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Streit um GasumlageNichts als Machtpoker

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Lindner scheint vergessen zu haben, dass er die Gasumlage mitbeschlossen hat. Habeck würde sie gern elegant loswerden. Schafft die Gasumlage doch ab.

Lindner und Habeck diskutieren auf der Regierungsbank. Offenbar ohne sich einig zu werden Foto: Michael Kappeler/dpa

W as für ein Affentheater. Da gibt es diese Gasumlage, die – das muss man sich vor Augen halten – vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Also nicht alleine vom grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, sondern einvernehmlich von der Regierung. Folglich auch von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Das war Anfang August, ist also noch nicht gar so lange her.

Aber wohl schon zu lange, als dass alle Verantwortlichen noch dazu stehen könnten. Längst steht die Umlage im Zentrum von Machtspielchen, und Lindner möchte partout als Sieger vom Platz gehen; als derjenige nämlich, der die Gaskunden vor etwas bewahrt, das er zuvor selbst mitbeschlossen hat. Von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Umlage will er selbstredend nichts wissen. Wäre ja blöd, er könnte die Umlage nicht politisch stoppen, um sich dann als der große Helfer der Gaskunden zu feiern.

Umgekehrt käme es Habeck entgegen, würden juristische Bedenken das Konzept kippen. Als Chef des federführenden Ressorts wäre er damit fein aus. Er müsste nicht zugeben, mit einer verkorksten Idee gescheitert zu sein, sondern würde gesichtswahrend auf die veränderte Rechtslage verweisen, die sich ergibt, seit Uniper zum Staatskonzern umgebaut wird.

Längst sieht es so aus, als wären alle Beteiligten heute froh, sie könnten die Gasumlage einkassieren. Nicht zuletzt, weil diese von Anfang an den gravierenden Webfehler hatte, nur Gaskunden zu treffen. Es gibt schließlich keinen Grund, Ölverbraucher außen vor zu lassen. Eine Umlage auf alle fossilen Energien wäre – wenn man die Gas­importeure nicht gleich mit Staatsgeld retten will – der vernünftigere Weg gewesen. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Bundesregierung die Umlage fallen lassen wird.

Mehr als den Missgriff Gasumlage sollte man der Regierung ankreiden, dass nur noch Machtpoker ihre Politik bestimmt. Längst ist fraglich, ob die Bundesregierung die nächsten drei Jahre durchhalten will.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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17 Kommentare

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  • "Eine Umlage auf alle fossilen Energien wäre – wenn man die Gas­importeure nicht gleich mit Staatsgeld retten will – der vernünftigere Weg gewesen. "

    Das sehe ich anders - das wäre nur ein etwas weniger unvernünftiger Weg gewesen. Wir könnten uns auch alle mal ehrlich machen und einsehen, dass in dieser Industriegesellschaft jeder, wirklich jeder auf Gas und Erdöl und deren Derivate angewiesen ist. Sie werden in der Baubranche (Bitumen, etc pp), der Lebensmittelerzeugung (Dünger), in Hygiene-, Pharma-, Elektronik- und etlichen anderen Industrien zur Produktion benötigt. Neben alltäglichem Konsum hängen auch immens viele Arbeitsplätze, die Gas als Energieträger brauchen davon ab. D.h. dass auch ein Mensch auf dessen Hausdach sich die Photovoltaikanlage befindet und im Garten die Wärmepumpe arbeitet, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Gas in seinem alltäglichen Leben braucht - also auch wenn er keine Gas-Heizung hat. Daher wäre es das einzig Sinnvolle und einzig Gerechte, wenn die tolle Gasumlage kassiert und die notwendigen Finanzmittel durch Steuermittel erbracht würden. Wir alle brauchen Gas - also zahlen wir auch alle. Unfug ist es hingegen, die Mehrkosten für ein allgemein wichtiges Gut, nur denjenigen anzutragen, die den Rohstoff zum Heizen benötigen.

  • "dass nur noch Machtpoker ihre Politik bestimmt."

    Das ist eine Binse und in jeder Koalition so. Schon vergessen das Geschrei hier wg. Tempolimit, AKW und Schuldenbremse?

    Es zeigen immer 4 Finger zurück auf einen selbst.

  • "Nicht zuletzt, weil diese von Anfang an den gravierenden Webfehler hatte, nur Gaskunden zu treffen."

    War es nur ein "Versehen" einer grünen Spitzenkraft, dass Mal wieder ein lange profitabler Konzern von den Kunden gerettet werden sollte?

    Oder ist es einfach nur normale Grünenpolitik, auf Kosten der unteren Schichten zu handeln? HartzIV und co hat ja damals nicht allein die SPD verbrochen. Mit etwas Sinn für das Soziale, hätte Herr Habeck die Schieflage erkennen können. Aber wahrscheinlich hat er nur davon geträumt, das ganze auf seine gefühlige Wellnessart verkaufen zu können.

  • Warum hatte Habeck nur so eine dämliche Idee....blöder kann man nicht Politik machen. Warum soll das Gas erst teurer gemacht werden, dann wird wieder entlastet. Schade, dass dem Zauber des Anfangs bei ihm ganz schnell die Ernüchterung folgte.

    • @casio:

      Ich bin mir nicht sicher, ob Habeck sich die Gasumlage in dieser Form selbst ausgedacht hat. Und wenn doch, warum ihn die "Experten" in seinem Ministerium damit an die Öffentlichkeit gelassen haben.

      Dass seine Mitkoalitionäre die Vorlage gerne nutzen, um ihn als gefährlichsten Konkurrenten zu demontieren, sehe ich hingegen schon.

  • Wegen der Gasumlage wurde die MWSt auf Erdgas abgesenkt. Dieser Fehler kann dann auch gleich rückgängig gemacht werden.

  • Affentheater trifft es gut. Die Gasumlage (= Sonderabgabe für Gaskonzerne, die unverantwortlich Reserven verzockt haben und damit wieder einmal unter Beweis gestellt haben, dass man der sog. "freien Wirtschaft" elementare Aufgaben wie die Energieversorgung eines Staates nicht überlassen kann) war von Anfang an eine typisch neoliberale Idee - lassen wir doch einfach die Kunden blechen, hat bisher auch immer super funktioniert. Vor wenigen Wochen war in der taz noch zu lesen, dass sich die Grünen für etwas mehr kosmetische Entlastungen eingesetzt hätten. Wie edel.

    Damals habe ich schon kommentiert, dass das der falsche Ausgangspunkt für diese Diskussion ist und dass die Gasumlage weg muss, aus vielen Gründen, u.a. weil sonst das unverantwortliche Geschäftsgebaren auch noch belohnt wird. Und weil, wenn der Staat schon Milliarden reinbuttert in einen insolventen Saftladen, er ihn dann (freier Markt und so) auch gleich zum Schnäppchenpreis kaufen kann und ab dann wieder selbst die Kontrolle über elementare Versorgung ausüben kann. Der "freie Markt" kriegt es ja offensichtlich nicht auf die Reihe.

    Genau das passiert jetzt.

    Wobei jetzt nur noch verschleiert werden soll, dass "wir lassen einfach die Kunden blechen" - netter Versuch - von allen gemeinsam beschlossen wurde, von den Grünen, von der FDP und von der SPD. Die einen versuchen jetzt rechtliche Bedenken ins Feld zu führen (das hätten sie als Gesetzgeber *vorher* checken müssen), die anderen versuchen durchs bloße Umschwenken zu punkten. Wir waren's nicht. Wer konnte das ahnen? Und wer hat die "Liberalisierung" der Energieversorgung betrieben? Na?

    Affentheater.

    Kein Bäcker (die wegen dem Schwachsinn jetzt reihenweise pleite gehen) und keine Architektin könnte sich so eine dilletantische ignorante Arbeitsweise erlauben, die wären längst arbeitslos.

    Bei Politikern ist diese Gefahr gering (einer der wenigen Berufe, der keine Qualifikation benötigt, leider).

  • Seit Sylt hat die Springer-Presse ihr Spaltpotential mit in der Ampel statuiert, wenn Bild am Sonntag LIndners Alleingang mit der Gaspreisbremse mit viel Getöse ins Spiel bringt und weiter am Absturz der Grünen in Person ihres Wirtschaftsminsters arbeitet (es ist aufgrund der mangelnden ökonomischen Reife eh`nur eine Frage der Zeit, bis Habeck hinschmeißt und damit das ganze Konstrukt ins Rutschen bringt). Wie in Italien, Schweden oder Frankreich, es ist nicht die Dempkratie, es sind leider immer weniger überzeugende Parteigänger, die sich nicht mit der Ökonomie anlegen wollen, die die Menschen vom Wählen abhalten und Populisten (wie Lindner, nur weniger Plumpe) Wahlchancen bieten.

  • gasumlage wozu ? wer gas benutzt hätte seit der krimbesetzung wissen müssen wen er unterstützt nähmlich putin .deswegen sollen diese leute die hunderte millarden euro diesem kriegstreiber zukommen lassen auch zahlen wenns jetzt ihr gaslieferant putin den hahn zudreht.als alternative sollten alle schnell auf alternative ernergien umschalten fotovoltaik balkonkraftwerke oder einfach infrarotheizungen benutzen.oder man führt die eeg umlage wieder ein dadurch kämen millarden euro auf das eeg konto und das geld könnte man zum massiven ausbau von wind solar energie und wasserstoff und redox flow speicher benutzen also billiger europäischer energie

    • @prius:

      Klar, bei Wartezeiten von einem Jahr kann man schnell auf EE umstellen.

  • Während der Bürger, gebeutelt von absurden Forderungen der Energieanbieter (in Form von fünf bis achtfachen Preisen), an Existenzängsten leidet, diskutiert die Politik nur darüber, wie sie dem Wähler noch mehr in die Tasche greifen kann.

    Das eklatante Versäumnis, Preise zu deckeln oder einzufrieren und dann gegebenenfalls die finanziellen Schwierigkeiten der Energieanbieter mit Steuergeldern zu behandeln, wird sich bei den nächsten Wahlen rächen, in Form eines Zugewinnes der Rechten.

    Der normale Bürger scheißt auf Sanktionen, wenn seine Lebensgrundlagen bedroht sind.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Mehr als den Missgriff Gasumlage sollte man der Regierung ankreiden, dass nur noch Machtpoker ihre Politik bestimmt."

    Daraus resultierte, dass Lindner Habeck die Gasumlage als Projekt unterjubelte, indem er die Finanzierung aus dem Haushalt verweigerte. Mit der Verstaatlichung werden die Karten neu gemischt - und weiter gepokert. die Bürger erwärmen sich derweil am heißen Kampf.

  • Der Habeck muss kleingemacht werden -- da sind sich alle einig: SPD, FDP, CDU/CSU. Wäre ja noch schöner, wenn die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl 25%+X bekämen. Dann ist es nämlich endgültig aus mit dem Prokrastinieren.

    Nicht, dass den Grünen alles gelänge. Sie sind aber im Moment die einzigen, die den Umbau relevanter Wirtschaftssektoren in Richtung Klimaschutz überhaupt angehen. Der Rest tut so, als könnten wir noch Jahrzehnte mit Brückentechnologien herumfummeln.

    Und um Macht geht es denen allen. Von wegen "Erst das Land, dann die Partei."

    • @Libuzzi:

      Ich bekomme vor allem mit, dass die Grünen ständig neue Subventionen für fossile Energien einführen und sie den Betreibern von Wind- und Solarparks in die Tasche greifen wollen.

  • Tja mit solchen Ministern werden wir im V + W -Fall wohl in wenigen Tagen kapitulieren müssen.



    Eine Gasumlage ist Verfassungswidrig, da diese nur die Gasbezieher betrifft. Aber auch bei einer Ausweitung auf Fossile Energien wäre sie ebenfalls verfassungswidrig, da auch in diesem Falle nicht alle gleichbehandelt wären.



    Die Gasumlage oder Umlage auf "fossile Energien" ist nicht die Folge einer regulären Marktpreiserhöhung da der "Stoff" knapp geworden wäre, sondern ist ein Mittel der Kriegsführung des "Schlächters von Moskau"! Diesem Kriegsmitteleinsatz eines geführten Angriffskrieges ausgehend von Putin, sollten wir alle gemeinsam Widerstand leisten, nicht nur diejenigen, die davon wirtschaftlich betroffen sind.



    Daher ist eine Übernahme des insolventen Gasgroßhändlers Uniper wesentlich sinnvoller, zumal damit auch Kohlekraftwerke (u.a.) in Russland in den Besitz übergehen und als Faustpfand in Form einer Waffe in den wirtschaftlichen Verflechtungen verwendet werden könnten.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      „Eine Gasumlage ist Verfassungswidrig, da diese nur die Gasbezieher betrifft. “

      Das ist so nicht richtig. Viele Produkte haben angepasste Steuern oder Ermäßigungen, die anhand des einzelnen Produktes festgelegt werden. Das fängt bei ermäßigten MwSt an und wenn Sie den Diesel und Benzin Steueranteil vergleichen, werden sie ebenfalls Unterschiede feststellen