Steuervorschläge der SPD: Umverteilung ist das Gebot der Stunde
Weil die linken Parteien gegeneinander arbeiten anstatt miteinander, fällt der Verteilungswahlkampf wohl auch diesmal wieder aus. Nötig wäre er.
W ie schön, dass in einer Welt im Wandel wenigstens alte Reflexe zuverlässig funktionieren. Die SPD stellt ein Strategiepapier vor, in dem sie nebulös ankündigt, Normalverdienende zu entlasten und dafür Topverdiener:innen „etwas“ stärker zu belasten – und Friedrich Merz reagiert „entsetzt“. Dabei hat der CDU-Chef exakt die gleiche Idee vor einem Jahr selbst in den Raum geworfen, aber mittlerweile ist er ja Kanzlerkandidat und fordert „mehr Respekt für Besserverdienende“. Abgesehen davon kann man Merz nur begütigend auf die Schulter klopfen: „Reg dich wieder ab, es kommt alles nicht so wild.“
Die SPD hatte nämlich schon im Bundestagswahlkampf 2021 und in den Jahren zuvor angekündigt, Spitzenverdiener:innen stärker zu belasten und droht ab und an damit, Vermögen von gestorbenen oder lebenden Millionär:innen ein ganz klein bisschen mehr zu besteuern. Nur umgesetzt hat sie bislang nie etwas davon. Und leider spricht einiges dafür, dass es diesmal ähnlich läuft: Also fällt der Verteilungswahlkampf diesmal wieder aus? Nötig wäre er.
Denn da ist zum einen die Schwäche des im weitesten Sinne linken Lagers. Parteien, die Umverteilung von reich zu arm für geboten halten – das sind SPD, Grüne, Linke und BSW –, kämen laut Umfragen derzeit zusammen auf magere 39 Prozent. Dagegen sind jene, welche Topverdienende und Millionär:innen zu Leistungsträger:innen und für schutzbedürftig erklären, nämlich Union, FDP und AfD, mit 52 Prozent derzeit in der Mehrheit. Das liegt vor allem an anderen Themen, wie der ressentimentgeladenen Migrationsdebatte.
Aber hinzu kommt: Die steuerpolitisch linken Parteien finden derzeit nicht zusammen. Die SPD will die Grünen auf Abstand halten, damit sie sich als dominante Kraft im linken Lager profilieren kann und ihre Wahlkampftaktik „Wir gegen die Merz-Union“ aufgeht. Linke und BSW sind Sinnbild einer gescheiterten Beziehung. Also fällt der Verteilungswahlkampf diesmal wieder aus? Nötig wäre er. Zum einen, um dem gesellschaftlichen Trend des Nach-unten-Tretens endlich wieder einen Kampf für Gerechtigkeit und Fairness entgegenzusetzen.
Wie wäre es mit ein bisschen Klassenkampf, anstatt permanent Geringerverdiener:innen gegen Bürgergeldempfänger:innen und Rentner:innen gegen Geflüchtete auszuspielen? Zum anderen, weil es objektiv eine riesige Vermögensungerechtigkeit in Deutschland gibt, gleichzeitig aber einen wachsenden Bedarf an öffentlicher Daseinsvorsorge. Bund, Länder und Kommunen ächzen unter steigenden Ausgaben für Pflege, Gesundheit und Rente und müssten viel mehr in Bildung, Nahverkehr und den Erhalt der Infrastruktur stecken.
Doch das Geld fehlt. Wirklich? Die 4.300 reichsten Haushalte besitzen laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung mindestens 1,4 Billionen Euro an Vermögen. Das entspricht dem Dreifachen dessen, was der Bundesfinanzminister jährlich zur Verfügung hat – von A wie Arbeitsmarkt bis Z wie Zivilschutz. Hinzu kommt: Der Reichtum der Superreichen ist zuletzt Jahr für Jahr gewachsen, gleichzeitig müssen sie weniger davon abgeben. Wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit erhoben hat, konnten Multimillionär:innen ihre Steuer- und Abgabenbelastung seit 1996 mehr als halbieren und zahlen durchschnittlich 24 Prozent in die Gemeinwohlkasse.
Faire Besteuerung von Vermögen
Was unter anderem daran liegt, dass die Vermögensteuer ausgesetzt ist, es zahlreiche Schlupflöcher für Unternehmen gibt und die Erbschaftsteuer Ausnahmen für Betriebsvermögen im Millionenbereich erlaubt. Laut Oxfam hat die ausgesetzte Vermögensteuer Deutschland bislang über 380 Milliarden Euro gekostet.
Aktuell muss Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia beim Kauf von 150.000 Wohnungen dank eines legalen Steuertricks keinen einzigen Cent Grunderwerbsteuer bezahlen. Schön für die Aktionäre, blöd für das Land Berlin, dem bis zu 1 Milliarde Euro entgehen und das gerade alle Zuschüsse zu Klassenfahrten streicht. Es kämen also hübsche Summen zusammen, mit denen man nicht nur Klassenfahrten, Kitas und Unis finanzieren, sondern auch die Sozialkassen entlasten könnte.
Umverteilung ist das Gebot der Stunde, um dem Staat zu ermöglichen, seinen konsumtiven Aufgaben – für investive wären Kredite und damit eine Lockerung der Schuldenbremse sinnvoll – nachzukommen. Folglich müsste die SPD im Kampf für mehr Gerechtigkeit nicht nur eine Einkommensteuerreform fordern, sondern mutig für die Schließung von Steuerschlupflöchern sowie eine faire Besteuerung von Vermögen und Erbschaften streiten. Traut sie sich das? Oder heißt es am Ende wieder: Gut gebrüllt, SPD?
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