Streik der GDL: Weselskys Ablenkungsmanöver
GDL-Chef Claus Weselsky kämpft für kürzere Arbeitszeiten – auch mit unlauteren Mitteln. Das Streikrecht einzuschränken, wäre dennoch keine gute Idee.
D er Auftakt zu den angekündigten „Wellenstreiks“ ist gemacht. Zunächst bis Freitag fährt nicht mehr viel auf den Schienen der Republik. Auch danach werden sich Reisende nicht darauf verlassen können, mit der Deutschen Bahn (DB) von einem Ort zum anderen zu kommen, hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) angekündigt. Kurzfristig angesetzte Streiks sollen jederzeit möglich sein.
Für die Bahnkund:innen ist das ärgerlich. Dass die üblichen Verdächtigen nun wieder eine Einschränkung des Streikrechts fordern, bleibt dennoch falsch. Die Möglichkeit zu einem wirkungsvollen, also auch unbequemen Arbeitskampf ist die einzige Macht, die eine Gewerkschaft hat.
Nichtsdestotrotz fährt GDL-Chef Claus Weselsky auf einem gefährlichen Gleis. Dass er ausgerechnet über den Hauptstreitpunkt in den Tarifverhandlungen „aus Versehen“ die Unwahrheit gesagt hat, schadet seiner Sache enorm.
Dass die Moderatoren Daniel Günther und Thomas de Maizière eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter:innen nicht nur um eine Stunde, sondern um zwei Stunden bei vollem Lohnausgleich vorgeschlagen haben, ist keine Nebensächlichkeit.
Mit seiner Falschdarstellung hat Weselsky wohl davon ablenken wollen, dass unter normalen Umständen eine Absenkung von 38 auf 36 Stunden ein riesiger Erfolg für die GDL wäre. Trotzdem hat sie den Moderatorenvorschlag brüsk abgelehnt. Warum?
Viel spricht dafür, dass Weselsky sich in eine Falle manövriert hat, aus der nur noch schwer herauszukommen ist. Denn die Vereinbarungen mit 28 kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden, die Weselsky wie eine Monstranz vor sich herträgt, haben zwar einerseits den Druck auf die DB erhöht.
Durch ihre Kopplung per Wettbewerbsklausel an den ausstehenden Abschluss mit der Marktführerin haben sie jedoch andererseits Weselskys Spielraum zur Kompromissfindung dramatisch eingeschränkt. Mit Tricksereien wird er dieses Problem jedoch nicht lösen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier