatte der Pächter kürzlich dem RBB erzählt: keine.

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Anna Klöpper
Leiterin taz.eins
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.
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23 Kommentare

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  • Nur mal am Rande: Regeln sind nicht dafür da, sie zu hinterfragen. Sie sind dazu da, befolgt zu werden. Sonst funktioniert das Zusammenleben nicht und sonst kann es keine Gleichheit vor dem Gesetz Natürlich aber sollen Regeln weiterentwickelt werden und dazu müssen sie natürlich auch hinterfragt, verbessert, aufgegeben oder neu formuliert werden. Und falls Regeln höherwertigen Regeln zuwiderlaufen, kann man sie auch schon mal ignorieren oder brechen. Das ist aber nicht der Sinn der Sache, sondern eine Ausnahme.

  • nacktbaden war in den 80er 90er noch normal wurde aber weniger, geistig moralische wende haha



    zieht endlich alle blank!

  • Fein. Let them Swing



    Aber natürlich -Biologie- sind weibliche Brüste ein sexuelles Merkmal.



    Man möchte ja auch nicht, dass Werbung mit nackten Frauenoberkörpern als normal angesehen wird.

    • @fly:

      Für mich sind auch der Bauch und die hinteren Schulterpartien sexuelle Merkmale. Und die Füße. Was machen wir denn nun damit?



      Oder anders gefragt, was macht die Brust zum sexuellen Merkmal?

    • @fly:

      Werbung ist natürlich das krasse Negativbeispiel, da hier das Prinzip "sex sells" verfolgt wird. Ansonsten gibt es Gesellschaften, in denen Frauen ihre Brüste nicht verstecken müssen.

  • Warum nur oben ohne in Schwimmbädern?

    Männer können überall oben ohne rumlaufen!

  • Hallelujah. Ich dachte, wir hätten das Thema schon in den 1990ern durch.

    Wird mal langsam Zeit.

    @JUTTA57: Was hat jetzt Gott damit zu tun? Und welcher Gott überhaupt?

    • @tomás zerolo:

      Ich vermute der gleiche wie bei ihrem "Halleujah". Nur weiblicher.

  • Solche Regelungen können, wie mensch sieht, sehr leicht und schnell verändert werden. Insofern dürfte es andere wichtige Kämpfe nicht beeinträchtigen und verdecken. Der Widerstand, Festhalten an Privilegien machen die Kämpfe erst aufreibender. Die Probleme sind nicht die verschiedenen und auch kleinen Kämpfe sondern patriarchal-kapitalistische Politik und Meinungen. Sicherlich werden mit der Abschaffung diskriminierender Kleiderordnung keine Geldprobleme von Alleinerziehenden gelöst. Solches Gegeneinanderausspielen hilft aber zumeist nicht weiter. Sollte eine Diskussion um Aufklärung über Geschlechter und sexuelle Orientierung entfallen, weil es noch keine Lernmittelfreiheit gibt? Ist doch nicht zielführend so was. 'Sowohl-als-auch' anstatt 'Entweder-oder'!

  • Ohne auf eventuelles Sonnenbrand Verhalten einzugehen, finde ich dass jeder Mensch mit sich selber klarkommen und auch die entsprechenden Folgen oder sein Selbstschutz - auch selbst zu entscheiden und dann zu tragen hat.

    Im zweifelsfall würde ich als Bad - Betreiber die Nutzer laufend oder immer wieder, gemäss Feedback Fragebogen, Abstimmungen und Zonen Einteilung - sensibilisiert und demokratisch analysieren und Handeln.

    Also warum nicht;



    wenn ich es anstössig finde muss ich ja nicht darauf starren und mich aufnerven. Früher, als ich noch ein Kind war, waren wir in Kinderbädern - oder Dorfbrunnen selten irgendwie bedeckt oder halt einfach natürlich nackt. Das war bei uns einfach so.



    Primäre Geschlechtsteile freihalten kann ja jeder Erwachsene beim FKK Sonnenbaden oder in der Sauna.



    Trotzdem;



    Es gibt immer wieder Aneckpunkte wo ich nicht der gleichen Meinung bin. Na und; Es ist mein Problem wenn ich mit etwas nicht klarkomme und ich muss lernen dies zu aktzeptieren und damit empathisch - verständnissvoll umzugehen.

  • Traurig diese Heuchlerei: auf Werbeplakaten und im Kino wollen viele immer mehr Brüste, im Alltag haben sie Angst davor. Das erinnert an den hübschen Spruch von Karl Kraus: „Als normal gilt, die Virginität im allgemeinen zu heiligen und im besonderen nach ihrer Zerstörung zu lechzen.“

    • @Andre Marg:

      Sehe ich im Kino so nicht, eher das Gegenteil: Sobald ein Nippel zu sehen ist, ist der Film mindestens ab 18, während Gewaltdarstellung schon in Kinderfilmen gezeigt werden kann. Ein Film wie "Ronja Räubertochter" aus dem Jahr 1984 wäre heutzutage undenkbar, sieht man die Räuber doch tatsächlich nackt im Schnee.

  • Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo es garkein Thema war, ob Frauen beim Baden oder Sonnen ihre Brüste bedecken.



    Als "Westler" der nach dem Mauerfall viel Zeit an der Ost-Ostsee verbrachte erinnere ich mich daran dass eine der ersten Maßnamen war, die FKK-Bereiche klar abzugrenzen und einzuschränken. Das war die "neue Freiheit".



    Was verlogene Verklemmtheit und Prüderie betrifft, scheinen wir uns fast in die fünfziger Jahre zurückentwickelt zu haben.

  • "Haben wir nicht ..."



    Nein, kann man jetzt nicht fragen. Das fragt höchstens einer, der immer schön eins nach dem anderen macht, schon wegen der Zucht und Ordnung, und meint, alle anderen wären auch zu nichts anderem fähig.



    Zu den Brüsten, ich, fast schon alter weißer Cis-Mann, sehe gerne Brüste, oder z.B. auch Tätowierungen, und liege auch oben ohne, mit Tätowierungen, auf Wiesen und Stränden rum. Gleiches Recht für alle!

  • Na dann, auf nach Köpenick:

    "Komm, komm, komm, komm,



    komm, komm mit mir nach Köpenick



    Es ist nur 'n kleiner Schritt



    Zum großen Glück"

    www.youtube.com/watch?v=oIOSq7uzMI8

  • Ich als gelernter Ostdeutscher kann über euern Westscheiss nur den Kopf schütteln. Unsere Frauen haben schon seit den 70igern blank gezogen, wenn sie das wollten. Und niemanden hat's gekümmert.

    • @papa21:

      Schon Recht, aber bekümmert hat es die verklemmten Kommunisten Ulbricht und Honecker schon.



      Die wollten Frauen oben mit und haben FKK anfangs bekämpft und dann aufgegeben.

  • "Weibliche Brüste werden sexualisiert, männliche nicht"



    Gott sei Dank, sage ich da als Frau.

    • @Jutta57:

      Gott sei Dank, daß die Brüste der Frau sexualisiert werden oder Gott sei Dank, daß die Brüste des Mannes nicht sexualisiert werden oder Gott sei Dank beides?



      Frage ich als Mann.:-)

  • Gleiches Recht für alle. Meine Wampe ist auch schön, zwar nur eine, aber größer.

    • @WernerS:

      Künstlerisch wertvoll!



      ;-)